Erst vergangenes Wochenende ist es wieder passiert: Am Osterfelderkopf im Wettersteingebirge (Garmisch-Partenkirchen) ist ein Urlauber-Ehepaar aus Sachsen-Anhalt in den Tod gestürzt. Die beiden Wanderer waren laut Polizei mit Turnschuhen im verschneiten, steilen Gelände unterwegs.
Auch am Hochkalter in den Berchtesgadener Alpen ist am Ostersonntag ein Bergsteiger aus Mittelfranken auf einer vereisten Schneefläche ausgerutscht. Er überlebte den Absturz und konnte von der Bergwacht Ramsau gerettet werden.
Wenn im Gebirge jemand in Not gerät, dann ist die Bergwacht oder die örtliche Bergrettung zur Stelle. Doch was ist, wenn Bergsteiger leichtsinnig oder gar fahrlässig handeln, beispielsweise indem sie mit ungeeigneter Ausrüstung in vereistes, schneereiches Gelände gehen oder trotz vorheriger Unwetter- oder Lawinenwarnungen losziehen? Müssen die Bergsteiger in diesen Fällen die Kosten für die Rettung selbst tragen?
Bergwacht: "Lieber einmal zu viel anrufen"
Die Bergwacht Bayern stellt erst einmal klar: Der Grund des Einsatzes spielt für die Bergrettung überhaupt keine Rolle. Letztendlich kämen viele Unfälle oder Notfälle am Berg nicht nur aus einer einzigen Ursache zustande.
"Warum jemand Hilfe benötigt, das darf im Augenblick des Notrufs nie eine Rolle spielen. Insofern gilt auch für uns der Satz: 'Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig anrufen'." Roland Ampenberger, Sprecher der Bayerischen Bergwacht
Die Bergwacht unterscheidet grundsätzlich zwischen Notfalleinsätzen, also wenn jemand verletzt ist, und Sondereinsätzen, also wenn Menschen blockiert sind, sich verstiegen haben oder erschöpft sind. Zu den Sondereinsätzen gehören auch Sach- oder Tierbergungen, die Vermisstensuche und die Bergung von Toten.
Laut Bergwacht machen diese Einsätze zwischen acht und zehn Prozent aus. In den meisten Fällen wird also die Bergrettung gerufen, weil jemand verletzt ist. In der Sommersaison (Mai bis November) kam es in den letzten Jahren bayernweit zu rund 3.500 Einsätzen, der starke Monat ist in der Regel der August. Etwa 80 bis 100 Tote verzeichnet die Bergwacht in den bayerischen Alpen jedes Jahr. Doch heuer wurden alleine im Bereich von Berchtesgaden bis zur Zugspitze schon 19 tödliche Bergunfälle gezählt.
Sind Wanderer verletzt, übernimmt Krankenkasse die Kosten
Doch wer trägt nun die Kosten, wenn Bergsteiger in Not geraten und mit dem Hubschrauber vom Berg geholt werden müssen? Laut Bergwacht Bayern gilt immer der Grundsatz: Wenn jemand verletzt ist oder medizinische Hilfe braucht, dann handelt es sich um einen Notfalleinsatz, der dann von der Krankenkasse bezahlt wird.
Wenn die Geretteten unverletzt sind, dann müssen sie die Kosten für den Einsatz selbst tragen - außer sie haben eine entsprechende Zusatzversicherung, etwa über den DAV. Das Bergen von Personen aus unwegsamen Gelände oder das Suchen von Vermissten wird von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht abgedeckt.
Ob Bergsteiger Turnschuhe anhatten oder nicht, spielt bei der Kostenübernahme keine Rolle
Ob Wanderer wegen Leichtsinns oder aus anderen Gründen am Berg in Not geraten, spielt somit bei der Frage, wer für den Einsatz bezahlen muss, keine Rolle. Es geht nur darum, ob sie verletzt sind oder eben nicht. Denn Fahrt- und Transportkosten innerhalb Deutschlands für medizinisch notwendige Leistungen werden von der Krankenkasse übernommen - am Berg oder auf der Straße.
"Die Bergwacht ist für die Rettung da, wir sind keine Richter", sagt dazu Roland Ampenberger von der Bergwacht Bayern.
DAV: "Krasse Fälle sind zum Glück die Ausnahme"
Regelmäßig muss die Bergwacht ausrücken, weil sich Menschen verstiegen haben, erschöpft oder überfordert sind. Laut Roland Ampenberger, Sprecher der Bergwacht Bayern, sind diese Einsatzsituationen in den vergangenen Jahren mehr geworden - insbesondere dort, wo viele Menschen unterwegs sind: "Die Fähigkeit zur Unterscheidung oder zur Einschätzung - Spazierweg im Tal, Wanderweg am Berg, Klettern in der Halle oder draußen, Hochseilgarten oder Klettersteig - das fehlt ein Stück weit. Entsprechend nimmt auch die Hilfsbedürftigkeit zu."
Der DAV beobachtet eine ähnliche Entwicklung, betont aber, dass die Anzahl der Unfälle und tödlichen Unglücke am Berg unter seinen Mitgliedern in den vergangenen Jahren zurückgegangen sind.
"Es gibt immer mehr Menschen, die wenig alpine Erfahrung haben und die sich teilweise auch überschätzen. Krasse Fälle, also völlig unzureichende Ausrüstung, kombiniert mit totaler Selbstüberschätzung, das sind zum Glück die Ausnahmefälle." Dr. Wolfgang Wabel, Bereichsleiter Bergsport beim DAV
Größte Risikogruppe: Männer
Laut Wolfgang Wabel, Bereichsleiter Bergsport beim DAV, gibt es bei den Unfällen am Berg - im Jahresdurchschnitt - eine interessante Beobachtung. Jedes Jahr erstellt der DAV eine Bergunfallstatistik, in der der Alpenverein die Unfälle und tödlichen Unglücke in Relation zu den Mitgliederzahlen setzt. Dabei hat sich gezeigt: Männer verunfallen etwa doppelt so häufig tödlich am Berg wie Frauen.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!