Die zweite bayerische Corona-Ampel hielt etwas länger als die erste. Im Herbst 2020 war für die erste Variante mit den Ampelfarben Grün, Gelb, Rot und Dunkelrot die regionale 7-Tage-Inzidenz ausschlaggebend. Nach gut zwei Wochen wurde dieses System durch den bundesweiten Teil-Lockdown samt bayerischer "Hotspot-Strategie" abgelöst - und kam nicht wieder.
Die zweite bayerische Corona-Ampel rückte seit Anfang September 2021 die Situation in den Krankenhäusern in den Mittelpunkt. Konkret: die 7-Tage-Fallzahl der Covid-19-Hospitalisierungen und die Anzahl der durch Covid-Patienten belegten Intensivbetten.
Anfang November sprang diese Krankenhausampel erst auf Gelb und dann auf Rot - und wird in der aktuellen bayerischen Corona-Verordnung gar nicht mehr erwähnt. Ob sie wieder kommt? Ungewiss. Denn vor knapp vier Wochen verständigten sich Bund und Länder eigentlich darauf, dass als neuer Maßstab die sogenannte Hospitalisierungsinzidenz gelten soll. Als wichtige Kennzahlen führt die Politik auch den R-Wert, die Impfquote, die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen und der Sterbefälle auf. Die wichtigsten Werte einer nicht immer übersichtlichen Debatte.
Welche Werte sollen eigentlich gelten?
Das "Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen" (Infektionsschutzgesetz) legt bundeseinheitlich fest, welche Kennzahlen als Grundlage für Corona-Regeln in den Bundesländern gelten sollen: "Wesentlicher Maßstab für die weitergehenden Schutzmaßnahmen ist insbesondere die Anzahl der in Bezug auf die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) in ein Krankenhaus aufgenommenen Personen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen."
Neben dieser sogenannten Hospitalisierungsinzidenz sollen laut dem Bundesgesetz aber auch die 7-Tage-Inzidenz, die "verfügbaren intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten" sowie die Anzahl der gegen Corona geimpften Menschen als weitere Faktoren berücksichtigt werden.
Die 7-Tage-Inzidenz: 35, 50, 100, 165, 200, 300, 1.000
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bezeichnete sie lange Zeit als "Mutter aller Zahlen" in der Corona-Krise: die 7-Tage-Inzidenz - also die Zahl der neu gemeldeten Corona-Fälle pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen. Viele Monate lang war die Inzidenz der zentrale Maßstab für die Entwicklung des Infektionsgeschehens in Deutschland und die Festlegung von Beschränkungen. Die Schwellenwerte änderten sich dabei immer wieder. Der bundesweit älteste ist der Inzidenzwert 50, der in der ersten bayerischen Corona-Ampel um 35 und später 100 ergänzt wurde.
Im Zuge der bayerischen Hotspot-Strategie wurden vor einem Jahr die Schwellenwerte 200 und 300 festgelegt. Bei der sogenannten Bundes-Notbremse im Frühjahr war dann eine Inzidenz von 100 der entscheidende Wert, ab dem scharfe Beschränkungen greifen mussten. Zusätzlich kam der Schwellenwert 165 hinzu, ab dem Schulen schließen mussten.
Im Sommer verkündete Söder die Abkehr Bayerns von der Inzidenz als zentraler Bewertungsgrundlage - eingeführt wurde dafür die neue, zweite Krankenhausampel. Nur der Inzidenzwert 35 blieb vorerst erhalten (als Schwelle für 3G-Regelungen). Anfang November wurde mit der neuen regionalen Hotspotregelung dann der Inzidenzwert 300 wieder zu einem zentralen Kriterium: Kletterte die örtliche Inzidenz über diesen Schwellenwert und lag die Auslastung der Intensivbetten dort gleichzeitig bei 80 Prozent oder mehr, wurde eine Region zum Hotspot.
In der aktuellen Corona-Verordnung des Freistaats taucht nur ein Inzidenzwert auf: 1.000. Liegt in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt die Inzidenz darüber, ist ein "regionaler Hotspot-Lockdown" die Folge.
Wirbel um Inzidenz bei Geimpften und Ungeimpften
Mit steigenden Impfzahlen rückte bei der Corona-Inzidenz ein weiterer Aspekt in den Vordergrund: die Unterscheidung der Infektionszahlen bei Ungeimpften und Geimpften. Für Bayern wies das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) diese getrennten Werte seit August 2021 wöchentlich aus. Auffällig dabei: Die Inzidenz bei den Ungeimpften war stets deutlich höher als bei den Geimpften, Anfang Dezember lag sie laut LGL in Bayern bei rund 1.600 im Vergleich zu rund 100. Besonders in den sozialen Netzwerken wurden die Zahlen vielfach geteilt, auch Medien wie der BR berichteten darüber.
Dann aber gab es große Kritik am Vorgehen des LGL, alle Fälle mit unbekanntem Impfstatus der Gruppe der Ungeimpften zuzuschlagen. Zuletzt war der Anteil der Fälle mit unbekanntem Impfstatus offenbar bei rund 70 Prozent. Dazu kommt: Ungeimpfte werden in der Regel deutlich öfter getestet als Geimpfte – auch das dürfte die Statistik verzerren. Nach einigem Hin und Her erklärte das LGL schließlich, die Corona-Inzidenz vorerst nicht mehr getrennt für Ungeimpfte und Geimpfte auszuweisen.
Inwiefern die getrennten Inzidenzwerte von Bund und Ländern als Entscheidungsgrundlage für konkrete, auf Ungeimpfte zielende Maßnahmen wie die 2G-Regel herangezogen wurden, ist schwer zu beantworten. Das bayerische Gesundheitsministerium erklärte zuletzt auf eine Anfrage der FDP-Fraktion nur, die entsprechenden Zahlen hätten "allgemein Verwendung gefunden". Tatsächlich tauchten die getrennten Inzidenzwerte in mindestens einer Begründung des Gesundheitsministeriums für eine Anpassung der Corona-Verordnung auf – als eine von mehreren Kennzahlen wie reiner Inzidenz, Covid-Patienten in Krankenhäusern und R-Wert.
Die Stufen der bayerischen Krankenhausampel
Viele der aktuellen Beschränkungen in Bayern gelten seit 9. November, als die Krankenhausampel im Freistaat auf Rot sprang. Eingeführt worden war die Krankenhausampel zum 2. September. Die Staatsregierung sprach damals von einem "Paradigmenwechsel": Die Die fortgeschrittene Impfkampagne erlaube es, von einem "inzidenzbasierten System" auf das Ampelsystem "mit neuen Leitindikatoren" umzustellen.
Zur Grundlage für die gelbe Stufe wurde die Zahl der Hospitalisierungen innerhalb von sieben Tagen: Die Krankenhausampel sollte auf Gelb springen, sobald in Bayern innerhalb von sieben Tagen 1.200 Menschen wegen Covid in ein Krankenhaus aufgenommen wurden. Zum Maßstab für die rote Warnstufe wurde die Zahl der Corona-Patienten auf den bayerischen Intensivstationen: Ab einem Wert von 600 sollten besonders strenge Maßnahmen greifen. Nachträglich wurde für die Alarmstufe Gelb noch ebenfalls die Intensivbetten-Belegung als Kriterium hinzugefügt (schärfere Maßnahmen ab 450).
Da der Grenzwert für die Ampelstufe Rot aktuell deutlich überschritten ist, tauchen die Stufen der Krankenhausampel in der aktuellen Verordnung gar nicht auf. Angesichts der aktuellen Hospitalisierungsinzidenz und der Belegung der Intensivbetten sei ein Absinken der Schwellenwerte auf die für die gelbe und grüne Ampelstufen maßgeblichen Schwellenwerte vorerst nicht zu erwarten, teilte das Gesundheitsministerium dem BR mit. Ob die Krankenhausampel im Januar möglicherweise reaktiviert wird, bleibt offen.
Hospitalisierungsinzidenz: Wenig aussagekräftig?
Inzwischen soll besonders die Hospitalisierungsinzidenz den "wesentlichen Maßstab für die weitergehenden Schutzmaßnahmen" darstellen. Das haben Bund und Länder Mitte November vereinbart. Doch auch dieser Wert hat Tücken: Wegen Nachmeldungen sind die zunächst kommunizierte Werte offenbar teils wenig aussagekräftig. Beispiel 6. Dezember: Hier wies das RKI zunächst bayernweit eine Hospitalisierungsinzidenz von 7,0 aus. Der korrigierte Wert lag dann allerdings laut bayerischem Gesundheitsministerium bei 16,0. Auch dafür gibt es eine neue Bezeichnung: die "adjustierte 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz".
In der aktuellen bayerischen Corona-Verordnung taucht die Hospitalisierungsinzidenz nicht auf. Lediglich in den Begründungen von Änderungen wird der Wert als einer von mehreren aufgeführt. Eigentlich hatten Bund und Länder allerdings verabredet, dass konkrete Maßnahmen an bestimmte Hospitalisierungsinzidenzen gekoppelt sind. Ab dem Wert 3 sollte eine 2G-Regelung für viele Bereiche gelten. Ab dem Wert 6 sollte statt 2G weitgehend 2G plus gelten – was in Bayern bis heute etwa in der Gastronomie nicht der Fall ist, obwohl die Hospitalisierungsinzidenz zwischenzeitlich deutlich über 6 lag.
R-Wert zeigt Trend der Pandemie an
Als die Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 begann, stand bald der sogenannte R-Wert im Fokus von Wissenschaftlern und Politikern. Dieser Wert gibt an, wie viele Menschen eine Corona-infizierte Person im Mittel ansteckt. Damit zeigt der R-Wert in erster Linie, in welche Richtung sich das Infektionsgeschehen bewegt – er sagt aber direkt nichts darüber aus, wie viele Menschen sich zuletzt infiziert haben oder wie voll die Covid-Intensivstationen sind.
Konkrete Maßnahmen in Bayern sind bislang nicht unmittelbar an den R-Wert gekoppelt. In Pressekonferenzen der Staatsregierung wird der Wert inzwischen kaum noch erwähnt. Als ein Aspekt von vielen findet er sich dafür in der aktuellen Begründung der angepassten Corona-Verordnung, die leichte Lockerungen für den Skibetrieb vorsieht: "Nach RKI-Berechnungen lag der 7-Tage-R-Wert für Bayern am 9. Dezember 2021 bei 0,88, für Deutschland bei 0,95."
Weitere Indikatoren
In den Begründungen der Corona-Verordnungen führt Bayerns Gesundheitsministerium neben der 7-Tage-Inzidenz, der 7-Tage-Hospitalisierungsrate, dem R-Wert und den belegten Intensivbetten auch noch weitere Indikatoren an: die Zahl der Sterbefälle, die Zahl aller stationär zu versorgender Covid-19-Patienten, die durchschnittliche Auslastung der Intensivstationen.
Auf der Übersicht des LGL im Internet finden sich darüber hinaus die aktuellen Impfquoten in Bayern, die Anzahl der Genesenen, die Zahl der absoluten neu gemeldeten Corona-Fälle. Andere Übersichtsseiten im Internet weisen zusätzlich weitere Zahlen aus, zum Beispiel die "Infektionsrate" und "derzeit aktive Infektionen".
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!