Noch baut Audi in Ingolstadt ausschließlich Verbrenner. Die Zukunft hält der Autobauer allerdings noch unter Verschluss, kein Außenstehender darf bislang sehen, dass im Werk Ingolstadt eine Montagelinie für den Q6 e-tron umgerüstet ist. Doch der Wandel ist in vollem Gange: 2023 soll der erste rein elektrifizierte Audi aus dem Stammwerk in Ingolstadt zum Kunden fahren.
Audi.Zukunft: Keine Kündigungen wegen Transformation
Audi.Zukunft nennt sich die Vereinbarung, mit der sich Unternehmensleitung und der Audi-Betriebsrat darauf verständigt haben, wie sie die Transformation hin zur E-Mobilität und zur Digitalisierung schaffen wollen. Schon 2019 vereinbarten Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter, dass bei Audi in Ingolstadt bis 2025 rund 9.500 Stellen sozialverträglich abgebaut, zugleich aber 2.000 neue Expertenstellen geschaffen werden sollen. Heißt: Wer den Wandel nicht mitgehen will, kann finanziell abgefedert frühzeitig in Rente gehen. Beim Stellenabbau liegt Audi im Plan. Das melden Betriebsrat und Unternehmensleitung gleichermaßen. Transformationsbedingte Kündigungen schließt Audi mit seiner Beschäftigungsgarantie bis 2029 aus.
- Wie sieht die Mobilität der Zukunft aus? Das sagen die Experten.
Weiterbildung für möglichst viele
Wer bleibt, soll dazulernen können. Für die aktuell 42.000-köpfige Belegschaft am Standort Ingolstadt lautet das Motto "Weiterbildung“ in Richtung Digitalisierung und E-Mobilität. So erklärt es Achim Heinfling, Werkleiter am Standort Ingolstadt.
"Bis 2025 plant das Unternehmen, 500 Millionen Euro zu investieren in die Qualifizierung und Fortbildung des gesamten Teams. Wir haben zum Beispiel einen klaren Plan und klare Profile für die 300 Mitarbeiter, die für die neue Batteriemontage qualifizieren werden. Je weiter wir in die Zukunft gehen, desto mehr Unschärfen sind noch dabei. In Summe: Wir sind vorbereitet auf den Wandel in die neue Zukunft." Achim Heinfling, Werkleiter am Audi-Standort Ingolstadt
Ab 2028 nur noch E-Autos am Standort Ingolstadt
Bis 2033 will Audi seine Produktion in Deutschland komplett auf E-Autos umgestellt haben. Der Standort Ingolstadt soll dabei vorangehen, so Werkleiter Achim Heinfling. Dem Q6 e-tron sollen die voll elektrifizierten Alltagsautos A3 und A4 folgen.
"Wir werden im Werk Ingolstadt ungefähr zur Mitte des Jahrzehnts schon 50 Prozent der Fahrzeuge elektrisch vom Band fahren. Und ab circa 2028 planen wir, dass wir hier ausschließlich voll elektrifiziert Fahrzeuge bauen." Achim Heinfling, Werkleiter am Audi-Standort Ingolstadt
Optimismus bei Managern und Betriebsrat
Insgesamt geben sich bei Audi beide Seiten – Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter - optimistisch, dass die Transformation bei den vier Ringen gelingen wird. Audi-Gesamtbetriebsratsvorsitzender Peter Mosch ist sich sicher: "Es wird keinen Otto- oder Diesel-Motor mehr geben. Es wird keine Abgasanlagen mehr geben. Diese Arbeitsplätze fallen weg. Da brauchen wir Antworten für morgen." Diese Antworten gebe es, so Mosch, "aber da müssen wir die Leute jetzt hin qualifizieren, um diesen Weg zu beschreiben und zu gestalten. Der wird herausfordernd sein, aber wir werden das schaffen."
IHK: Zulieferer in Region Ingolstadt gut aufgestellt
Ebenso zuversichtlich gibt sich Franz Schabmüller. Der Unternehmer beschäftigt rund 1.100 Mitarbeiter und gehört damit zu den großen Zulieferern in der Region. Seine Betriebe stehen in Deutschland und Ungarn. Schabmüllers Kerngeschäft ist die Metallverarbeitung durch Zerspanung. Für Audi und andere Autobauer fertigt er zahlreiche Komponenten für Verbrenner, zum Beispiel Zylinderkopf-Hauben und Kurbel-Gehäuse. Doch der Unternehmer betont:
Natürlich können wir auch E-Mobilität! Wir können einen Zylinderkopf bearbeiten für einen Verbrenner. Und für einen E-Motor zum Beispiel ein Starter-Gehäuse oder ein Elektromotor-Gehäuse. Genauso aber auch alle Fahrwerkskomponenten, Radträger etc. Also all die Teile, die sowohl die E-Mobilität als auch die Verbrenner brauchen. Franz Schabmüller, FRAMOS Holding, Zulieferer in der Automobilbranche
Zunächst mehr Arbeit durch "Zweigleisigkeit“
Wie Audi will auch Unternehmer Franz Schabmüller die Transformation ohne Kündigungen schaffen. Er geht eher davon aus, dass ihm in den kommenden Jahren Fachkräfte fehlen werden. Zudem verweist er darauf, dass die Autobauer in den nächsten Jahren erst mal "zweigleisig“ produzieren werden, also Verbrenner und E-Autos gleichzeitig. Obwohl beim Bau von reinen E-Autos langfristig weniger Teile gebraucht werden und damit auch die Zulieferer weniger Komponenten zuliefern können, geht Schabmüller davon aus, dass die Arbeit in den nächsten Jahren zunehmen wird. Und zwar für die Autobauer und für die Zulieferer. Zunächst werde man wohl mehr Teile brauchen, "weil die Hybridisierung noch eine Zeit lang anhalten wird", vermutet der Zulieferer. "Irgendwann wird es einen Peak geben, wo mehrheitlich elektrisch Elektromotoren produziert werden. Dann könnte es sein, dass die Teile-Vielfalt nach unten geht. Aber wann das sein wird, lässt ist ganz schwer sagen." Das hänge vor allem von der Kundennachfrage ab.
Kaum Abhängigkeit vom Verbrenner in der Region
Als Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses Ingolstadt hat Franz Schabmüller auch die anderen Zulieferer im Großraum Ingolstadt im Blick. Er ist zuversichtlich, dass die große Mehrheit die Transformation gut bewältigen wird:
"Ich glaube, Ingolstadt steht sehr, sehr gut da in der Zulieferbranche, weil keine direkt großen Werke mit Direkt-Komponenten für Verbrenner ansässig sind. Ich glaube, es gibt andere Regionen und Städte in Bayern, die stark von Direkt-Komponenten, die nur für Verbrenner gebraucht werden, abhängen. Da ist sicher Ingolstadt in der Automobilbranche diverser aufgestellt." Franz Schabmüller, FRAMOS Holding, Zulieferer in der Automobilbranche
Experten sehen Raum Ingolstadt als Vorreiter der Transformation
Dass Audi und die Zulieferer in der Wirtschaftsregion Ingolstadt gut gerüstet sind, belegt auch die jüngste Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft. Nach dieser Untersuchung ist keine Region in Deutschland besser aufgestellt, um den Wandel weg vom Verbrenner hin zum E-Auto zu meistern. Die Experten haben für die Studie die 40 besonders stark von der Transformation betroffenen Regionen analysiert. Als wichtige Indikatoren für die Wandlungsfähigkeit galten den Experten dabei Forschung, Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Soziales und Infrastruktur in der Region. Bei diesen allgemeinen Standortvoraussetzungen liegt Ingolstadt deutschlandweit auf dem ersten Platz.
Franken kämpft mit der Transformation
Für die Region Ingolstadt ist dieses Ergebnis bedeutsam, denn hier ist der Erwerbstätigenanteil im Automotivbereich mit 43,2 Prozent extrem hoch. Bei der Studie liegen 20 Regionen mit einem eher positiven Gesamtindex ausschließlich in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und dem Saarland. Dennoch schneiden auch in Bayern einige Regionen nicht gut ab. Vor allem Teile Frankens kämpfen der Studie zufolge mit der Transformation. Explizit nennen die Experten die Landkreise rund um Bamberg, darunter den Landkreis Haßberge.
IGM mahnt: Hälfte der Zuliefererbetriebe ohne Zukunftsstrategie
Nicht nur das Institut für Wirtschaft listet deutschlandweit Regionen auf, die stark von der Automobilindustrie geprägt sind, aber noch nicht fit sind für die Transformation. Auch die IG Metall weist dringend auf die Risiken hin. In rund der Hälfte der Betriebe fehlt nach Gewerkschaftsumfragen eine Strategie für die künftige Ausrichtung, kritisiert Johann Horn von der IGM Bayern:
"Wir haben gesehen in einer Umfrage unserer Betriebsräte, dass etwa die Hälfte der Unternehmen keinen Plan hat, wie sie mit dieser Transformation durchkommen. Etwa die Hälfte hat ungefähr eine Ahnung, was sie da jetzt machen wollen und machen auch und investieren. Aber eben die Hälfte nicht." Johann Horn, IG Metall-Bezirksleiter Bayern
Regionen, die den Wandel nicht schaffen, könnten viele Tausend Arbeitsplätze verlieren, befürchtet Horn.
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