In der oberbayerischen Gemeinde Piding im Berchtesgadener Land kam der Gemeinderat kürzlich zu einem überraschenden Abstimmungsergebnis. Mit einer knappen Mehrheit kippte er ein geplantes Gewerbegebiet mit knapp 40.000 Quadratmetern auf der grünen Wiese – eine Fläche, die bei Starkregen schnell unter Wasser steht. Doch ein verhindertes Gewerbegebiet ist in Bayern eher eine Ausnahme als die Regel. Im Vergleich mit allen anderen Bundesländern ist der Flächenverbrauch in Bayern am höchsten.
Richtwert fünf Hektar am Tag klar verfehlt
Obwohl die Staatsregierung im Koalitionsvertrag anstrebt, nicht mehr als fünf Hektar pro Tag zu verbauen, werden täglich knapp elf Hektar Boden zubetoniert, das entspricht einer Größe von etwa 15 Fußballfeldern. Rund die Hälfte davon wird versiegelt: betoniert, asphaltiert, gepflastert, bebaut oder anderweitig befestigt. Einmal versiegelter Boden lässt sich nur schwer wieder in seinen ursprünglichen Zustand umwandeln.
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Pro-Kopf-Verbrauch auf dem Land besonders hoch
Einer aktuellen Erhebung der Universität Würzburg zufolge ist die Bodenversiegelung pro Einwohner in Städten geringer als auf dem Land. Die Spanne reicht von 73 Quadratmeter pro Einwohner in München bis hin zu 3.200 Quadratmeter, dem Höchstwert in Ramsau bei Berchtesgaden. In Großstädten werden Siedlungsflächen also deutlich besser genutzt.
Grafik: Pro-Kopf-Versiegelung pro Gemeinde
Jeder Kubikmeter versiegelter Boden ist ein Problem
Einmal versiegelte Flächen können kein Regenwasser mehr aufnehmen. Umgekehrt nimmt naturbelassener Boden durch seine Schwammfunktion Niederschlag auf und gibt ihn ganz langsam wieder ab. "Auf einer Wiese verdunsten fast zwei Drittel des Regenwassers und rund ein Viertel versickert", sagt die Geographin Anne von Streit von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. So könne sich auch wieder neues Grundwasser bilden.
Doch wenn Regenwasser auf asphaltierten oder zugebauten Oberflächen rasch abfließt, ist die Kanalisation schnell überfordert. Das Wasser fließt dann wild im Straßenraum ab und überflutet Keller und Erdgeschosse. Das ist heuer in Bayern oft passiert. Hinzu kommt: Starkregen wird künftig häufiger auftreten. Das ist inzwischen Konsens in der Klimaforschung. Die Hochwasser-Gefahr durch Starkregen werde aber von vielen Kommunen unterschätzt.
Risiko richtig einschätzen - Verschiedene Maßnahmen ergreifen
In einem interdisziplinären Forschungsteam entwickelt Anne von Streit deshalb Sturzflut-Risiko-Karten für Kommunen im südlichen Oberbayern. Die beiden Pilot-Gemeinden Weilheim und Garmisch-Partenkirchen sollen ihr Überflutungsrisiko kennen, besonders, wenn neu gebaut wird. Dabei sei es wichtig, "Flächenvorsorge und eine wassersensible Siedlungsplanung" zu betreiben. Dazu gehört, zuerst die möglichen Überflutungszonen zu kennen, dort auf Neubauten zu verzichten oder mit erhöhten Hochwasserschutz-Maßnahmen zu planen.
Zu den Maßnahmen gehörten etwa natürliche Wasserspeicher, wie Grünstreifen, Mulden, begrünte Dächer und Fassaden sowie Parkplätze auf Schotter oder Rasengittersteinen. Außerdem könne man Anne von Streit zufolge auch im Bestand ansetzen und zum Beispiel Parkplätze und Höfe entsiegeln und in Schotter-Plätze umwandeln.
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Klimaveränderungen erfordern Flächensparen
Für die Landtags-Grünen und Umweltverbände ist der Flächenverbrauch in Bayern schon lange ein Ärgernis. Angesichts der Klimaveränderungen fordert der Bund Naturschutz Kommunen zum Umdenken auf. "Es gibt einige Gemeinden in Bayern, die sagen, wir begrenzen uns, wir definieren, wo brauchen wir Flächen zur Erholung, für den Wasserrückhalt, für die Freizeit oder für die Landwirtschaft und wo können wir überhaupt noch bebauen", sagt der Vorsitzende des Bund Naturschutz, Richard Mergner. Dazu gehöre auch ein Verständnis dafür, wenn es nicht mehr weitergeht. Dann müssten Kommunen eben die vorhandenen Flächen besser auslasten.
Bund Naturschutz fordert Flächenrecycling statt Neubau
Der Bund Naturschutz fordert von der Staatsregierung unter anderem, dass sich Städte und Gemeinden zum Erhalt der freien Landschaft verpflichten müssen. Außerdem sollte die Landesregierung den Flächenverbrauch halbieren und letztlich auf null bringen. "Flächenrecycling muss Vorrang haben und gefördert werden", so Mergner. Unter Flächenrecycling versteht man die Wieder- oder Umnutzung bestehender Flächen und Gebäude.
Dem bayerischen Umweltministerium zufolge können Städte und Gemeinden viel tun, um ihre Infrastruktur den Klimaveränderungen anzupassen, ohne große Mehrkosten. Dazu gibt es viele staatliche Förderprogramme, die müssten nur genutzt werden.
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