Es ist Mai 2024. In Immenstadt herrscht Fassungslosigkeit. Anwohner und Fremde legen neben einer Sitzbank in der Innenstadt Blumen und Kerzen nieder. Sie trauern um einen 53 Jahre alten obdachlosen Mann. Er war stadtbekannt und bei vielen Passanten beliebt. Viele können nicht glauben, dass er tot ist.
17-Jähriger kommt in Untersuchungshaft
Schnell verbreitet sich, was passiert sein soll: Ein 17-Jähriger soll den obdachlosen Mann geschlagen haben. Danach habe das Opfer auf einer Polizeiinspektion Anzeige erstattet. Am nächsten Morgen sei er bewusstlos in einer Bankfiliale gefunden worden, später erlag er seinen Verletzungen im Krankenhaus.
Es dauert nicht lange, bis die Polizei den verdächtigen Jugendlichen festnimmt. Fast genau acht Monate später beginnt nun der Prozess gegen ihn.
Staatsanwaltschaft geht von Mord aus, Verteidigung von Körperverletzung
"Die Staatsanwaltschaft geht von Mord aus und wirft dem Angeklagten vor, sich mit dem Obdachlosen bewusst ein schwächeres Opfer gesucht zu haben, um Stärke und Macht zu demonstrieren", sagt der Gerichtssprecher des Landgerichts Kempten, Ferdinand Siebert. Damit liege nach Auffassung der Staatsanwaltschaft das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe vor. Sollte das Gericht so entscheiden, könnte eine lebenslange Haftstrafe verhängt werden.
Der Verteidiger des Angeklagten, Michael Eichinger, plädiert hingegen auf Körperverletzung. "Mein Mandant will sich äußern und die Körperverletzung zugeben, die ist auch unstrittig." Er werde aber dem Vorwurf der Staatsanwaltschaft in einigen Punkten widersprechen. Das Gericht muss laut Eichinger erst durch Gutachten zweifelsfrei klären, ob die Körperverletzung tatsächlich zum Tod des Obdachlosen geführt hat. "Selbst wenn das der Fall ist, handelt es sich um keinen Mord, denn das Opfer konnte danach noch auf die Polizeiwache gehen und Anzeige erstatten."
Die Öffentlichkeit ist vom Prozess ausgeschlossen
Sieben Verhandlungstage sind angesetzt, das Urteil fällt nach jetzigem Stand Mitte Februar 2025. Da der Angeklagte zur Tatzeit minderjährig war, findet der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. "Man möchte den Jugendlichen vor einer öffentlichen Stigmatisierung schützen und so sicherstellen, dass eine spätere Resozialisierung, unabhängig vom Urteil, nicht gefährdet wird", erklärt Gerichtssprecher Ferdinand Siebert.
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