Die Welt gerät aus den Fugen, wenn ein geliebter Mensch stirbt. So erging es auch Annabella Pfeil und ihren Eltern. Die Trauergruppe im Nürnberger Lacrima-Zentrum hat der 14-Jährigen geholfen, den Schmerz zu verarbeiten. Aber es war ein langer und schmerzhafter Weg.
Vor zwei Jahren ist ihre kleine Schwester Raphaela an einem Hirntumor gestorben. Sie war damals acht Jahre alt. Die Diagnose kam völlig überraschend. Ihre ältere Schwester Annabella denkt viel und oft an daran. "Sie ist immer ein bisschen wilder und verrückter als ich gewesen." Während der Krankheit haben sie viel Zeit zusammen verbracht. Auch die Eltern, Anita und Marcus Pfeil, trauern um Raphaela. Sie tun das auf ihre eigene Weise, erzählt Papa Marcus Pfeil. "Die Trauer kommt wellenartig. Ich glaube, dass es allen momentan ganz gut miteinander geht. Wenn die Trauerwelle aber kommt, dann kann es auch mal anders ausschauen. Dann müssen wir da durch, dann überkommt es uns eben."
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Reden tut gut
Der 14-jährigen Annabella fehlt ihre kleine Schwester. Am Esstisch beim Frühstück sitzt die Familie jetzt nur noch zu dritt. In Gedanken sind sie alle bei Raphaela. Im Haus verteilt hängen Bilder von der Achtjährigen. Die Familie war unzertrennlich, dann kam der Tag der Diagnose: "Ein Hirntumor, unheilbar", so die Ärzte. Nur noch sechs Monate blieben Raphaela.
Mama Anita Pfeil weiß noch genau, wie es damals war. "An diesem Wochenende, es war damals ein Freitag, da habe ich nur noch geheult. Und dann hat sie irgendwann nach zwei Tagen gesagt: 'Mama heul doch nicht die ganze Zeit, ich bin ja noch da.' Und durch ihre Stärke sind wir so stark geworden."
In der Familie sprechen sie jeden Tag von Raphaela. Auch ihre Schwester Annabella hat so das Gefühl, Raphaela ist irgendwie immer noch da. "Mir tut es gut, über sie zu reden und über diese Zeit. Das hilft mir ganz gut, die Trauer zu verarbeiten." Aber das ist nicht immer so gewesen. Lange hat sie sich davor gescheut, in der Öffentlichkeit von ihrem Schicksal zu erzählen.
Lacrima – Zentrum für trauernde Kinder in Nürnberg
Raphaela, der Wirbelwind der Familie, ist einfach nicht mehr da. Nach ihrem Tod haben sich ihre Eltern professionelle Hilfe gesucht. Die heute 14-jährige Annabella wollte erstmal nichts davon wissen, zu groß war ihr Schmerz. "Ich wollte schon darüber reden, aber ich wusste nicht, ob ich das mit fremden Leuten tun will. Ich habe immer nur mit meinen Freunden oder mit Mama und Papa darüber gesprochen."
Durch Zufall hat die Familie vom Lacrima-Trauerzentrum in Nürnberg-Langwasser erfahren. Die Johanniter bieten hier eine kostenlose Trauerbegleitung speziell für Kinder und Jugendliche an.
Gespräche in der Trauergruppe sind vertraulich
Annabella hat sich schließlich durchgerungen, es auszuprobieren. Katja Schatz leitet die Gruppensitzungen, an denen dei 14-Jährige und einige andere Jugendliche teilnehmen. "Es gibt Kinder und Jugendliche, die sagen in den ersten drei Stunden überhaupt keinen Ton und machen nichts mit. Langsam tauen die dann auf und merken, hier kann mir nichts passieren", sagt Katja Schatz.
Annabella hat schließlich vom Tod ihrer Schwester erzählt. Beim ersten Mal musste sie weinen, aber irgendwie tat ihr das auch gut. "Weil mir einfach eine Last vom Herzen gefallen ist. Ich konnte endlich mal zu anderen sagen, was mir passiert ist, die das gleiche Gefühl haben wie ich." Annabella kann hier reden, muss aber nicht. Die Jugendliche ist stärker geworden. Mit dem Tod ihrer kleinen Schwester geht sie inzwischen offen um.
Raphaela, ihre kleine Schwester ist für sie immer da. So geht es auch ihren Eltern. In Gedanken teilen sie mit Raphaela jeden Moment, auch die Trauer. Die Familie möchte mit ihrer Geschichte anderen Mut machen, sich Hilfe zu holen. Sie sind überzeugt, ohne Hilfe von außen sei die Trauerbewältigung kaum zu schaffen.
Kinder benötigen besondere Unterstützung
Kinder unterdrücken oft ihre Gefühle, um niemandem zur Last zu fallen. Sie brauchen in dieser Zeit besondere Hilfe. Das Lacrima Trauerzentrum der Johanniter in Nürnberg steht ihnen zur Seite. Das Team versucht Betroffenen zu helfen, mit dem Tabuthema umzugehen. Es geht darum, sich aktiv mit seiner Trauer auseinander zu setzen.
33 Ehrenamtliche sind hier aktiv, organisieren Kinder- und Jugendgruppen. Ursula Gubo leitet das Zentrum. "Man kann beobachten, wie die Kinder sprachfähiger werden, mutiger, sich zu ihren Gefühlen äußern und das Erlebte verarbeiten."
Die Ehrenamtlichen durchlaufen eine Schulung im Bereich Trauerbegleitung für Kinder und Jugendliche. Das Projekt gibt es in Mittelfranken bereits seit 2012.
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