Es ist die Nacht auf den 22. Mai. In der Nähe von Untrasried im Ostallgäu steht ein Stall in Flammen, die Rettungskräfte können nicht mehr viel retten, fast 150 Rinder verenden. Inzwischen steht fest: Ein Defekt am Wechselrichter der Photovoltaikanlage hatte den Brand ausgelöst. Wenige Wochen später brennt in Inningen bei Augsburg eine Lagerhalle komplett ab, auch hier die Ursache: eine defekte Photovoltaikanlage. Steigt mit Solarstromanlagen also auch die Brandgefahr?
Sind Photovoltaikanlagen brandgefährlich?
Eingangs gleich die Entwarnung: Auch wenn schadhafte Photovoltaikanlagen immer wieder zu verheerenden Großbränden führen, stellen solche Anlagen im Vergleich zu anderen technischen Geräten keine erhöhte Brandgefahr dar - zu diesem Ergebnis kommen mehrere Studien, darunter eine umfangreiche Forschungsarbeit von Fraunhofer Institut und TÜV Rheinland. Statistisch gesehen brennen derartige Anlagen genauso häufig oder selten wie andere elektrische Geräte im Haushalt auch. Allerdings, auch hier sind sich die Experten einig, gibt es Faktoren, die eine etwaige Brandgefahr noch einmal deutlich reduzieren.
Ausgehebelter Brandschutz und falsches Material
Laut dem Kreisbrandrat der Ostallgäuer Feuerwehren, Markus Barnsteiner, beginnt das Problem oft schon bei der Montage. An sich sei es selbstverständlich, eine solche technische Anlage nur von einem Fachmann einbauen zu lassen. Geschehe das nicht, habe das oft weitreichende Folgen: "Wir sehen als Feuerwehr oft, dass Photovoltaikanlagen nachträglich aufs Dach kommen und, dass dann oftmals, gerade auch bei ehemals landwirtschaftlich genutzten Anwesen, auch die Brandwand überbaut wird." Das sei das Schlimmste, was passieren könne: Der bauliche Brandschutz würde funktionieren, aber durch den Überbau der Photovoltaikanlage wäre das Feuer in der Lage, die Mauer zu überspringen und großflächig weiterzuwandern.
Auch das bei der Installation verwendete Material müsse besondere Anforderungen erfüllen, betont Stefan Veit, Prüfsachverständiger im Bereich Elektro- und Gebäudetechnik beim TÜV Süd. Oft, so Veit, liefen Photovoltaikanlagen jahrelang problemlos, seien dabei aber ungeschützt der Witterung ausgesetzt.
Schnee, Wind und Marder setzen der Anlage zu
Durch die starke UV-Strahlung könnten handelsübliche Kabelbinder beispielsweise einfach brechen und auch Wind und Schneelast beanspruchten das Material mit der Zeit. Hinzukämen Marderbisse oder Steinschlag durch Vögel, so dass durch gelockerte Steckverbindungen, freiliegende Kabel oder Risse an den Modulen auch das Brandrisiko zunehme.
Zudem besäßen PV-Anlagen durch ihre exponierte Lage ein erhöhtes Blitzeinschlags-Risiko. Um dabei das Brandrisiko möglichst klein zu halten, müsse deshalb schon bei der Installation auch ein funktionierender Blitz- und Überspannungsschutz mit angebracht werden.
Doch nicht nur Schäden können problematisch werden. Bereits intensive Verschmutzungen könnten zu punktuellen Erwärmungen führen und damit das Brandrisiko steigen lassen, erklärt Veit. Wichtig sei deshalb, so der Fachmann, sich um seine Anlage auch zu kümmern, sie regelmäßig zu warten und kontinuierlich in Stand zu halten.
Im Audio: Feuer auf dem Dach: Risiko von Photovoltaikanlagen verringern
Regelmäßige Überprüfung – selbst und durch den Fachmann
Beschädigungen an der Oberfläche lassen sich laut Veit auch als Laie gut erkennen. Er rät deshalb jedem PV-Anlagenbetreiber, seine Anlage regelmäßig auch selbst auf mögliche Schäden hin zu untersuchen: "Aber natürlich nur, ohne sich selbst dabei in Gefahr zu bringen und unter ausreichender Absturzsicherung!"
Weil jedoch eine Vielzahl möglicher Defekte unterhalb der Oberfläche liege und mit bloßem Auge nicht zu erkennen sei, sei es wichtig, in regelmäßigen Abständen eine Elektrofachkraft mit der Wartung und Überprüfung zu betrauen, empfohlen sei alle vier Jahre. Über sogenannte thermografische Aufnahmen könne der Fachmann auch tieferliegende Schäden erkennen und Verschleißteile frühzeitig austauschen, bevor sie zur Gefahr werden.
Feuerwehrschalter und Pläne helfen im Brandfall
Kommt es zum Brand, gibt es laut Kreisbrandrat Barnsteiner ebenfalls Dinge, die der Feuerwehr das Löschen erleichtern. PV-Anlagen produzieren immer eine elektrische Spannung, üblicherweise 600 bis 1.000 Volt. Um sich nicht selbst in Gefahr zu bringen, müssen die Einsatzkräfte unter anderem einen Mindestabstand zur Anlage einhalten und vom Löschwasser überflutete Bereiche meiden. Laut Barnsteiner gibt es jedoch die Möglichkeit, eine sogenannte "DC-Freischalteinrichtung" einbauen zu lassen. Dieser umgangssprachlich genannte "Feuerwehrschalter" ermögliche es, die gesamte PV-Anlage mit einem Handgriff stromlos zu schalten. Zudem seien detaillierte Anlagenpläne wichtig, erklärt der Feuerwehrmann.
Weil der Brandherd durch die Photovoltaikmodule auf dem Dach oft verdeckt und von außen nur schwer zu erreichen ist, sei es wichtig, auch ins Innere des Gebäudes zu gelangen. Mit Hilfe genauer Anlagenpläne könnten die Einsatzkräfte leicht erkennen, wo die stromführenden Leitungen im Haus verlegt sind. Auch der generelle Hinweis, dass sich eine Photovoltaikanlage auf dem Dach befindet, sei für die Feuerwehr wichtig. Barnsteiner: "Dafür gibt es zum Beispiel eigene Aufkleber mit dem Hinweis: 'PV-Anlage auf dem Dach', die jeder leicht an seinem Stromkasten anbringen kann."
"Den Ernstfall mitdenken"
Denn effektiv seien solche Maßnahmen nur, wenn sie für die Feuerwehrkräfte im Notfall auch schnell auffindbar, zugänglich und gut gekennzeichnet seien, betont Barnsteiner. Er rät PV-Besitzern: "Bei der Installation einfach immer auch den Ernstfall mitdenken – damit wäre uns schon viel geholfen."
Dieser Artikel ist erstmals am 12.07.2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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