Der Angeklagte sitzt mit gebeugtem Rücken auf seinem Stuhl. Die meiste Zeit richtet der 30-Jährige den Blick nach unten. Es sei ein "großer Fehler" gewesen, den er sehr bereut, lässt der Vater zweier Kinder seine Verteidiger verlesen. Am Landgericht Würzburg muss er sich wegen versuchten Mordes verantworten. Dabei wollte er im Januar dieses Jahres doch eigentlich nur einem Bekannten helfen, erklärt der Mann.
Holzbesitzer erwischt Diebe im Wald
Der Fall, den das Landgericht Würzburg verhandelt, klingt wie die Verkettung gleich mehrerer unglücklicher Entscheidungen – innerhalb weniger Sekunden. In einem Waldstück im unterfränkischen Wiesentheid wollten zwei Männer Holz von einem Lagerplatz stehlen. Ein Bekannter habe ihn darum gebeten zu helfen, sagt der Angeklagte. Denn dieser fährt einen Kombi, mit ausreichend Stauraum.
Doch die beiden Diebe fallen auf. Der Holzbesitzer entdeckt sie auf den Aufnahmen einer Wildkamera. Er macht sich auf den Weg zu dem Wald, stellt sich den Dieben in den Weg. Die versuchen mit dem Kombi zu fliehen – und fahren auf den Holzbesitzer zu. Dieser sagt im Prozess: "Ich hatte nicht mal darüber nachgedacht, dass jemand bereit ist weiterzufahren, wegen dem bisschen Holz." Es hat einen Wert von etwa 80 Euro.
Holzbesitzer fällt vom Fluchtwagen
Was in der Folge passiert, klingt wie aus dem Drehbuch eines Actionfilms. Der Holzbesitzer klammert sich am Rahmen der Motorhaube fest, dort wo die Scheibenwischer verbaut sind. Der Fahrer fährt auf dem Waldweg weiter, weicht einem geparkten Fahrzeug aus, biegt auf die nächste Straße ab und gibt Gas, so der Vorwurf.
Demnach soll der Angeklagte während der kurzen Fahrt nach links und rechts gelenkt haben – damit der Holzbesitzer von der Motorhaube fällt. Der lässt irgendwann los. Mehr als 60 Kilometer pro Stunde könnte das Fahrzeug schnell gewesen sein, sagt eine Gutachterin. Die Diebe fahren weiter.
Staatsanwaltschaft spricht von versuchtem Mord
Der Holzbesitzer hat Glück im Unglück. Er trägt vor allem Schürfwunden und Prellungen davon. Trotzdem erhebt die Staatsanwaltschaft einen schweren Vorwurf: Sie wertet die Aktion in ihrer Anklage als versuchten Mord.
Der Fahrer habe tödliche Verletzungen des Opfers in Kauf genommen. Zweck der Aktion sei es gewesen den Holzdiebstahl zu vertuschen – ein Mordmerkmal. Die Verteidiger sehen es anders. Räuberischer Diebstahl sei zum Beispiel denkbar, versuchter Mord eher nicht, so Anwalt Christian Mulzer.
Opfer: "Ich glaube, dass es ihm leidtut"
"Im Nachhinein ist mir klar, dass ich hätte anhalten müssen", sagt der Angeklagte. Er habe aus Panik gehandelt – und nicht überblickt, was bei der kurzen Fahrt hätte passieren können. "Wenn ein Auto entgegengekommen wäre, ich glaube, ich wäre nicht mehr hier", sagt der Geschädigte.
Eine Entschuldigung des Angeklagten hat das Opfer im Prozess angenommen. Im Vorfeld hatte der Angeklagte außergerichtlich Geld an den Geschädigten gezahlt. "Ich glaube, dass es ihm leidtut. Ich denke, dass es eine Kurzschlussreaktion war", sagt der Holzbesitzer. Für ihn sei die Sache damit erledigt.
Juristisch ist sie das noch nicht. Der Angeklagte sitzt seit Januar in Untersuchungshaft. Ein Urteil im Prozess soll noch diese Woche fallen. Der 32-jährige Komplize muss sich separat wegen räuberischen Diebstahls verantworten.
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