Die Stadt Regensburg hat im Rahmen eines Festakts einen Park offiziell nach einer jüdischen Jugendlichen benannt, für deren Tod die Nationalsozialisten verantwortlich waren. Der ehemalige "Karl-Freitag-Park" im Süden der Stadt trägt seit Donnerstag den Namen "Charlotte-Brandis-Park".
- Zum Artikel: Das Schicksal der Regensburger Familie Brandis
NS-Regime ließ sie nicht mehr zur Schule
Charlotte kam 1924 in Regensburg zur Welt und war das älteste Kind der jüdischen Kaufmannsfamilie Brandis. Sie war Schülerin des städtischen Mädchen-Lyzeums - der Vorläufer des Von-Müller-Gymnasiums - das sich heute in direkter Nähe zum jetzt nach ihr benannten Park befindet. Noch als Mädchen musste sie erleben, wie das nationalsozialistische Regime ihr Leben einschränkte. 1936 wurde sie wegen ihrer jüdischen Herkunft von der Schule gewiesen.
Mit der Familie ins Ghetto deportiert
Das Geschäft der Eltern - ein Textilhandel und Großhandel - wurde zwangsarisiert. In der Pogromnacht vom 9. November 1938 verwüsteten die Nazis die Wohnung der Familie. Am 4. April 1942 wurde die sechsköpfige Familie gemeinsam mit einer Großmutter und anderen Regensburger Jüdinnen und Juden in das Ghetto Piaski in Polen deportiert.
Eindrückliche Briefe nach Regensburg
Aus Piaski schrieb Charlotte eindrückliche Briefe an eine Regensburger Freundin, in denen sie die Lebensbedingungen im Ghetto schilderte. Nach der Räumung des Ghettos im November 1942 wurden die verbliebenen Jüdinnen und Juden in das Vernichtungslager Sobibor in Polen gebracht und die Familienmitglieder vermutlich ermordet. Ein genaues Todesdatum von Charlotte Brandis ist nicht überliefert.
Koffer gibt Einblick in Familiengeschichte
Bekannt wurde die Geschichte der Familie auch durch BR-Recherchen über den Fund eines Koffers mit persönlichen Gegenständen und Briefen der Familie. Beim heutigen Festakt sprach auch ein Verwandter von Charlotte Brandis: Robert Salamons Großvater war bereits lange vor dem zweiten Weltkrieg nach England ausgewandert.
Brandis Wunsch "Vergesst uns nicht!" wird wahr
Salamon sagte, dass Charlotte Brandis Mutter einer früheren Mitarbeiterin vor der Deportation gesagt habe: "Vergesst uns nicht!" Der heutige Tag sei ein starkes Zeichen, dass dieser Wunsch nun wahr werde. Für Regensburgs Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD) ist die Umbenennung ein Zeichen gerade für junge Menschen. Der Ort direkt neben einer Schule sei ideal. "Das hätte eine Mitschülerin sein können, eine Schulfreundin, die dann plötzlich dieses Schicksal hat. Wie würden wir heute damit umgehen?" Die Antwort müsse sein, dass sich so etwas bei uns nie wieder wiederholen dürfe, so die Oberbürgermeisterin.
Zeit, belastete Namen aufzuarbeiten
Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Regensburg, Ilse Danziger, sagte, es sei Zeit, dass man sich darum kümmert und belastete Namen aufarbeitet. Straßen oder Einrichtungsnamen umzubenennen oder zumindest mit einordnenden Hinweisen zu versehen, sei wichtig, so Danziger.
Die Stadt hatte sich im Sommer entschieden, den Park, der bisher unter dem Namen "Karl-Freitag-Park" bekannt war, umzubenennen. Nach Angaben der Stadt war der 1866 geborene Lehrer, Schulleiter und Künstler Karl Freytag, der als Schöpfer des Kleingartengedankens in Bayern galt, ein überzeugter Nationalsozialist und Funktionär des Regimes.
Diskussionen um Namen aus der NS-Zeit
Immer wieder gibt es Diskussionen um die Umbenennung von Straßen, Plätzen und Gebäuden mit Namen von NS-Größen. So wird zum Beispiel der Kardinal-Faulhaber-Platz in Würzburg umbenannt. Grund dafür ist die Rolle Faulhabers in der NS-Zeit.
Außerdem wurde auf dem Campus Garching der TU München die Benennungen der Räume Willy Messerschmitt, Gustav Niemann, Ludwig Prandtl und Ernst Schmidt entfernt.
In Allersberg wird indes weiterhin über den Namen Wilhelm-Burkhardt-Straße diskutiert.
Im Video: Wider das Vergessen - Ein Koffer mit Geschichte
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!