Einen besseren Schutz für Fußgänger soll Tempo 30 innerorts aus Sicht der Gewerkschaft der Polizei bringen. Die Forderung: Tempo 30 als Standardgeschwindigkeit in deutschen Gemeinden und Städten. Was spricht für, was gegen Tempo 30 in Städten und Gemeinden?
"Ein bisschen mehr Rücksicht"
Die Idee stößt bei Passanten in München und Würzburg auf positive Resonanz: "Super fände ich das, ich bin nämlich eigentlich Fahrradfahrerin und insgesamt würde da vielleicht ein bisschen mehr Rücksicht genommen werden." Ein weiterer Passant ergänzt: "Sehr gut, weil eh viel zu viele Autos unterwegs sind."
Auch die Initiative "Lebenswerte Städte und Gemeinden" fordert mehr Tempo 30 innerorts. Ihr haben sich bereits über 1.000 Kommunen deutschlandweit angeschlossen. Genauso unterstützen beispielsweise die Deutsche Umwelthilfe, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland und der Fachverband Fußverkehr Deutschland mehr Tempo 30 Innerorts.
Innenminister Herrmann ist skeptisch
Geht es dagegen nach Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), kommt eine einheitliche Regelung, die Tempo 30 innerorts künftig zur normalen Höchstgeschwindigkeit machen würde nicht: "Es gibt weder bei uns, noch soweit ich das sehe in anderen Ländern Absichten zu einer einheitlich Temporegelung zu allen Innenstädten."
Für die kritischen Stimmen dürfte das eine Erleichterung sein. Ein Passant findet zum Beispiel: "Wenn ich mir vorstelle, alle schleichen hier mit 30, da kommt man ja überhaupt nicht mehr vorwärts." Eine andere Person differenziert: "Auf kleineren Straßen finde ich 30 gut, aber nicht auf so einer breiten. Das ist zu langsam für mich." Auch beim Automobil-Club ADAC steht man Tempo 30 skeptisch gegenüber.
Tempo 30 bringt weniger Lärm und Emissionen
Allerdings gibt es mehrere Argumente für den Vorschlag. Tempo 30 sorgt laut Roland Stimpel vom Fachverband Fußverkehr für einen gleichmäßigeren Verkehrsfluss. Die niedrigere Geschwindigkeit reduziere nicht nur den Lärmpegel, sondern auch den Benzinverbrauch und die Abgasbelastung.
Ein Forschungsprojekt im Auftrag des Umweltbundesamtes bestätigt, dass Tempo 30 zu einer deutlichen Verringerung der Lärmbelästigung und einer Reduktion von Luftschadstoffen führen kann.
Mehr Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer
Hauptargument für Tempo 30 ist aber der Sicherheitsaspekt. Unfallforscher Professor Wolfgang Böcker erklärt: "Grundsätzlich ist Geschwindigkeit ein Risikofaktor im Verkehr. Mit höherer Geschwindigkeit steigt nicht nur die Kollisionswahrscheinlichkeit, sondern auch die Schwere der Verletzungen." Studien zeigten, dass bei Tempo 50 die Verletzungsschwere im Vergleich zu Tempo 30 signifikant zunehme.
Roland Stimpel vom Fachverband Fußverkehr verdeutlicht das: "Wird ein Fußgänger mit Tempo 50 gerammt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass er stirbt, viermal so hoch als bei Tempo 30." Mehr Unfälle passieren mit Tempo 50 auch, weil der Bremsweg doppelt so lang sei, so Kerstin Haarmann, Bundesvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland (VCD).
ADAC befürchtet mehr Unfälle auf Nebenstraßen
Der ADAC hingegen sieht Tempo 30 nicht als Allheilmittel. Ein Sprecher erklärt: "Tempo 30 alleine ist nicht immer geeignet, Unfälle zu verhindern. Vor allem bei Unfällen an Kreuzungen spielt die Geschwindigkeit oft eine untergeordnete Rolle." Außerdem befürchtet der ADAC, dass der Verkehr dadurch auf die Nebenstraßen ausweicht, was beispielsweise in Wohngebieten zu einem höheren Unfallrisiko führen könnte.
Auch die Akzeptanz in der Bevölkerung sei fraglich, da Umfragen laut ADAC eine ablehnende Haltung gegenüber flächendeckenden Tempo-30-Regelungen zeigen. Wichtig sei es, Hauptverkehrsstraßen leistungsfähig zu halten und den Verkehr dort zu bündeln.
Was der ADAC für mehr Sicherheit auf den Straßen fordert
Um die Sicherheit auf den Straßen ohne verpflichtendes Tempo 30 zu erhöhen, fordert der ADAC sicherere Querungsmöglichkeiten für Fußgänger, also den Ausbau von Fußgängerüberwegen und Ampeln an kritischen Stellen. Denn laut dem ADAC passieren viele Unfälle beim Überqueren der Straße, genauso bei Fahrradfahrern. Deshalb sieht der ADAC ausreichend breite und durchgängige Radwege als Lösungsmöglichkeit.
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