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Symbolbild zum Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz

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Warum das bayerische Psychiatriegesetz in der Kritik steht

Warum das bayerische Psychiatriegesetz in der Kritik steht

Die Zahl der Unterbringungen verringern und psychisch kranken Menschen helfen – laut Staatsregierung die Idee hinter dem bayerischen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz. Mit dem Entwurf sind Verbände und Opposition aber alles andere als glücklich.

Martina Heland-Graef ist empört. Die Betroffenenvertreterin vom Landesverband der Psychiatrieerfahrenenen findet für den aktuellen Gesetzesentwurf nur derbe Worte: "Das, was man vorne gut gemacht hat, das hat man hinten mit dem Arsch wieder eingerissen." Gemeint sind die beiden Teile des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes, kurz PsychKHG. Teil eins, der Hilfeteil, erntet durchweg Lob.

Lob für den geplanten Ausbau des Krisendienstes

In diesem Hilfeteil des Gesetzes ist vorgesehen, den Krisendienst Psychiatrie auf ganz Bayern auszuweiten und rund um die Uhr zu besetzen – als Möglichkeit der Prävention, um früh auf seelische Krisen zu reagieren und einer Eskalation vorzubeugen. Dazu nimmt der Freistaat insgesamt 8,7 Millionen Euro in die Hand. Diese telefonische Hotline gibt es bislang nur in Oberbayern und Mittelfranken. Melden kann sich dort jeder, der in einer seelischen Krise ist.

Kerstin Schultes hat die 0180-6553000 schon mehrfach gewählt. "Ich habe immer wieder starke Ängste und sehr depressive Phasen. Dann bin ich oft sehr durcheinander und es fällt mir schwer, mich zu sortieren. Die Wirklichkeit nehme ich viel bedrohlicher wahr als sie ist – dafür finde ich schwer Worte." Da sei es gut, dass am anderen Ende der Leitung Fachleute wie der Psychologe Stefan Sponner sitzen, die schnelle Hilfe bieten können: sei es dadurch, dass sie zuhören und beruhigen, zu einem Fachdienst oder zu einem Facharzt vermitteln oder indem sie das sogenannte aufsuchende Team zu einem Hausbesuch losschicken.

Bayern hat bundesweit die höchsten Unterbringungszahlen

Erklärtes Ziel ist dabei immer, Unterbringungen – wie Zwangseinweisungen in die Psychiatrie im Fachjargon heißen – soweit möglich zu vermeiden. Denn Bayern hat mit Abstand die höchsten Unterbringungszahlen in ganz Deutschland.

Zum Vergleich: Im Jahr 2015 landeten im Freistaat etwa 60.000 Menschen gegen ihren Willen in einer Psychiatrie – auf Platz zwei folgt Nordrhein-Westfalen mit knapp 48.000 Unterbringungen. NRW hat allerdings auch fast eineinhalb Mal so viele Einwohner wie Bayern.

Diese hohen Zahlen sind mit ein Grund, warum der Entwurf für ein neues Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz am Mittwoch dem Landtag zur ersten Lesung vorgelegt wird. Es soll das alte Unterbringungsgesetz von 1992 ablösen und damit den Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention und denen des Bundesverfassungsgerichts zur Selbstbestimmungsfähigkeit von psychisch kranken Menschen entgegenkommen und somit zur Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen beitragen.

Fachleute sehen den Entwurf "in höchstem Maße diskriminierend"

Fachleute fürchten allerdings, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Namhafte Klinikleiter und Psychiater aus ganz Deutschland halten die Regelungen in Teil zwei, die Regelungen der Unterbringung, für "in höchstem Maße diskriminierend". Der Gesetzesentwurf könne deshalb nur "in Gesamtheit" abgelehnt werden, heißt es in einer Stellungnahme mehrerer Fachorganisationen zusammen mit der Bundesdirektorenkonferenz.

Kritisiert wird zum Einen die Nähe zum Maßregelvollzugsgesetz. Dieses regelt die Unterbringung von Straftätern aufgrund einer psychiatrischen Diagnose in einer forensischen Psychiatrie. Vom geplanten PsychKHG aber sind Menschen betroffen, die präventiv untergebracht werden – weil sie für sich selbst oder andere zur Gefahr werden können: also Menschen, die drohen, sich das Leben zu nehmen oder in der Schwangerschaft mit 2,8 Promille aufgegriffen werden. Nicht nur eine Messerattacke, sondern auch das gilt als Fremdgefährdung. Straffällig geworden sind diese Menschen nicht. 

Der derzeitige Gesetzesentwurf aber verweist trotzdem auf das Maßregelvollzugsgesetz und übernimmt einzelne Regelungen: So sollen Besuche bei befürchteter Gefährdung mit der Videokamera überwacht werden können. Angehörigenvertreter wie Karl-Heinz Möhrmann vom Landesverband der Angehörigen Psychiatrieerfahrerener sehen darin einen tiefen Eingriff in die Privatsphäre.

Auf die geplante Unterbringungsdatei hat auch die Polizei Zugriff

Breite Ablehnung erfährt auch die geplante Unterbringungsdatei, in der persönliche Daten der Patienten vom Namen bis hin zur Diagnose gespeichert werden und für öffentliche Behörden - darunter auch die Polizei - zugänglich sind. Die Oppositionspolitikerin und SPD-Gesundheitsexpertin Kathrin Sonnenholzer sieht dadurch die gesamte Psychiatrie in Verruf: "Das schürt die Angst vor der Psychiatrie, und die schürt sie zurecht, weil das einer der Punkte ist, die zu mehr Stigmatisierung führen." Sonnenholzer spricht von einer "Katastrophe für die psychisch Kranken". Sie werde alles daran setzen, um das Gesetz in seiner jetzigen Form zu verhindern.

Der Angehörigenvertreter Möhrmann fürchtet, dass derartige Daten eher dazu führen, dass Menschen beim wiederholten Mal noch schneller gegen ihren Willen in der Psychiatrie landen. Außerdem fragt er sich: "Warum soll irgendjemand in irgendeinem Polizeiregister erfasst werden, der vorübergehend in einer psychiatrischen Klinik war und gar nichts angestellt hat?" Darüber hinaus sieht der jetzige Gesetzesentwurf vor, dass die zuständige Polizeidienststelle informiert wird, wenn der untergebrachte Mensch aus der Psychiatrie entlassen wird.

Ein Gesetz zur Gefahrenabwehr?

Für die Kritiker steht fest: Der Hilfeteil kommt im vorliegenden Entwurf viel zu kurz. Es handelt sich hier nicht um ein Gesetz, das vorrangig Menschen helfen will, sondern das der Gefahrenabwehr dient.

Beteiligt am Gesetzesentwurf waren mehrere Ministerien. Die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen oder in psychischen Krisen sei ein wichtiges Anliegen, sagte Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml nach der Vorstellung des Entwurfs im Kabinett. Zentraler Bestandteil des Gesetzes sei deshalb der flächendeckende Ausbau des Krisendienstes. Bei Fragen zum Unterbringungsteil verweist Huml auf das Sozialministerium.

Bayerns Sozialministerin Kerstin Schreyer betont: "Menschen mit psychischen Problemen brauchen neben einer guten medizinischen Versorgung auch Rechtssicherheit und Transparenz. Das neue Gesetz bietet genau das: Wir schützen die Betroffenen durch die Einführung eines Richtervorbehalts und sichern die Qualität durch unabhängige Stellen. An diese können sich die Betroffenen mit ihren Fragen wenden. Mit einer eigenen Fachaufsicht steht zudem auch eine weitere Beschwerdemöglichkeit bereit. Davon profitieren alle: Die Betroffenen, ihre Angehörigen und die Beschäftigten in den Unterbringungseinrichtungen." 

Schreyers Vorgängerin im Amt, Emilia Müller, hatte im Januar betont: Die Unterbringungsdatei werde in jedem Fall kommen. Denn sie sei sehr wichtig für die "effektive Zusammenarbeit der beteiligten Stellen" und zum "Schutz der Bevölkerung". (Autorin: Veronika Wawatschek)