Über Tempo 30 hat bislang der Bund das Sagen – bei Staats- Bundesstraßen jedenfalls, auch wenn sie durch einen verkehrsbelasteten Ort verlaufen.
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Über Tempo 30 hat bislang der Bund das Sagen – bei Staats- Bundesstraßen jedenfalls, auch wenn sie durch einen verkehrsbelasteten Ort verlaufen.

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Tempo-30-Entscheidung im Bundesrat: Mehr Spielraum für Kommunen?

Seit Jahren ringen Kommunen mit dem Bund um mehr Kompetenz bei der Ausweisung von Tempo-30-Zonen. Heute entscheidet der Bundesrat über einen Kompromiss, den der Bundestag beschlossen hat. Für verkehrsgeplagte Anwohner geht es auch um Lebensqualität.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Rechts, links, rechts, links – wohin Günther Eisenrieder in der Ausfahrt vor seinem Haus im oberbayerischen Holzkirchen auch schaut, überall fahren Autos vorbei. Und längst nicht alle halten sich an die Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h. "Es ist Wahnsinn", sagt der Pensionär. Oft wartet er minutenlang, bis er über die Tölzer Straße kann. Dazu der Verkehrslärm: "Wenn wir am Samstag, Sonntag auf der Terrasse sitzen, wenn schönes Wetter ist – das ist nur ein Gebrumme."

Hoffnung auf weniger Verkehr bei Tempo 30

Eisenrieder wünscht sich deshalb Tempo 30 für diesen Teil der Tölzer Straße: "Dann würden viele wahrscheinlich die Durchfahrt hier meiden." Rund 20.000 Autos kämen täglich vorbei – entweder Freizeitpendler Richtung Bad Tölz oder Berufspendler Richtung München. Eisenrieders Hoffnung: Wenn sie hier ausgebremst werden, fahren sie entweder woanders oder gar nicht mit dem Auto.

Doch Tempo 30 an der Holzkirchner Ortsdurchfahrt war bislang nicht möglich. Denn die Tölzer Straße ist eine Bundesstraße, erklärt der Holzkirchner Bürgermeister Christoph Schmid (CSU). "Die ist im Eigentum der Bundesrepublik und da kann ich nicht einfach drüber befinden, wie ich auch sonst nicht einfach über fremdes Eigentum befinden kann."

Bundestag: Kommunen sollen Klima- und Umweltschutz berücksichtigen

Doch das soll sich jetzt ändern. Zumindest nach dem Votum des Bundestags, der im vergangenen Jahr eine entsprechende Änderung des Straßenverkehrsgesetzes beschlossen hat. Ob sie in Kraft treten kann, entscheidet am heutigen Freitag der Bundesrat.

Demzufolge soll es für Städte und Gemeinden deutlich leichter werden, Tempo 30 an Staats- und Bundesstraßen anzuordnen - zum Beispiel an Spielplätzen, viel befahrenen Schulwegen und Fußgängerwegen und Streckenabschnitten bis zu 500 Metern zwischen zwei Tempo-30-Zonen. Ziel der Novellierung ist laut Mitteilung des Bundestags, dass Länder und Kommunen "neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs künftig auch die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigen können".

Weniger Lärm, mehr Gestaltungsmöglichkeit

Tatsächlich wäre Tempo 30 ein Gewinn für mehr Lebensqualität vor Ort, sagt Städtebauplaner Marco Hölzl von der bayerischen Architektenkammer: "Weil Autos eben gerade mit zunehmender Geschwindigkeit erheblich mehr Lärm emittieren. Da helfen auch Elektrofahrzeuge nichts, weil ganz viel von der Lärmbelastung von den Reifenabrollgeräuschen kommt."

Genauso wichtig: Stadtplaner hätten mehr Möglichkeiten, wenn innerorts maximal 30 km/h erlaubt wären, so Hölzl. "Man braucht weniger Straßenbreiten, wenn die Geschwindigkeiten sich reduzieren, man kann mit wechselndem Begegnungsverkehr arbeiten und hat einfach eine größere Gestaltungsmöglichkeit."

Städtetag fordert komplette Hoheit über Tempo-30-Festlegungen

Für den Bayerischen Städtetag geht es beim Thema Tempo 30 im Ort deshalb auch um die Kompetenzhoheit der Kommunen. "Wir würden uns einfach die Freiheit wünschen, dass wir aus Klimaschutzgründen, aus Lärmschutzgründen und aus Stadtentwicklungsgründen Tempobeschränkungen vornehmen können, ohne einen besonderen zusätzlichen Rechtfertigungsdruck zu haben", erklärt Städtetags-Vorsitzender Markus Pannermayr, Bürgermeister im niederbayerischen Straubing.

Denn ein Freifahrtschein für die Kommunen, bei Tempo 30 wirklich freie Hand zu haben und nicht nur in bestimmten Fällen, wäre die neue Regelung nicht. Eben dies wäre aber wichtig, sagt Pannermayr. "Das wäre ein Beitrag zur Entbürokratisierung, dass man diese Liste der Bedingungen einfach mal beiseite schiebt und sagt: Wir vertrauen euch – Vertrauen reduziert Komplexität –, entscheidet vor Ort."

Im Video: Öfter "Tempo 30" in Ortschaften?

Öfter "Tempo 30" in Ortschaften? Für verkehrsgeplagte Anwohner könnte das die Lösung sein.
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Öfter "Tempo 30" in Ortschaften? Für verkehrsgeplagte Anwohner könnte das die Lösung sein.

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