90 Tagessätze zu je 50 Euro, plus Prozesskosten: So lautet das Urteil, das Richterin Beate Christ am Mittwoch in Augsburg gegen einen 33-Jährigen verhängte. In der ungewöhnlich langen Zivilverhandlung im Amtsgericht ging es um die Frage: Hat der Angeklagte Johann K., ein Soldat, seine sogenannte Duldungspflicht in der Bundeswehr verletzt oder nicht? 2021 hatte der 33-Jährige nämlich eine Corona-Impfung abgelehnt, als er auf einem Nato-Stützpunkt auf Sizilien stationiert war. Die Vorsitzende Richterin sagt: ja.
Gericht: Soldat hat Befehl missachtet
Der Richterin zufolge führte der Vorgesetzte des Soldaten plausibel aus, dass sich der Angeklagte im Bewusstsein aller Konsequenzen gegen eine Impfung entschieden hat. Damit habe er einen direkten Befehl missachtet und sich deshalb strafbar gemacht. Mit einem bloßen Erscheinen bei einem Impftermin seien der Befehl und auch die Duldungspflicht nicht erfüllt gewesen. Auch habe der Angeklagte die Impfung seither nicht nachgeholt, so die Richterin.
Laut Verteidigung gab es keine Befehlsverweigerung
In der Anklageschrift hatte die Staatsanwaltschaft noch eine geringere Strafe beantragt. Als der Angeklagte die Tat im Prozess nicht zugeben wollte, plädierte sie auf ein höheres Strafmaß von 120 Tagessätzen zu je 50 Euro. Die Verteidigung forderte hingegen, den Angeklagten freizusprechen. Entscheidend sei, so sein Anwalt, dass der Befehl während einer Impfung "Arm frei" nicht dezidiert erfolgt sei. Deswegen liege auch keine Verletzung der Duldungspflicht vor.
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Bundeswehrarzt und Angeklagter widersprechen sich
Während der Verhandlung gab der Angeklagte an, aus Angst vor Impffolgen wie einer Herzmuskelentzündung, nicht mit einer Impfung einverstanden gewesen zu sein. Insgesamt habe es zwei Impftermine gegeben. Eine tatsächliche Impfung sei aber nach den jeweiligen Aufklärungsgesprächen nicht zustande gekommen. Die Gründe dafür stellen K. und der am Stützpunkt zuständige Bundeswehrarzt unterschiedlich dar.
K. sagte: "Nach einem kurzen Aufklärungsgespräch hat mich der Arzt an meinen Disziplinar-Vorgesetzten verwiesen und hinausgeworfen." Beim zweiten Termin sei er gedrängt worden, eine Einverständniserklärung für die Covid-Impfung zu unterschreiben, so K.. Der Arzt wiederum betonte vor Gericht, eine derartige Unterschrift sei für die damals duldungspflichte Corona-Impfung nicht nötig. Auch habe das erste Gespräch deutlich länger gedauert, nämlich rund anderthalb Stunden. Dabei habe er Fragen des Angeklagten beantwortet. Anschließend habe K. den Raum ohne Impfung verlassen.
Verteidiger hält Rechtsmittel für aussichtsreich
Mittlerweile hat der Angeklagte Berufung gegen das Urteil eingelegt. Das bestätigte der Verteidiger des 33-Jährigen auf BR-Nachfrage. "Andere vergleichbare Verfahren wegen nicht geleisteter Impfungen in der Bundeswehr sind eingestellt worden", erklärte der Strafrechtsexperte aus Bonn. Den Einspruch begründete Strafverteidiger Gronimus unter anderem mit einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Dem Anwalt zufolge sind Soldaten demnach nicht verpflichtet, mit einer Impfung einverstanden zu sein. Sie dürften sich lediglich einer Weisung des Arztes, sich einer duldungspflichtigen Impfung zu unterziehen, nicht aktiv widersetzen. Noch liege das schriftliche Urteil des Amtsgerichts nicht vor. Ab Zustellung hat die Verteidigung einen Monat Zeit ihren Einspruch, schriftlich zu begründen. Wird das Verfahren geprüft, geht es am Landgericht Augsburg weiter.
Soldat ist nicht mehr im Dienst
Dem Angeklagte ist seit Anfang 2022 wegen der fehlenden Impfung sein Dienst verboten. Außerdem darf er deswegen seine Uniform nicht mehr tragen.
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