ARCHIV - 12.07.2023, Schleswig-Holstein, Eekholt: Eine ausgewachsener weiblicher Wolf steht in seinem Gehege im Tierpark Eekholt. (Zu dpa "Mehr Wölfe in Deutschland: Bundesweit 184 Rudel nachgewiesen") Foto: Christian Charisius/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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BR24live: Bund stellt Pläne zu Umgang mit Wolf vor

BR24live: Bund stellt Pläne zu Umgang mit Wolf vor

Bundesumweltministerin Lemke präsentiert heute Vorschläge zum Umgang mit dem Wolf. Werden Abschüsse schneller möglich sein? Der Landkreis Neustadt an der Waldnaab könnte einer der ersten sein, der darüber entscheiden muss. Dazu ein BR24live.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 1 am Morgen am .

Ende September ging es los mit den Rissen in Unterfranken. Zunächst in der Nähe von Bad Kissingen. In kurzer Abfolge gab es neun weitere Fälle. Tote Schafe und Ziegen in der Rhön, außerdem verletzte und vermisste Tiere. Noch ist nicht zweifelsfrei geklärt, ob die Risse alle auf einen oder mehrere Wölfe zurückzuführen sind. Die Ergebnisse der DNA-Analyse liegen noch nicht vor. Dennoch: Landrat Thomas Habermann sowie mehrere Weidetierhalter haben Anträge auf Entnahme – also einen Abschuss – bei der Regierung von Unterfranken gestellt.

Ein weiterer Abschuss-Antrag wurde schon einige Wochen zuvor im Altmühltal gestellt. Dort ist bereits 2020 eine Wölfin aufgetaucht. Mittlerweile hat sie zusammen mit einem Rüden ein Rudel gegründet und in diesem Frühling sieben Welpen bekommen. Für Landwirt Johannes Scharl aus Eichstätt gibt es keinen Zweifel. "Der Wolfsrüde GW 2977 ist ein Problemwolf." Denn der Wolf hat mittlerweile siebenmal Nutztiere, darunter Schafe, Gehege-Wild und Ziegen im Altmühltal gerissen.

Wann ist ein Wolf ein Problemwolf?

Willi Reinbold, Wolfsbeauftragter des Landesbunds für Vogel- und Naturschutz, widerspricht. "Ein Problemwolf ist ein Tier, das Menschen gegenüber aggressiv auftritt oder mit dem Grundschutz versehene Nutztiere wiederholt reißt." Grundschutz bedeutet: Die Weidetiere wurden durch einen mindestens 90 Zentimeter hohen Zaun geschützt, der ab einer Höhe von 20 Zentimetern über dem Boden ausreichend Strom führt, mindestens 4000 Volt.

Regierung von Oberbayern entscheidet über Abschuss

Doch der Wolf GW 2977 könnte laut BBV-Kreisobmann Johannes Scharl zumindest einmal einen solchen Zaun überwunden haben. Das ist aber bis jetzt nicht zweifelsfrei geklärt. Das Landesamt für Umwelt (LfU) will derzeit nicht bestätigen, dass der Riss tatsächlich an einem wolfsabweisenden Zaun erfolgt ist. "Die Rissereignisse im Altmühltal sind Gegenstand eines aktuell vorliegenden Entnahmeantrags." Daher könne man keine Auskunft geben, so ein Sprecher des LfU. Der Antrag zur Entnahme liegt bei der Regierung von Oberbayern. Aber auch in der Rhön deutet alles darauf hin, dass ein mutmaßlicher Wolf einen wolfsabweisenden Zaun überwunden hat.

Herdenschutz in Bayern mangelhaft

Sollte das tatsächlich Fall gewesen sein, so wäre das in Bayern das absolute Novum. Denn seit 2016, seit im Freistaat zum ersten Mal Wölfe aufgetaucht sind, hat es bis jetzt noch nie einen bestätigten Riss bei Weidetieren gegeben, die wenigstens durch einen vorschriftsmäßig aufgestellten Zaun mit ausreichend Spannung geschützt waren. "Insgesamt über 200 gerissene Tiere in Bayern", resümiert Uwe Friedel vom Bund Naturschutz, der dazu gerade eine Tabelle anlegt. In der Spalte "gerissene Tiere mit Herdenschutz" hat er überall eine Null eingetragen. "Das ist fatal, denn es muss unbedingt darum gehen, möglichst wenigen Wölfen beizubringen, dass Schafe leichte Beute sind."

Wolfsrüde hat sich dort bedient, wo es leicht geht

Willi Reinbold, der Landwirte ehrenamtlich berät, erklärt, dass wolfsabweisende Zäune und auch Herdenschutzhunde im Altmühltal bereits seit November 2020 vom Staat gefördert werden. Während die Fähe, also die Wölfin, sich fast 3 Jahre lang ausschließlich von Rehen und Wildschweinen ernährte und somit bis vor Kurzem völlig unauffällig war, hat der Rüde GW 2977 mehrmals dort zugegriffen, "wo es ihm auf dem Silbertablett serviert wurde", wie Reinbold die Risse an nicht geschützten Herden nennt. Beide Wolfsexperten der Naturschutzverbände Bund Naturschutz und LBV sind aber nicht kategorisch gegen Abschüsse. Sogenannte Schadwölfe, die keine Scheu vor korrekt installierten Stromzäunen hätten und diese mehrmals überwunden hätten, müssten unbedingt geschossen werden, betonen sie.

Abschüsse sollten möglichst zeitnah passieren

Aber ist es denn möglich, solche Wölfe eindeutig zu identifizieren? "Das ist sehr schwierig." Deswegen sollten Abschüsse von Schadwölfen so zeitnah wie möglich geschehen, erklärt Uwe Friedel. "Allerdings sind Wölfe ja auch schlau, können weite Strecken an einem Tag zurücklegen und so entwischen."

Kann sichergestellt werden, dass der Schadwolf erwischt wird?

Die Wahrscheinlichkeit, den Falschen zu treffen, sei hoch, das zeigten Erfahrungen aus anderen Bundesländern. "Das ist auch einer der Gründe, warum wir sagen: Herdenschutz ist einfach notwendig, und zwar auch unabhängig davon, ob Wölfe geschossen werden oder nicht." Aber genau daran hapert es nicht nur in Bayern, sondern auch bundesweit. Die Statistik der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) zeigt: Über 70 Prozent der Risse passieren dort, wo Tierhalter keinerlei Maßnahmen zum Schutz ihrer Tiere vor dem Wolf ergriffen haben.

Was passiert, wenn der Wolfsrüde geschossen würde?

Auch im Altmühltal, so Friedel weiter, wäre den Tierhaltern nicht geholfen, sollte der Abschuss von GW 2977 genehmigt werden. Dann muss die Wölfin allein für die Ernährung ihrer Welpen sorgen. "Das schränkt den Bewegungsradius ein. Und dann fängt dieses Tier eventuell an, auch vermehrt Schafe im näheren Umfeld der Wurfhöhle zu reißen." Willi Reinbold ergänzt: "Und wenn sich herausstellt, dass beim Abschuss nicht der Rüde, sondern die Fähe getroffen wurde?" Auch er gibt zu bedenken, dass ein Abschuss das Grundproblem nicht löse. "In kürzester Zeit ist ein neuer männlicher Wolf eingewandert und wird neuer Partner der Altmühltaler Wölfin." Gäbe es weiterhin ungeschützte Schafe, würde auch er zugreifen. Und das gelte genauso für die Rhön.

Beispiel Frankreich: Wölfe schießen bringt nicht das gewünschte Ergebnis

Im Zusammenhang mit der Forderung, Wölfe zu schießen, werden immer wieder andere Länder als Beispiel angeführt, wie Schweden oder Frankreich. Dort werden seit circa fünf Jahren 19 Prozent der Wölfe geschossen, erklärt Uwe Friedel, aber: "Das hat sich in Frankreich auf die Anzahl getöteter Nutztiere nicht ausgewirkt. Die Risse sind nicht spürbar zurückgegangen, obwohl allein letztes Jahr über 160 Wölfe abgeschossen wurden."

Auch Spanien und die Slowakei haben in der Vergangenheit Wölfe geschossen, um Risse zu verhindern. "Das wurde 2021 eingestellt, weil man eingesehen hat, dass es nichts bringt", ergänzt Willi Reinbold. Nicht die absolute Zahl der Wölfe in einem Gebiet sei entscheidend für Rissereignisse, sondern ob Herdenschutz konsequent durchgeführt werde, folgern die Wolfsexperten. Wolle man mit Abschüssen Risse sicher verhindern, müsste man den Wolf in Deutschland wieder ausrotten und dann sicherstellen, dass keine Tiere aus Polen, Italien und Frankreich einwandern. "Das ist völlig unrealistisch und mit der Naturschutzgesetzgebung nicht vereinbar", so der Wolfsbeauftragte des LBV.

Passt der Wolf ins Altmühltal?

Kreisobmann Johannes Scharl aus Eichstätt räumt ein, dass der Herdenschutz in seiner Region nicht überall durchgeführt wird. Das liege auch an den engen Tälern so wie am steinigen, mageren Boden im Altmühltal. Da sei es nicht einfach, einen stabilen Zaun im Boden zu verankern. "Wir wollen den Wolf nicht ausrotten, aber er passt nicht in unsere Gegend", erklärt er. Die Region sei extrem dicht besiedelt, es gebe einen hohen Freizeitdruck rund um Eichstätt und Ingolstadt und mit dem Tourismus sei überall was los. "Da fehlt es auch an Rückzugsorten für den Wolf."

Studie: Wölfe können auch im dicht besiedelten Deutschland Rudel bilden

Wolfsbeauftragter Willi Reinbold führt eine Studie des Bundesamts für Naturschutz an. Daraus gehe hervor, Wölfe könnten im dicht besiedelten Deutschland sehr wohl Rudel bilden. "Und damit auch im Altmühltal. Die Wölfe können sich hier sehr gut von reichlich Wild ernähren." Schafe oder Gehege-Wild würden sie nicht aus Futternot angreifen, sondern weil das nach wie vor so leicht möglich sei. Um weitere tote Nutztiere zu verhindern und den Nöten der Tierhalter entgegenzukommen, gebe es nur ein Rezept: Jäger, Bauernverband und Naturschützer sollten besser zusammenarbeiten und schauen, wo Herdenschutz noch mangelhaft ist und dort aktiv werden, so der Wolfsbeauftragte des LBV Willi Reinbold.

Entschädigung für gerissene Weidetiere bald nur noch mit Herdenschutz

Risse zu verhindern, müsste für Tierhalter auch aus wirtschaftlichen Gründen bald noch wichtiger werden. Zum Ende des Jahres endet eine Übergangsfrist im Altmühltal. Danach gibt es für gerissene Weidetiere nur noch eine finanzielle Entschädigung vom Staat, wenn nachweislich Maßnahmen zu ihrem Schutz unternommen worden waren. Unabhängig davon, ob der Antrag zur Entnahme von GW 2977 bewilligt wurde.

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