Ein Kinderspielzeug im Vordergrund. Dahinter sprechen zwei Frauen miteinander.
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Anonyme Schwangerenberatung (Symbolbild)

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Vorreiterin der Schwangerschaftskonfliktberatung wird 90

Vorreiterin der Schwangerschaftskonfliktberatung wird 90

Die Ambergerin Maria Geiss-Wittmann hat vor 25 Jahren anonyme Geburten in Deutschland möglich gemacht und damit viele Leben von Frauen und Kindern geschützt. Weit über 100 Kinder sind seitdem so allein in Bayern zur Welt gekommen.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus der Oberpfalz am .

Am Sonntag (03.03.) wurde die Ambergerin Maria Geiss-Wittmann 90 Jahre alt. Sie kämpft wie eh und je für Frauen in Krisensituationen und ungeborenes Leben. Vor 25 Jahren hat sie anonyme Geburten in Deutschland möglich gemacht und damit viele Leben von Frauen und Kindern geschützt. Weit über 100 Kinder sind so seitdem allein in Bayern zur Welt gekommen. Bundesweit sind es über 1.000 Kinder.

Anonyme Entbindung schützt Mütter und Kinder

Eine junge Frau bringt in Oberfranken heimlich ein Baby zur Welt und legt es anschließend in einem Gully ab. Dieser Zeitungsbericht aus dem Jahr 1998 war für Maria Geiss-Wittmann Mitte der 90er-Jahre eine Initialzündung. "Das ist die letzte Frau, die allein gelassen wird und das letzte Kind, das so sterben muss", soll sie wütend in ihrem Büro in Amberg gesagt haben. Ein unermüdliches Engagement der damaligen Sozialpädagogin beim Sozialdienst katholischer Frauen in Amberg beginnt.

Seitdem sind weit über 100 Kinder allein in Bayern zur Welt gekommen, denen das gleiche Schicksal drohte. Sie leben, weil eine anonyme Geburt für ihre Mütter möglich war. Weil sie in einem geschützten Rahmen sicher zur Welt kommen konnten. Das schützte auch das Leben der Mütter und bewahrte sie vor Straftaten. Maria Geiss-Wittmann hat diese Formen der Entbindung auf den Weg gebracht. Gegen große Widerstände.

Seit 25 Jahren: Hilfe in Krisensituationen für Schwangere

Seit 25 Jahren gibt es in Amberg das Moses-Projekt, angesiedelt beim Verein Donum Vitae. Mütter in Krisensituationen können komplett anonym ein Kind zur Welt bringen. Es wird in Obhut genommen und zur Adoption freigegeben. Es ist eine rechtliche Grauzone und genau das will die bald 90-Jährige ändern.

Vor zehn Jahren hat Maria Geiss-Wittmann einen großen Schritt dazu bereits geschafft: In Deutschland ist 2014 das Gesetz der vertraulichen Geburt in Kraft getreten. Das bedeutet, die Mütter bleiben mindestens 16 Jahre anonym. Dann kann das Kind sein Recht des Wissens seiner Abstammung geltend machen und einen Herkunftsnachweis beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben einsehen. Diesen Herkunftsnachweis hat die Mutter vor der Geburt unterzeichnet und hinterlegt. Manchmal auch mit einem persönlichen Brief an ihr Kind oder einem Kuscheltier.

Bundesweit gab es in den vergangenen zehn Jahren 966 vertrauliche Geburten, die verschiedene Träger und Vereine begleitet haben (bayernweit: 126). In Amberg waren es 16 vertrauliche Geburten, das geht aus Zahlen von Donum Vitae in Amberg hervor.

Keine Frau darf in Krisensituationen alleingelassen werden

Doch das reicht nicht, sagen Maria Geiss-Wittmann und auch die Expertinnen von Donum Vitae in Amberg. Die komplett anonyme Geburt müsse weiterhin bestehen bleiben. Das Moses-Projekt sei ein Türöffner für Frauen in Krisensituationen. Eine Möglichkeit, das Kind doch zu bekommen, das die Frauen eigentlich nicht haben wollen. Und ein Kind, dass fast alle Frauen nach einer anonymen oder vertraulichen Geburt zur Adoption freigeben. 28 Mal war das in den vergangenen 25 Jahren allein in Amberg der Fall.

Es sei eine Möglichkeit, die schwangere Frau weiter intensiv zu beraten und zu begleiten, damit das Kind doch noch zur Welt kommt. Wenn es gut läuft, bringt die Frau ihr Kind dann in einer vertraulichen Geburt zur Welt, also gesetzlich geregelt. Doch die komplett anonyme Geburt sei eine unverzichtbare Möglichkeit, das erleben die Sozialpädagogen immer wieder in ihren Gesprächen in der Konfliktberatung von Schwangeren. Nicht jede Frau könne sich durchringen, nach 16 Jahren ihre Anonymität aufzugeben.

Widerstände gegen Geiss-Wittmanns Arbeit waren groß

Doch Maria Geiss-Wittmann will noch mehr. Wer mit ihr spricht, spürt eine unbändige Energie der jetzt 90-Jährigen für ihre Herzensthemen. Als sie zum Interview kommt, sagt sie, sie möchte nicht über Vergangenes oder Erfolge sprechen, "sondern mehr über das, was ich noch vorhabe". Die Eizellenspende gehöre in Deutschland nicht verboten, sondern gesetzlich geregelt, fordert sie. Auch dieses Ziel habe sie noch vor Augen. Dass Menschen sich ein Kind wünschten, gehöre zur Würde des Menschen, die im Grundgesetz verankert sei. Mit dem medizinischen Fortschritt müsse man auch Antworten geben, sagt die Ambergerin.

Die Widerstände gegen ihre Arbeit waren zum Teil groß: Geiss-Wittmann ist verheiratet, hat eine Tochter. 1970 war sie die erste Frau aus der Oberpfalz, die in den bayerischen Landtag eingezogen ist. Für die CSU-Politikerin, Katholikin und Sozialpädagogin beim Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) war es sehr bitter, dass die katholische Kirche in den 90er-Jahren aus der Schwangerenkonfliktberatung ausgestiegen ist. Für die ersten anonymen Geburten im Jahr 1999 musste sie erst ein Netzwerk schaffen.

Noch heute befinden sich alle Beteiligten einer anonymen Geburt im Rahmen des Moses-Projektes in einer rechtlichen Grauzone. Dennoch: Inzwischen funktioniert das Netzwerk aus Hebammen, Klinikpersonal, Ärzten, Standesbeamten und Adoptionsstellen sehr gut, wenn in Amberg im Schnitt pro Jahr zwei oder drei Kinder komplett anonym zur Welt kommen.

Maria Geiss-Wittmann Sprachrohr für Frauen und Kinder

Zum 90. Geburtstag fühle sie großen Dank, sagt Maria Geiss-Wittmann. Sie fühle sich verpflichtet, für die, die nicht reden können, ein Sprachrohr zu sein. Nämlich für Frauen in Krisensituationen und ungeborene Kinder. Es sei ein großes Geschenk zu leben. Und "solange ich reden kann für die Frauen, für die Kinder, ist es mir ganz wichtig, das zu tun". Die staatliche Schwangerenkonfliktberatung sei die Möglichkeit, dass jeder Frau, die einen Abbruch erwäge, Hilfe zuteil werde. Gleichzeitig seien die Beraterinnen Fürsprecher für die ungeborenen Kinder.

Die Stadt Amberg hat ihrer Ehrenbürgerin bereits am vergangenen Donnerstag einen Geburtstagsempfang im Rathaus bereitet. Eigentlich, sagt die heutige Donum Vitae-Leiterin in Amberg Ute Schieder, müssten wir für ein Geburtstagslied "alle Kinder zusammentrommeln, die dank Frau Geiss-Wittmann leben". Und deren Mütter, die nach wie vor in unserer Gesellschaft verachtet werden, weil sie Kinder weggegeben haben. Auch dieses Gesellschaftsbild müsse sich noch ändern, sagt Maria Geiss-Wittmann. Das Bild dieser Frauen, die eigentlich Mut beweisen würden, weil sie sich für das Leben des Kindes entschieden hätten, trotz Widrigkeiten und schwieriger Umstände. Ihr Credo bleibt nach wie vor: Keine Frau dürfe in so einer Krisensituation alleingelassen werden.

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