Demonstration von Edekamitarbeitern und Verdi.
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Streikkundgebung vor dem Edeka-Zentrallager in Schwabach.

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Warnstreik statt Weihnachtsfriede im Großhandel

"Weihnachten steht vor der Tür – wir auch" – so sind Beschäftigte im Groß- und Einzelhandel erneut in den Warnstreik getreten, diesmal bis ins neue Jahr. Viele Waren könnten zu den Feiertagen fehlen. Die Streikenden hoffen auf Verständnis.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Der Tarifstreit dauert für die Branche ungewöhnlich lange an: Schon seit etwas mehr als einem halben Jahr gibt es Streikaktionen in den Großlagern von Edeka, Rewe, Kaufland und anderen Einzelhandelsfilialisten. Aus diesem Grund fehlen in vielen Supermärkten wegen Lieferengpässen immer wieder Produkte.

Ausstand bis ins Neue Jahr

Auf einen guten Lohnabschluss hoffen ganz besonders auch die Mitarbeitenden der Edeka-Großlager in Schwabach und Sachsen bei Ansbach, die in ein bis zwei Jahren aufgelöst werden sollen – spätestens aber 2026, wenn der Lagerneubau in Marktredwitz abgeschlossen ist. Gerade kurz vor Weihnachten herrscht hier normalerweise Hochbetrieb, um die Supermarkt-Regale für die Festtagseinkäufe auszustatten. Stattdessen sind mehr als 50 Beschäftigte am Wochenende auf die Straße gegangen: Mit Plakaten und Trillerpfeifen und mit viel Wut und Entschlossenheit im Bauch. Vielen bringe der Ausstand die ersten freien Feiertage seit Jahren, schildert Andreas Rotärmel, Betriebsratsvorsitzender in Schwabach. Andere nutzten die Zeit, um sich beruflich neu zu orientieren.

Hohe Steikbereitschaft in "Schließbetrieben"

Denn das Zentrallager in Sachsen bei Ansbach ist wie das Edeka-Lager in Schwabach ein sogenannter Schließbetrieb. Eine Zukunft für die Beschäftigten gibt es dort nicht. Wer kann, habe die Option, in eines der neuen Zentrallager in Oberfranken zu wechseln, heißt es von Edeka. Trotzdem – oder gerade deshalb – ist die Streikbereitschaft groß, schildert Andreas Rotärmel: Viele der Waren, die in den Lagern tagtäglich umgeschlagen werden, könnten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst schon gar nicht mehr leisten. Alles sei teurer geworden, von der Kita übers Heizöl und Lebensmittel. Oftmals sei schon der Sprit, um auf die Arbeit zu kommen, ein Problem. Auch wenn hier niemand mehr auf einen Erhalt der Standorte in Schwabach und Sachsen bei Ansbach hofft: Ein guter Tarifabschluss sei umso wichtiger für etwaige Abfindungen.

Verdi rechnet mit Lieferengpässen

Schon seit einem guten halben Jahr wird verhandelt und immer wieder gestreikt. Nun soll der Ausstand drei Wochen dauern, bis ins neue Jahr hinein. In den Supermarktregalen dürfte das sichtbar werden, ist die Verdi-Beauftragte für Mittelfranken, Rita Wittmann, überzeugt. Selbst wenn die Arbeitgeber ihren Worten zufolge versucht haben, die Folgen abzumildern: Kurzfristig eingestellte Arbeiterinnen und Arbeiter seien nicht ausreichend qualifiziert, schafften nur die Hälfte der Arbeit. Wittmann rechnet unter anderem mit ausbleibenden oder falschen Lieferungen an die Läden.

Festgefahrene Verhandlungen

Die Arbeitgeberseite bezeichnet die Verhandlungen als festgefahren. Frank Hurtmanns, der Verhandlungsführer des "Landesverband Bayern Großhandel Außenhandel Dienstleistungen" (LGAD), sieht zwar keinen drohenden Komplett-Abriss der Lieferketten zu den Supermarkt-Filialen – betont aber die Auswirkungen auf die einzelnen Unternehmen. Die bereits hohe Zahl der Streiktage insgesamt habe Konsequenzen für die einzelnen Unternehmen. Dauerstreik stehe mit Warnstreik nicht im Einklang. Der LGAD-Verhandlungsführer betont, die Unternehmen nähmen die Reallohn-Verluste für die Beschäftigten sehr ernst. Die Streikenden müssten aber auch sehen, was für die einzelnen Unternehmen tragbar sei: Der Verbandsempfehlung über ein Plus von 5,1 Prozent angesichts der ausstehenden Tarifeinigung sei die überwiegende Zahl der Unternehmen seit Oktober gefolgt.

Laufzeit und andere Knackpunkte

Die Forderungen der Gewerkschaft seien angesichts der wirtschaftlich eingetrübten Lage für die überwiegende Zahl der Unternehmen nicht tragfähig. Zudem habe sich die Inflation abgeschwächt, so dass die Verdi-Forderungen überholt seien. Beide Tarifparteien müssten einen deutlichen Schritt aufeinander zugehen. Verdi fordert ein Lohnplus von 13 Prozent für alle Beschäftigten, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die Arbeitsgeberseite sei zu Einkommensverbesserungen von zehn bis 10,5 Prozent bereit, bei einer Laufzeit von 24 Monaten, außerdem zu einer Inflationsausgleichsprämie, so Hurtmanns. Verdi dagegen berichtet, viele Beschäftigte hätten das Gefühl, ihr Arbeitgeber wolle sie am langen Arm verhungern lassen.

Streikende setzen auf Verständnis der Kundschaft

Die Streikenden selbst hoffen auf Verständnis aus der Bevölkerung. "Mir tun auch die Verkäuferinnen leid, die es sehr wahrscheinlich abkriegen, wenn der Kunde seine Produkte nicht bekommt. Aber was haben wir für eine Wahl?", sagt der Betriebsratsvorsitzende im Zentrallager Sachsen bei Ansbach, Christian Schneider. Ein Tarifabschluss wäre wohl das schönste Weihnachtsgeschenk – für alle Beteiligten. Und ein guter Vorsatz fürs neue Jahr.

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