Die Frage, ob die AfD eher aus Protest oder wegen ihres politischen Angebots gewählt wird, treibt die Wahlforscher schon seit Längerem um. Die Analyse der bayerischen Landtagswahl zeigt: Die Waage neigt sich zu den Bürgern, die die Partei wegen ihrer Inhalte wählen. Dafür sprechen mehrere Gründe.
"Zuwanderung" durch Zuwanderung
"Welches Thema spielt für die Wahlentscheidung die größte Rolle?" Auf diese Frage der Wahlforscher von Infratest dimap nannten 55 Prozent der AfD-Anhänger die Zuwanderung.
18 Prozent der Wahlberechtigten trauen der Partei am ehesten zu, die Aufgaben in dem Bereich zu lösen. Auf höhere Kompetenzwerte kommt in Bayern nur die CSU mit 28 Prozent.
Die AfD profitierte dabei von der allgemeinen Sensibilisierung der Bürger. Der BR24 BayernTrend vom September 2023 ermittelte die Migration als wichtigstes Problem der Bürger im Freistaat.
Die AfD punktet auch bei der Inneren Sicherheit: Hier denken 16 Prozent der Wähler, die AfD könnte die Probleme lösen. Besser schneidet auch hier nur die CSU mit 49 Prozent ab.
Rechtsruck bei der Wählerwanderung
Ein Blick in die Wählerwanderung zeigt, dass die AfD von allen Parteien hinzugewonnen hat, am meisten von der CSU mit im Saldo 80.000 Wechselwählern. Die 30.000 Stimmen von den Freien Wählern sind ein Unikum: für die Aiwanger-Partei der einzige Verlustposten. Die Freien Wähler geben nur an die AfD ab, während sie von den anderen Parteien hinzugewinnen. Dies ist ein Indiz für einen Rechtsruck in den Wahlentscheidungen.
Das andere Indiz zeigt die Wanderungsbilanz der CSU. Die Christsozialen geben neben den 80.000 Stimmen an die AfD unter dem Strich weitere 140.000 an die Freien Wähler ab. AfD und Freie Wähler gelten offensichtlich als die "konservative" Option für alle, denen die CSU zu "links" geworden ist.
Die Söder-Partei blieb bei der Wahl nur deshalb auf dem Niveau von 2018, weil ihr Wählerpool "von links" aufgefüllt wurde. 230.000 Stimmen kamen von den ehemaligen Wählern der Ampelparteien zur CSU. Immerhin 80.000 der Grünen-, SPD und FDP-Wähler gingen jedoch zur AfD. Das relativiert Theorien, die AfD würde nur aus rechten Überzeugungen gewählt. Hier dürfte Protest gegen die Ampel-Politik eine gewichtige Rolle spielen.
Protest oder Überzeugung?
Insgesamt 46 Prozent der AfD Anhänger geben an, die Partei aus Enttäuschung über die anderen Parteien – also aus Protest – zu wählen. Doch diese Zahl ist stark rückläufig. Bei der Landtagswahl 2018 waren es noch zehn Prozentpunkte mehr. Im Gegenzug steigt die Zahl derer, die die AfD aus Überzeugung wählen. Plus neun Prozentpunkte waren es diesmal im Vergleich zu 2018, macht am Ende 47 Prozent der AfD-Anhänger, die die Partei wählen, eben genau weil sie die AfD ist und nicht aus Protest gegen andere.
Hier macht sich ein gestiegenes Sachvertrauen in die AfD bemerkbar, weswegen auch 85 Prozent der AfD-Wählerinnen und -Wähler sagen: "Es ist mir egal, dass die AfD in Teilen als rechtsextrem gilt, solange sie die richtigen Themen anspricht."
AfD gewinnt in allen Altersgruppen hinzu
Die AfD ist keine Ü60-Partei. Bei den älteren Wählern schnitt sie unterdurchschnittlich ab – in allen anderen Altersgruppen erzielte sie ein besseres Ergebnis als die bayernweiten 14,6 Prozent. Am besten schnitt sie bei den 35- bis 40-Jährigen (19 Prozent), den 25- bis 34-Jährigen (18 Prozent) und den 18- bis 24-Jährigen (16 Prozent) ab. In dieser jüngsten Altersgruppe legte die AfD im Vergleich zu 2018 mit am deutlichen zu (+9 Punkte). Am geringsten ist der Zuwachs mit +2 Punkten bei den Wählern ab 60 Jahren.
Arbeiterpartei AfD
Bezieht man die Statistiken zur Berufstätigkeit und zur Wahrnehmung der persönlichen wirtschaftlichen Situation ein, kann man die AfD eine als "Partei junger Menschen, die im Arbeitsleben stehen" bezeichnen. In dieser Bevölkerungsgruppe sind ökonomische Sorgen am größten; nur noch 18 Prozent blicken positiv in die Zukunft.
Die Bayern-Wahl bestätigt den Trend: Die AfD ist die neue Arbeiterpartei. In dieser Berufsgruppe baut die AfD ihren Stimmanteil im Vergleich zu 2018 um 9 Punkte auf 31 Prozent aus. Gleichzeitig ist sie die Partei, deren Anhänger die persönliche wirtschaftliche Situation mehr als alle anderen Parteien als schlecht beurteilen (32 Prozent).
Keine Großstadt-Partei
Am besten schnitt die AfD in den Stimmkreisen Günzburg (23,0 Prozent der Gesamtstimmen), Regen, Freyung-Grafenau (21,8), Cham (21,2) Schwandorf (21,0) Bamberg-Land (20,8) und Memmingen (20,5) ab. Deutlich unter dem bayernweiten Ergebnis lag die Partei in den Großstädten. Durchschnittlich zehn Prozent der Wähler entschieden sich dort für die AfD. Am schlechtesten lief es im Stimmkreis München-Mitte mit lediglich 4,5 Prozent für die AfD.
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