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Studenten beklagen eine "neurechte Diskursverschiebung" an einem Lehrstuhl der Universität Würzburg.

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Kritik an Würzburger Lehrstuhl für Geschichte: Ist er zu rechts?

Kritik an Würzburger Lehrstuhl für Geschichte: Ist er zu rechts?

Studenten der Uni Würzburg erheben schwere Vorwürfe. An einem Lehrstuhl für Geschichte erfolge eine "neurechte Diskursverschiebung". Der Inhaber des Lehrstuhls widerspricht entschieden. Was ist da los? BR und "Main-Post" haben nachgefragt.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

Es brodelt in Teilen der Universität Würzburg. Vergangenen Mittwoch tagte das sogenannte Studierendenparlament. Dort werfen Studentinnen und Studenten dem Würzburger Lehrstuhl für Neueste Geschichte eine "neurechte Diskursverschiebung" vor. In dem Antrag ist von Verbindungen "in offen rechtsextreme Kreise" die Rede. In einem einstimmigen Beschluss fordert das Studierendenparlament die Uni-Leitung dazu auf, tätig zu werden. Der Inhaber des Lehrstuhls wehrt sich. Er spricht von einer politisch motivierten Kampagne, einer "Verschwörungstheorie". Es geht um Lehre an der Uni Würzburg – und die Grenzen der Wissenschaftsfreiheit.

Vorwurf: "politische Färbungen" und "Auslassungen"

Bereits im Vorfeld der öffentlichen Sitzung hatten den BR und die Tageszeitung "Main-Post" Hinweise über mögliche "neurechte" Tendenzen an dem Lehrstuhl erreicht.

Die Uni Würzburg betont in einem eigenen Kodex (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt): "Wissenschaft ist plural und divers." Gleichzeitig heißt es: "Davon zu unterscheiden ist eine systematische Fehlinterpretation oder Selektion von Ergebnissen in der Absicht, ein vorgefasstes Resultat zu erhalten." Doch Ähnliches wirft das Studierendenparlament dem Lehrstuhl vor. Dort werde mit "politischen Färbungen" und "Auslassungen" gearbeitet.

"Neue Rechte" fordert "Kulturrevolution von rechts"

Die Studentinnen und Studenten kritisieren: Der Lehrstuhl stehe der sogenannten "Neuen Rechten" nahe. Das Bundesamt für Verfassungsschutz beschreibt die "Neue Rechte" als ein informelles Netzwerk von Gruppen, Personen und Organisationen, in dem nationalkonservative bis rechtsextreme Kräfte zusammenwirken (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt). Dieses Netzwerk beabsichtige antiliberale bis antidemokratische Positionen durchzusetzen. Gemeinsames Ziel sei eine "Kulturrevolution von rechts".

Vorwurf: Texte in Kubitschek-Blatt

Doch was bedeutet das konkret? Zum Beispiel reibt sich das Studierendenparlament an dem habilitierten Historiker und Buchautor Benjamin Hasselhorn. Er ist an dem Lehrstuhl beschäftigt. 2021 hatte die linke Tageszeitung "TAZ" einen Artikel veröffentlicht, wonach Hasselhorn unter einem Pseudonym im rechten Magazin "Sezession" veröffentlicht haben soll (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt).

Die "Sezession" wurde bis 2024 vom sogenannten "Institut für Staatspolitik" (IfS) des Verlegers Götz Kubitschek herausgegeben. Sowohl das Bundesamt für Verfassungsschutz als auch der Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt hatten das IfS als rechtsextrem eingestuft. Es wurde im vergangenen Jahr offiziell aufgelöst.

Mitarbeiter bestätigt Vorwurf

Auf Anfrage des BR und der "Main-Post" (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt) räumt Hasselhorn nun ein: Er hat vor elf Jahren tatsächlich unter einem Pseudonym Texte für das Magazin geschrieben. Die Einstufung des IfS als rechtsextrem erfolgte erst deutlich später.

Hasselhorn schreibt: "Als mir 2014 klar wurde, dass sich die Zeitschrift in eine Richtung entwickelte, in deren Umfeld ich nicht publizieren möchte, und zudem manche meiner Texte sogar noch ohne Rücksprache mit mir verschärfend redigiert wurden, habe ich jeden Kontakt zur 'Sezession' abgebrochen und dort nie wieder publiziert." Weder er noch andere Personen am Lehrstuhl für Neueste Geschichte stehen nach seinen Angaben der "Neuen Rechten" nahe. Er engagiere sich für den Erhalt der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Forderung: Lehrangebot soll ausgeweitet werden

Doch das Studierendenparlament ärgert sich auch über Vorlesungen und Seminare des Lehrstuhls. Das Gremium fordert eine "Ausweitung des Lehrangebots". Gegenüber BR und "Main-Post" bemängeln Personen, die den Lehrstuhl kennen: Zuletzt soll keine Veranstaltung für Lehramtsstudierende die Shoah als Schwerpunkt gehabt haben, also den millionenfachen Mord an Juden während des Zweiten Weltkriegs. Eine Abschrift der Veranstaltungstitel seit Sommer 2019 liegt den Redaktionen vor.

Professor Peter Hoeres, Inhaber des Lehrstuhls, wehrt sich gegen diese Darstellung. Nationalsozialismus und Holocaust werden demnach in zahlreichen Veranstaltungen behandelt. Anders als in Schulen gebe es keinen strikten Lehrplan. "Trotz meiner regelmäßigen Abfrage kamen bisher leider keine Vorschläge aus der Studentenschaft für Themen von Lehrveranstaltungen", sagt Hoeres.

Inhaber des Lehrstuhls betont politische Vielfalt

Ohnehin wirkt der Geschichtsprofessor empört. Seitens des Studierendenparlaments habe niemand das Gespräch mit ihm gesucht. Nach seiner Einschätzung arbeiten Sozialdemokraten, Liberale oder Konservative am Lehrstuhl.

Hoeres selbst hat einen katholischen Hintergrund. Er hat in verschiedenen konservativen Medien Texte veröffentlicht. Seine Positionen sind mitunter provokant. Erst vor kurzem bezeichnete er die "Bundeszentrale für politische Bildung" als "linksgrüne Vorfeldorganisation" (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt). Gleichzeitig positioniert er sich mit Nachdruck gegen Antisemitismus. Im vergangenen Sommer war er einer der Erstunterzeichner eines Schreibens, in dem sich Professoren gegen Antisemitismus an deutschen Hochschulen aussprachen. Auf Anfrage betont Hoeres: Er fühle sich dem sogenannten "Beutelsbacher Konsens" verpflichtet. Dieser besagt etwa: Indoktrination ist unvereinbar mit der Lehre in einer demokratischen Gesellschaft.

Uni will Vorwürfe untersuchen

Die Uni Würzburg antwortet auf eine Anfrage lediglich mit drei Sätzen. Die Freiheit von Forschung und Lehre sei grundgesetzlich geschützt. Die Universität achte darauf, dass Lehre "im Rahmen der Treue zur Verfassung stattfindet". Die Vorwürfe des Studierendenparlaments wolle die Uni untersuchen.

Transparenzhinweis: Einer der Autoren dieses Beitrags war nach seinem Studium zeitweise an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Uni Würzburg beschäftigt. Er hatte in dieser Zeit keinen Kontakt zu den Lehrstühlen für Geschichte.

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