Kanada war Pionier in Sachen Bürgerbeteiligung, Irland hat das Konzept vor einigen Jahren aufgegriffen, Deutschland zog jetzt nach. Das ist ganz im Sinne von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der das als Möglichkeit sieht, die Demokratie zu stärken. Vor gut zwei Jahren, als der irische Staatspräsident Michael Higgins in Berlin war, war Steinmeier voll des Lobes für den "irischen Mut", der Deutschland inspirieren möge. Wie es damit voran geht, kann der Bundespräsident jetzt bei seinem Gegenbesuch in Irland berichten - im Gespräch mit Higgins und mit Teilnehmern des irischen Bürgerrates. Laut Bundespräsidialamt interessiert Steinmeier, wie sie Lösungen gefunden haben, die alle Seiten mitnehmen.
Auswahl durch ein Losverfahren
Ein Ziel dieser Bürgerräte lautet: Menschen mit ins Boot holen, die sich nicht politisch betätigen, die sich also von sich aus nicht für so eine Aufgabe melden würden. Deshalb werden die Teilnehmer zufällig ausgewählt. Fachleute versorgen die Runde dann mit den nötigen Informationen. Moderatoren und Moderatorinnen sorgen dafür, dass jeder zu Wort kommt und am Ende ein Ergebnis steht. In Irland wurde so zum Beispiel der Weg bereitet, um eines der heikelsten innenpolitischen Themen anzugehen. Die Mehrheit des Bürgerrates wollte ein Recht auf Abtreibung, ein daraufhin abgehaltenes Referendum im Jahr 2018 bestätigte das.
Vorbehalte von Politikern in Deutschland
In Deutschland kennt man diese Beteiligung von Laien an politischen Entscheidungsprozessen bisher vor allem auf kommunaler Ebene. Der Soziologe und Politikprofessor Oscar Gabriel, ein Experte für politische Partizipation, nimmt Vorbehalte bei vielen Politikern wahr. Deren Blick auf solche Beteiligungsverfahren sei geleitet vom Gedanken "Da werden uns die Kompetenzen weggenommen!". Dabei sei es doch eine Chance, Bürger einzubinden und so zusätzliche Ressourcen zu mobilisieren. Gabriel ist davon überzeugt, dass das den Entscheidungsträgern neue Perspektiven eröffnet und vernachlässigte Interessen in den Prozess einbringt.
2020: Bundestag beschließt Bürgerbeteiligung
Angestoßen durch eine Bürgerinitiative hat der Bundestag mittlerweile zwei Mal Bürgerräte beauftragt, sich eine Meinung zu bilden. Und zwar zu den Fragen "Wie soll unsere Rolle in der Welt aussehen?" und "Wie schaffen wir es, die Klimaziele aus dem Pariser Abkommen einzuhalten?" Eines war dabei von vornherein klar: Die Bürger sind aktiver Teil der politischen Willensbildung und sprechen Empfehlungen aus. Die Entscheidung treffen am Ende aber die gewählten Abgeordneten als Repräsentanten der Bürgerinnen und Bürger.
Abgrenzung zur "direkte Demokratie"
Das ist auch der große Unterschied zur direkten Demokratie, bei der es weit über die Meinungsbildung hinausgeht. Über Volksbegehren können Bürger Themen auf die Tagesordnung heben, über Volksentscheide Entscheidungen übernehmen, die sonst das Parlament treffen würde.
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