Schichtbeginn bei Daniel Angermann. Er hat gleich Dienst im Zuhörraum. Bevor er startet, sitzt er gerne in einem Café um die Ecke – abschalten und den Kopf frei bekommen, sagt er: "Ich hab ja auch noch ein Leben außerhalb des Zuhörraums. Was immer da gerade passiert, es geht darum, mich nicht ablenken zu lassen. Für die Zeit jetzt hier bin ich nur für den anderen da."
Wer etwas auf dem Herzen hat, dem leiht Momo ein Ohr
Angermann, hauptberuflich IT-Teamleiter in einem mittelständischen Unternehmen, gehört zu einer Gruppe von Ehrenamtlichen, die sich für den Zuhörraum vom Verein "Momo hört zu" engagieren. Der Zuhörraum ist ein kleiner grüner Wagen aus Holz. Studierende der TU München haben ihn entworfen. Er steht auf dem Stephansplatz in der Münchner Innenstadt. Jeden Tag von 12 bis 18 Uhr wird hier zugehört – auch an Wochenenden und Feiertagen. Wer etwas auf dem Herzen hat, kommt vorbei, ganz spontan. Ist gerade besetzt, brennt draußen am Wagen eine kleine Lampe.
Dauer, Thema und Herkunft spielen keine Rolle
Die Idee für den Zuhörraum hatte Michael Spitzenberger. Er wollte einen geschützten Ort schaffen, an dem Menschen einfach erzählen können, was sie gerade bewegt: "Wir wissen nicht, wer kommt und was er für einen sozialen Hintergrund hat. Das ist letztendlich auch egal. In diesem Raum spielt Zeit keine Rolle mehr und auch die Herkunft, solange wir uns verstehen."
Vor gut einem Jahr öffnete der Zuhörraum seine Tür. Damals noch am alten Standort in der Nähe des Viktualienmarkts. Seitdem kommen Menschen jeden Alters. Der jüngste Gast war fünf, der älteste 94, erzählt Spitzenberger. Manche kommen vorbei, um schnell etwas loszuwerden, andere bleiben anderthalb Stunden: "Es kommen viele Neugierige, die fragen 'Was ist das?' und dann kommt man ins Gespräch. Dann kommen welche, die wissen schon von uns, setzen sich sofort hin und erzählen. Der nächste will eigentlich nur einen geschenkten Kaffee und kommt dadurch zum Erzählen."
"Momo hört zu" will durchstarten
Angefangen hat Spitzenberger mit einem vierköpfigen Team. Mittlerweile sind es etwa 40 Ehrenamtliche. Weitere 50 stehen auf einer Warteliste, um Zuhörerin oder Zuhörer zu werden. Mit der wachsenden Zahl an Ehrenamtlichen wuchs auch der Koordinationsaufwand. Gleichzeitig will Michael Spitzenberger expandieren. Aktuell sind zwei weitere Zuhörräume in Planung. Um das gesamte Projekt zukunftsfähig zu machen, hat sich Spitzenberger für ein Beratungsstipendium bei der Initiative "Startsocial" beworben.
Im Rahmen des Stipendiums werden ehrenamtliche Initiativen von Menschen aus der Wirtschaft kostenlos beraten. Dazu werden jedes Jahr 100 soziale Vereine ausgewählt. Ziel ist es, die Vereine bestmöglich weiterzuentwickeln. Im Fall von "Momo" standen drei Themen im Fokus, wie Laura Korfmann von "Startsocial" erklärt: "Das eine ist Qualitätssicherung, also wie zufrieden sind die Zuhörer, aber auch die Zugehörten, dann Ehrenamtsmanagement. Momo ist ja sehr schnell gewachsen. Und natürlich Finanzierung."
Ehrung durch Bundeskanzler Scholz
Korfmann ist eine der zwei Coaches, die "Momo hört zu" beraten haben. Zusammen wurde beispielsweise ein Fragebogen entwickelt, auf dem Zuhörer und Zugehörte ankreuzen, wie es ihnen nach einem Gespräch geht. Damit soll der Einfluss vom Zuhörraum besser messbar werden.
Insgesamt setzte "Momo" die Tipps so gut um, dass sie als eine von 25 Initiativen des Stipendiums ausgezeichnet wird. Für Laura Korfmann keine Überraschung: "Das Team hat eine sehr klare Vision. Denen war von Anfang an sehr klar, das ist Momo und das nicht. Diese Fähigkeit, zu wissen, wer man ist, das gibt im Endeffekt die Richtung vor." Geehrt wird "Momo hört zu" heute im Bundeskanzleramt von Kanzler Olaf Scholz, der Schirmherr der Initiative "Startsocial" ist. Zuhören in diesen Zeiten - notwendiger denn je.
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