Im oberbayerischen Dollnstein läuft derzeit ein Projekt, das in der aktuellen Energiekrise Erwartungen weckt. Wissenschaftler der Technischen Universität München gehen hier der Frage nach, ob und mit welchem Aufwand sich in Bayern dezentral vor Ort grüner Wasserstoff aus Biogas herstellen lässt.
Neben einer Biogasanlage mit einer großen, grünen Kuppel steht zu diesem Zweck ein winzig anmutender Forschungscontainer. Doch der Blechkasten mit den Ausmaßen eines Schiffscontainers weckt große Hoffnungen bei Wissenschaftlern, jungen Gründern sowie beim traditionellen Gasversorger Bayerngas. Der Container steckt voller neuer Technik und wird betrieben von den Wissenschaftlern der TU München.
Ziel der Forscher - dezentrale Wasserstoffgewinnung in Bayern
Bei dem Pilotprojekt in Dollnstein wird erstmals direkt an einer Biogasanlage Wasserstoff gewonnen. Eine solche Anlage sei für die Wasserstoffgewinnung ideal, so die Forscher, denn hier gebe es alles, was man braucht: Strom, Wasser, Biogas. Das Pilotprojekt läuft noch einige Wochen, doch schon jetzt sind alle Projektpartner sicher: Die Technik im Container funktioniert.
Die in Dollnstein angewandte Art der Wasserstoffgewinnung unterscheidet sich in mehreren Punkten von traditionellen Herstellungsmethoden. Zum einen wird hier für die Gewinnung von Wasserstoff nicht fossiles Erdgas verwendet, sondern Biogas und zwar genau so, wie es aus der Biogasanlage kommt. Zweitens wird für die Herstellung des Wasserstoffs rund 40 Prozent weniger Energie aufgewendet. Besonders ist auch, dass bei dem Pilot-Verfahren Biogas mit elektrisch erzeugter Wärme in Wasserstoff umgewandelt wird.
Wasserstoffproduktion aus Biogas
Dafür erhitzen elektrische Heizdrähte Biogas und Wasser auf etwa 900 Grad Celsius. Dadurch werden das Biogas (CH4 + CO2) und das Wasser (H2O) gespalten. In der Folge entsteht wasserstoffhaltiges Gas, das durch standardisierte Verfahren zu reinem Wasserstoff aufbereitet werden kann. Zusätzlich entsteht bei dieser Art der Wasserstofferzeugung nutzbare Wärme. Diese Herstellungsmethode ist CO2-neutral. Der Strom für den gesamten Prozess kommt aus der Biogasanlage, die gleich neben dem Forschungscontainer steht.
Das neue Herstellungsverfahren für Wasserstoff stammt von einem Startup. Sypox GmbH wurde vor einem Jahr von mehreren, ehemaligen Studenten der TU München gegründet. Das junge Unternehmen ist an dem Dollnsteiner Pilotprojekt beteiligt, wie eben auch Forscher der TU München, der Biogasbetreiber Josef Kerner sowie der Energieversorger Bayerngas GmbH. Das Pilotprojekt wird von der Europäischen Union gefördert.
In zwei Jahren vom Pilotprojekt zur großen Anlage
Noch produziert die Pilotanlage in Dollnstein nur zwei Kilogramm Wasserstoff am Tag. Damit kann ein Auto mit Wasserstoffantrieb rund 200 Kilometer weit fahren. Doch spätestens in zwei Jahren soll in Dollnstein eine Anlage stehen, die hundertmal größer ist. Damit rechnen alle Projektpartner. Der Dollnsteiner Josef Kerner möchte dann gerne eine Wasserstofftankstelle neben seiner Biogasanlage errichten. "Bis zu 25 Lastwagen könnten dann bei mir tanken und jeweils rund 150.000 Kilometer mit Wasserstoff fahren."
Das junge Unternehmen Sypox will diese Anlage bauen - am liebsten in Serie. Denn allein in Bayern gibt es rund 2.500 Biogasanlagen. Darauf verweist Adrian Riendl, der für Bayerngas das Wasserstoff-Projekt begleitet. Der traditionelle Gasversorger setzt auf Wasserstoff: "Wir aus der Erdgasbranche wissen, dass Erdgas ein Ablaufdatum hat und nicht der Energieträger der Zukunft ist", erklärt Adrian Riendl, Projektleiter bei Bayerngas. "Wir sind mittlerweile glücklich, dass das ganze Thema Energiewende in der Gasbranche angekommen ist. Wir als Bayerngas sind Gase- Spezialist und verkaufen sehr gerne CO2-neutrale Gase", so Riendl.
Bayerngas ist bereits mit über 20 weiteren Biogasanlagen-Betreibern im Gespräch. Auch sie interessieren sich für die neue Technik zur Wasserstoffgewinnung aus Biogas. "Wir wünschen uns, dass 200 oder mehr Biogasanlagen in Bayern bei der Wasserstoffproduktion mitmachen", so Projektleiter Adrian Riendl. Alle Beteiligten betonen, dass das Verfahren ungefährlich ist und weder Lärm noch Geruchsbelästigungen verursacht und auch keine Spuren in der Landschaft hinterlässt.
Pläne für Wasserstoff-Tankstelle in Dollnstein in der Tasche
Die Biogasanlage von Josef Kerner in Dollnstein hat im Bayernvergleich eine durchschnittliche Größe. Sie hat eine installierte Leistung von 760 Kilowatt in der Stunde. Sie produziert im Jahr rund sechs Millionen Kilowattstunden Strom. Dieser Strom reicht ungefähr für 2.000 Haushalte. Durch die Abwärme seiner beiden Blockkraftheizwerke kann Josef Kerner gut 400 Haushalte mit Wärme versorgen.
Die Rohstoffe für die Biogasanlage stammen von Feldern und Ausgleichsflächen rund um Dollnstein. Zu rund 70 Prozent handelt es sich um Grasschnitt. Etwa 20 Prozent sind Mais und der Rest Stroh. Josef Kerner ist selbst auch Biobauer und will "in Kreisläufen denken", wie er sagt. Deshalb gefällt ihm das Wasserstoff-Pilotprojekt der TU.
- Zum Artikel: Öko-Wundergas: Mit Wasserstoff aus dem fossilen Zeitalter?
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.