Rund 20 ukrainische Schüler besuchen an der Grundschule Altenmarkt in Osterhofen im Kreis Deggendorf die Willkommensklasse. Hier lernen sie Deutsch und sollen integriert werden. Aber nicht nur für Kinder ist die Schule eine Anlaufstelle - auch Lehrer aus der Ukraine finden hier einen Job.
Sprache lernen und Struktur im Alltag bekommen
"Hallo, wie geht es dir", fragt eine graue Maus ein Mädchen mit Zöpfen. "Mir geht es gut", antwortet eine Sechsjährige und lacht. Die Maus ist eine Handpuppe, mit der die Lehrerinnen Iryna Endler und Nina Romankova an der Grundschule Altenmarkt reihum gehen. Das Besondere: Die Schüler in dieser Klasse in der niederbayerischen Schule sprechen eigentlich kein Deutsch.
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Sie alle kommen aus der Ukraine und sind mit ihren Müttern nach Deutschland geflohen. In der sogenannten Willkommensklasse in Altenmarkt erlernen sie spielerisch die deutsche Sprache, das Alphabet, erhalten Struktur in ihrem neuen Alltag und lernen das bayerische Schulsystem kennen.
Ausweichräume im Kloster und neue Bushaltestellen
Über 760 solcher Willkommensklassen gibt es mittlerweile in ganz Bayern, wie es vom Kultusministerium heißt. Diese sind meist an den Schulen selbst eingerichtet - dort, wo Platznot herrscht, wird flexibel reagiert, wie an der Grundschule Altenmarkt. Hier wurde auf das ehemalige Kloster ausgewichen. Dafür hat man auch neue Bushaltestellen eingerichtet. Einige ukrainische Kinder kommen zu Fuß zur Schule, viele nutzen aber den Bus. Wie es vom Landratsamt Deggendorf heißt, finanzieren die Kommunen die Busfahrten der ukrainischen Kinder.
Ukrainische Lehrer an bayerischen Schulen
Über 2.200 Lehrer engagieren sich laut Kultusministerium bei der schulischen Integration der Geflohenen in den Willkommensgruppen, darunter mehr als 700 Personen, die ukrainische oder russische Sprachkenntnisse vorweisen, wie Nina Romankova, die Englisch-Lehrerin ist. Sie ist selbst aus der Ukraine geflohen und hat jetzt einen Job als Willkommenskraft an der Grundschule Altenmarkt:
"Ich kann es nicht glauben, ich bin so glücklich. Ich war mein ganzes Leben Lehrerin, habe in der Ukraine Englisch unterrichtet. Das ist mein Traumberuf. Ich bin glücklich, hier sein zu dürfen." Nina Romankova, ukrainische Willkommenskraft
Sieben ukrainische Lehrerinnen in Niederbayern
Romankova erzählt, dass sie unbedingt arbeiten wollte. Nach einem Monat hat es geklappt und sie wurde vom Schulamt Deggendorf und der Regierung von Niederbayern kontaktiert. Jetzt ist sie Lehrerin in der Willkommensklasse, denn Romankova erfüllt die Voraussetzungen: Berufserfahrung als Lehrerin, pädagogisches Geschick, ukrainische Sprachkenntnisse, kommunikatives Talent.
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Bereits sieben ukrainische Frauen, die selbst geflohen sind, haben Verträge an niederbayerischen Schulen. Romankova ist eine davon. Bis zunächst Ende Juli dauert ihr befristeter Vertrag. Unbürokratisch und schnell habe das funktioniert, erzählt die Ukrainerin.
Ziel: Einstieg in den Arbeitsmarkt
Wie es von der Regierung von Niederbayern heißt, erreiche man mit der Einstellung von Geflüchteten für Willkommensklassen zwei Ziele: "Den Kindern wird das Ankommen in einem fremden Land erleichtert und den Geflüchteten sehr schnell und sehr unbürokratisch ein erster Einstieg in den Arbeitsmarkt ermöglicht".
Romankova ist nicht alleine in der Willkommensklasse - Lehrerin Iryna Endler unterrichtet seit einigen Jahren Deutsch als Fremdsprache an der Grundschule Altenmarkt, kennt das bayerische Schulsystem. Der Vorteil: Sie kommt ursprünglich aus dem Donbass, spricht russisch. Jetzt ergänzen sich die beiden Frauen in der Willkommensklasse. Die eine übernimmt den deutschen Part, die andere den ukrainischen.
Ukrainische Lehrer: Kontakt zur Heimat und Sicherheit
Dass Lehrerinnen wie Romankova wichtig in den Willkommensklassen sind, zeigt sich in Altenmarkt: Ein ukrainisches Mädchen ist sehr zurückhaltend, wirkt fast schon ängstlich. Sie macht bei Spielen und Liedern kaum mit. Nina Romankova beugt sich in solchen Momenten zu den Kindern, spricht auf Ukrainisch mit ihnen, übersetzt, versteht ihre Sorgen.
Integration in deutsche Regelklassen
Die teils traumatisierten Kinder brauchen besondere Unterstützung und feste Bezugspersonen, wie Romankova, die ihnen das Kontakthalten zur ukrainischen Heimat ermöglichen, die ihnen Geborgenheit und Sicherheit vermitteln. Dass die ukrainischen Schüler zunächst von deutschen Klassen getrennt unterrichtet werden, hat für die Ukrainerin Vorteile: "Die Kinder können in der Willkommsenklasse über ihre Erfahrungen sprechen, was sie durchgemacht haben. Es hilft ihnen, hier ihre Ängste auszudrücken".
Die Schüler bräuchten eine Gruppe, zu der sie sich zugehörig fühlten. Ein, zwei Monate in der Willkommensklasse ermögliche ihnen, sich an den deutschen Schulalltag und vor allem die deutsche Sprache zu gewöhnen, bevor sie dann in die deutschen Regelklassen integriert werden. "Dann wird es leichter für sie", so Romankova.
Kultusministerium sucht Lehrkräfte für Willkommensklassen
Der Übergang in die Regelklasse bedeutet aber nicht das Ende für Willkommensklassen - das Bayerische Kultusministerium rechnet mit weiteren Zuzügen aus der Ukraine und steht vor der Herausforderung, zusätzlich Lehrkräfte wie Romankova zu gewinnen: "Wir möchten alle Interessierten ermuntern, sich zu bewerben", wie es heißt. Dafür wurde ein extra Bewerbungs-Portal eingerichtet.
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