Im Prozess um die tödlichen Messerstiche vor einer Würzburger Diskothek im September 2023 ist der Angeklagte vom Landgericht Würzburg freigesprochen worden. Es gebe erhebliche und konkrete Hinweise auf eine Notwehrsituation, begründete der Richter das Urteil. Entschieden wurde nach dem Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten". Doch die Staatsanwaltschaft hat Revision gegen das Urteil eingereicht. Sie und die Nebenklage hatten zwölf Jahre Haft wegen Totschlags gefordert.
Auf die Frage wie es dazu gekommen ist, dass ein 28-Jähriger erstochen und zwei Männer teils schwer verletzt wurden, gibt es auch nach dem Verfahren keine unwiderlegbare Antwort. "Es gibt viele Geschichten, die plausibel sind", sagte Richter Thomas Schuster bei der Urteilsverkündung.
Die Geschichte vom aggressiven 23-Jährigen, der mit einem Messer in die Disko kommt, Streit sucht und einen Mann, der friedlich schlichten will, ersticht, sei vielleicht die Geschichte, die bei manchen hängen bleiben werde. Sie sei aber nicht wahr, so der Richter. Man könne nicht ignorieren, dass die zahlreichen Zeugenaussagen sich in entscheidenden Momenten widersprechen oder lückenhaft sind.
Was passierte vor dem "Studio"?
Der Richter schilderte den Sachverhalt, rekonstruiert aus Zeugenaussagen und Videos wie folgt: In den frühen Morgenstunden des 17. September 2023 kommt es vor der Würzburger Diskothek Studio zu Streitigkeiten, die sich immer weiter aufheizen. Beteiligt daran ist auch der alkoholisierte Angeklagte. Er spricht Frauen an und wird abgewiesen. Nach wechselseitigen Beleidigungen sieht sich der 23 Jahre alte Angeklagte in kürzester Zeit mehreren Personen gegenüber.
Es kommt zum Streit, wobei keine Aggression vom Angeklagten ausgeht, dieser aber geschubst wird. Ein Türsteher der Diskothek kommt dazu, der gleichzeitig der Freund einer involvierten Frau ist und schlägt dem Angeklagten mehrfach ins Gesicht, wobei ein Trommelfell reißt. Ein weiterer Türsteher will den 23-Jährigen von der Szene entfernen, was ihm aber nicht nachhaltig gelingt, er kommt zurück. Die Stimmung lädt sich weiter auf und der später getötete 28-Jährige greift ins Geschehen ein. Er will schlichten und führt den Angeklagten ein paar Meter weg. Der Angeklagte schreit mehrfach, dass er nicht angefasst werden wolle, Umstehende feuern den 28-Jährigen an, den anderen "wegzuhauen".
Kurz darauf schreit eine danebenstehende Frau auf, die sowohl den Angeklagten als auch den später Getöteten kennt. Es kommt zu einem Handgemenge aus mehreren Personen. Am Ende geht der Angeklagte mit den Worten "Was habt ihr erwartet, Digger?!", entsorgt das Messer in einem Mülleimer und begibt sich in die Rotkreuzklinik, wo er schließlich von der Polizei festgenommen wird. Der 28-Jährige erliegt seinen Verletzungen im Krankenhaus, zwei weitere Männer erleiden teils schwere Stich- und Schnittwunden.
"Weiße Flecken" in Ablauf
Bereits beim Prozessauftakt im Juni hatte der Angeklagte über seine Verteidiger eingeräumt, dass er zum Messer gegriffen habe, allerdings um sich zu verteidigen, weil er angegriffen wurde. Das konnten zahlreiche Zeuginnen und Zeugen nicht eindeutig widerlegen. Sie widersprachen sich oder hatten sich nach Ansicht des Gerichts abgesprochen.
Richter Thomas Schuster zeigte sich frustriert über "weiße Flecken" im entscheidenden Moment. Es sei möglich, dass der Getötete gewaltlos schlichten wollte, aber nicht erwiesen. Der 28-Jährige litt an einer Borderline-Erkrankung und sei polizeibekannt gewesen. Diese Vorgeschichte sei laut dem Gericht nicht bedeutungslos.
Prozess ohne Gewinner?
Ob Staatsanwaltschaft oder die Nebenkläger das Urteil anfechten werden ist noch bekannt. Christian Cazan, der Anwalt des Vaters des Getöteten, bezeichnete das Urteil als rechtlich so nicht richtig. Er prüfe jetzt, ob und in welchem Umfang rechtliche Schritte eingeleitet werden.
Während Richter Thomas Schuster am Ende des Verfahrens nur Verlierer ausmachte, sprachen Norman Jacob Jr. und Peter Mökesch, zwei der Verteidiger davon, dass die Kammer mit ihrer Entscheidung trotz der tragischen Situation Mut bewiesen habe und hier der Rechtsstaat einen Sieg davongetragen hätte.
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