Die kleine Emilia liegt in einer Wippe und schnarcht leise vor sich hin. Sie ist fast zwei Jahre alt und schwer krank. Für ihre Mama Saskia Henning heißt das im Alltag, dass sie 24 Stunden am Tag keinerlei Auszeit hat. "Ich muss wirklich immer bei ihr sein. Alle drei Stunden bekommt sie Essen, ich muss aufpassen, dass sie sich nicht übergibt. Nachts schlafe ich Kopf an Kopf mit ihr, dass ich sofort mitbekomme, wenn es ihr nicht gut geht". An Erholung sei da nicht zu denken.
Urlaub im Kinderhospiz
Nun ist die Familie im in diesem April eröffneten Kinder- und Jugendhospiz Sternenzelt in Bamberg – und macht dort Urlaub. Der Vormittag beginnt mit einer Bastelstunde. In einem bunten Zimmer mit allerlei Bastelutensilien verzieren Saskia Henning und ihre größere Tochter Penelope gerade Sterne. Die ehrenamtliche Hospizhelferin Marlene Groh sitzt bei den beiden und gibt Impulse. Für die Familien ist dort Zeit, sich mit ihrer schwierigen Situation auseinanderzusetzen. Saskia Henning grundiert ihren Holzstern mit pinker Farbe. In der Mitte wird Emilias Name in goldenen Buchstaben stehen.
Marlene Groh ist überzeugt: "Wenn Worte fehlen, hilft Kreativität. Das ist bei Kindern genauso wie bei Erwachsenen". Saskia Henning ist dankbar für die Hilfe. Denn der Aufenthalt hier ist für sie vor allem Entlastung. Ihre große Tochter bekomme Aufmerksamkeit und viel Raum, könne sich hier kreativ ausleben. "Und wenn wir Eltern durchschnaufen wollen, ist jederzeit eine Krankenschwester oder ein Krankenpfleger da und nimmt uns die Kinder ab", berichtet sie.
Pflegepersonal sorgt für Entlastung bei den Eltern
Auch im Musikzimmer können sich die Kinder austoben. Daneben gibt es zwei Spielzimmer, einen abgedunkelten Ruheraum mit Wasserbett und bunt leuchtenden Sprudel-Wasser-Säulen. Für Eltern ist auch ein Kaminzimmer eingerichtet. Familie Theobald aus dem Saarland ist sogar mit zwei kranken Kindern angereist. Während Elian mit einer Therapeutin das Ruhezimmer zum Spielplatz umfunktioniert, hat Mama Michèle kurz Zeit, am Bett ihres großen Sohnes Jannes zu sitzen. Ihr Mann macht derzeit Homeoffice im Elternbereich.
Die Familie aus dem Saarland ist froh, im Sternenzelt in Bamberg einen Platz bekommen zu haben. "Wir werden entlastet, es kümmert sich Pflegepersonal um unsere Kinder und wir können uns auch mal mit anderen Eltern vernetzen. Das ist wie ein warmer Mantel, den man im Winter anzieht und sich geborgen fühlt", erzählt Michèle Theobald.
28 Tage Aufenthalt im Jahr zahlt die Krankenkasse
Im großen Esszimmer stehen ein Christbaum und ein langer, großer Tisch, an dem alle zusammen essen können. Sechs Familien sind gerade im Sternenzelt untergekommen. 28 Tage im Jahr zahlt die Krankenkasse den Aufenthalt zur Entlastung für Familien mit Kindern, die die Diagnose einer lebensverkürzenden Krankheit bekommen haben. Die Einrichtung baut Personal auf, damit sich künftig bis zu zwölf Familien hier erholen können. Das Team begleitet die Familien ab der Diagnose über Jahre hinweg.
Leiterin Beate Neumeister ist es ein besonderes Anliegen, dass die Öffentlichkeit erfährt, dass das Kinderhospiz vor allem ein Ort des Lebens und der Freude ist. "Viele denken, es gäbe hier nur sterbende Kinder. Da gibt es viele Berührungsängste. So sieht unser Alltag aber nicht aus. Wir sind natürlich auch da zur Sterbebegleitung am Ende des Lebens. Aber der Großteil der Aufenthalte dient dazu, besonders schöne Momente für die Familie zu schaffen", so Neumeister. Familie Henning bleibt diesmal zwei Wochen hier. Und sie wollen im nächsten Jahr wiederkommen, für Erholung und schöne Erinnerungen zusammen mit Emilia.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!