Vor genau zehn Jahren hat es geregnet und geregnet – über Tage, über Wochen. Am 3. Juni war es zu viel: Passau erlebte das schlimmste Hochwasser seit 500 Jahren, nur im Jahr 1501 war die Katastrophe noch größer gewesen. Heute, zehn Jahre später, ist die Stadt so schön wie nie. "Viele finden: Passau ist aufgeblüht. Privatleute haben saniert, als gäbe es kein Morgen mehr", sagt Oberbürgermeister Jürgen Dupper (SPD).
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Alle Möbel wären schnell aus dem Café geschafft
Eine Familie, die genau das gemacht hat, ist die Kino-Familie Vesper. Sie hat aus dem einstigen Kino und Veranstaltungssaal Proli einen Treffpunkt am Inn geschaffen – mit Kino, Bar und Café. Dabei hat sie bei der Architektur immer den Katastrophen-Fall mitgedacht. Jedes Möbelstück steht so, dass es schnell abbaubar wäre. Viele Möbel sind auf Rollen, kaum etwas ist angeschraubt, jede Leitung ist so verlegt, dass sie nicht nass werden kann. "Unser Ziel war ein hochwassersicheres Kino", sagt Juli Vesper. Sie steht an der Bar und zeigt auf eine Fuge am Tresen: "An dieser Stelle kann man die Bar auseinander heben und sie in zwei Teilen mit Hubwagen auf den Lastwagen heben und wegfahren – im Fall einer Flut."
Inn erreichte Pegel von über zehn Metern
Das Proli liegt am Inn. Seit knapp 100 Jahren ist das Haus in der Hand der Familie Vesper. Doch die Katastrophe von 2013 hat die Familie - wie alle Betroffenen in Niederbayern - kalt erwischt. Wenn Juli Vesper Fotos von damals anschaut, kann sie es gar nicht so richtig glauben. Viele Bilder zeigen Familienmitglieder und Freunde, wie sie versuchen, das Wasser mit Besen zurückzuschieben, und wie sie Wertvolles abmontieren und auf einer Bühne im Saal türmen. Niemand konnte sich vorstellen, dass das alles umsonst sein wird.
Doch das war es. Der Inn erreichte am 3. Juni einen Pegel von 10,20 Metern. Normalerweise liegt er bei etwa zwei Metern. Allein in der Nachbarschaft des Kinos am Inn waren 50 Wohnhäuser unter Wasser. Der dort entstandene Schaden betrug rund 15 Millionen Euro. Das gesamte Fundament des Prolis wurde aufgeschwemmt. Die untersten beiden Stockwerke mussten entkernt werden. Alles kam raus, nur die Außenmauern blieben.
Fünf Jahre bis zur Neueröffnung
"Aufgeben war keine Option. Die Familie hängt an dem Haus. Und es waren sich alle einig, dass wieder ein Kino rein soll", erzählt Vesper. Drei Jahre lang liefen die Trockner, weitere zwei Jahre dauerten die Arbeiten. Die Familie steckte Millionen in den Umbau, denn was auch allen klar war: Wenn Neustart, dann hochwassersicher. Der Hohlkörper des Kinosaals ist beispielsweise aus Stahlbeton. Er kann mit Schotten dicht gemacht werden. Außerdem wurden unter anderem Küche, Heizung und Leitungen in den ersten Stock verlegt.
Bund und Freistaat unterstützten mit 80 Prozent
Viele Passauerinnen und Passauer investierten nach der Katastrophe enorm in ihre Häuser, sagt Oberbürgermeister Jürgen Dupper. "Die Stadt ist an manchen Ecken und Stellen schöner als sie vorher war." Auch, weil sich die öffentliche Hand nicht habe lumpen lassen, so Dupper. Freistaat und Bund halfen den Geschädigten wieder auf die Beine, zahlten so viel, wie es heute nicht mehr denkbar wäre. Die Schäden wurden mit einer Förderung von bis zu 80 Prozent übernommen. Hinzu kamen private Spenden. Dennoch steckten viele Passauer darüber hinaus Millionenbeträge in ihre Häuser.
Hochwasserschutz am Inn ist umstritten
Die Vespers haben versucht, ihr Haus so hochwassersicher wie möglich zu machen. Trotzdem beobachten sie die Debatte um Hochwasserschutz in der Stadt gespannt. An der Donau ist in den vergangenen Jahren viel passiert: In den Ortsteilen Hacklberg und Lindau wurde und wird er gebaut. Am Inn, und damit an Passaus beliebter Flaniermeile, ist hingegen noch nichts passiert. Der Entwurf eines Architekten, eine Hochwassermauer zu bauen, liegt beim Wasserwirtschaftsamt. Hier soll er auf technische Machbarkeit überprüft werden. "Das dauert noch ein bisschen, weil das Wasserwirtschaftsamt bei der Vielzahl an Maßnahmen derzeit nicht dazu kommt", sagt der OB. Die geplante Flutmauer ist in Passau aber umstritten. Viele fürchten, dass Bäume gefällt werden müssen und dass die Innpromenade optisch zerstört wird.
Gut gerüstet für das nächste Hochwasser
"Auch wir sind in der Familie bei dem Thema unterschiedlicher Meinung", sagt Juli Vesper. Wenn sie heute von der Proli-Terrasse auf den Inn schaut, wirkt sie aber gelassen: "Ich habe keine große Angst vor Hochwasser. Wenn es passiert, weiß ich, dass es einen wahnsinnig trifft und dass es viel Arbeit ist. Ich hoffe, dass sowas wie 2013 erst mal nicht passiert. Und ich glaube, für alles andere sind wir hier gut gerüstet."
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