Die 22-jährige Studentin Helena aus München bezeichnet die "Correctiv"-Recherche als einen "Weckruf". Die Recherche sei ein Signal für sie gewesen, sich politisch zu engagieren. "Es war auf jeden Fall ein Auslöser, mich endlich aktiver zu beteiligen, weil mich das so schockiert hat", erzählt Helena. Die Recherche sei plötzlich überall auf Social Media gewesen. Als Helena den Text gelesen hat, habe sie Gänsehaut bekommen. "Klar, irgendwie ist es mir schon bewusst gewesen, dass es viele Menschen in dem Land gibt, die so denken. Aber dass es so konkret ausgestaltet wird und dass es so ein Netzwerk gibt und die so gut organisiert sind - das fand ich total erschreckend."
München ist bunt: Dreimal so viele Anfragen wie sonst
Helena spricht von Sorge, Angst und Wut. Die sie motiviert, mehr zu machen. Sie meldet sich zum ersten Mal bei Fridays for Future, weil sie sich langfristig für Klimaschutz einsetzten möchte und die Organisation die große Münchner Demonstration gegen rechts am Sonntag initiiert. Und sie ist nicht die einzige, die sich jetzt neu an politische Organisationen wendet. Der Verein "München ist bunt" etwa spricht in der Woche nach der "Correctiv"-Veröffentlichung von dreimal so vielen Anfragen wie sonst. "Weil ganz viele Menschen sagen jetzt: ich muss was tun, ich kann das nicht unwidersprochen lassen", erklärt Micky Wenngatz, die Vorsitzende des Vereins ist.
"Sorge vor einem 4. Reich"
Das Interesse zeigt sich auch auf einer Diskussionsveranstaltung am Donnerstag im Münchner Hasenbergl. Der Verein "youmocracy" hat zum Thema "Rechtsruck und politische Strategien: wie sollen demokratische Parteien reagieren?" eingeladen. An diesem Abend sind fast alle vorhandenen Stühle besetzt. Ein Drittel der Anwesenden - die meisten unter 30 Jahre alt - hebt die Hand, als die Moderatorin fragt, wer zum ersten Mal bei einer politischen Veranstaltung ist. Zum Beispiel Valentina, die gerade ihren Bundesfreiwilligendienst macht. "Ich wäre selbst auf der Abschussliste der AfD", meint sie. Die AfD sei ja gegen Minderheiten, gegen queere Menschen, gegen Leute mit einer Migrationsgeschichte. Der Schüler Adrian ist aus Sorge da, "dass - wenn es weiter so geht- es zu einem 4. Reich kommen könnte." Die Jugendlichen diskutieren vor allem über ein AfD-Verbot.
"Omas gegen rechts": "Nie wieder ist jetzt"
Doch nicht nur für jüngere Menschen war die "Correctiv"-Recherche Auslöser für politisches Engagement. Auch für die 61-jährige Münchnerin Sibylle Dietzel war es der "Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat", wie sie sagt. "Ich bin ja in der Zeit aufgewachsen, in der wir jungen Menschen vollkommen davon überzeugt waren, dass so etwas nie wieder passieren kann." Doch diese Gewissheit habe sie nicht mehr. Sibylle Dietzel hat sich, wie einige andere Frauen, neu bei den "Omas gegen rechts" gemeldet. Eine Initiative, die beispielsweise zu Anti-AfD-Demonstrationen einlädt. Ihr Motto lautet: "Nie wieder ist jetzt."
Demonstration am Sonntag: Wegen Überfüllung abgebrochen
Am Sonntag sind in München mehr als 100.000 Menschen zur Demonstration gekommen. Sibylle Dietzel kommt gar nicht mehr dort an, so überfüllt sind die Straßen um das Münchner Siegestor. Die Demo wird aufgrund von Sicherheitsbedenken nach etwa einer Stunde abgebrochen. Die meisten hier wollen vor allem verhindern, dass die AfD noch mehr Zuspruch bekommt. Die Partei steht mit knapp 15 Prozent im aktuellen Bayerntrend auf Platz zwei. Und in Sachsen und Thüringen, wo die nächsten Landtagswahlen anstehen, wäre die AfD laut neuester Umfragen stärkste Kraft in den Landtagen – mit jeweils gut einem Drittel aller Stimmen.
Im Video: Protestforscher über die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus
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