Der Raum der Rosenheimer Seniorenbegegnungsstätte füllt sich. Rund 50 Personen sind heute gekommen, um einen besonderen Auftritt mitzuerleben. Denn der heutige Gast, Helmut Wolfertstetter, spricht eine ganz besondere Sprache. Der Landwirt aus Palling im Landkreis Traunstein ist Vogelstimmen-Imitator und sogar Europameister im Vogelzwitschern. Rund 40 verschiedene Vogelstimmen kann er nachahmen.
Vogelgesang ohne Hilfsmittel
Das Vogelzwitschern als Hobby begleitet Wolfertstetter schon lange. Bereits mit neun Jahren begann er, Vogelrufe nachzupfeifen. Über die Jahre verfeinerte sich seine Technik. Und bis heute begeistert ihn das Zwitschern. "Das Schönste ist, dass ich das immer und überall machen kann, weil ich nichts dazu brauche", sagt Wolfertstetter, "ich brauch' kein Instrument dazu, nur Zunge, Zähne und Lippen. Und wenn du mich um drei in der Früh aufweckst, dann kann ich das auch, das ist kein Problem."
Vogelzwitscherer soll Senioren aus Einsamkeit herauslocken
Es sind mehr Menschen gekommen, als bei manch anderer Veranstaltung in der Seniorenbegegnungsstätte. Und was erst mal einfach nach einem vergnüglichen Nachmittag klingt, hat durchaus einen ernsten Hintergrund. Die Seniorenbegegnungsstätte ist laut Sozialpädagogin Lena Schmid ein wichtiger Bestandteil in Stadt und Landkreis Rosenheim, um Einsamkeit und Isolation zu vermeiden.
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Auch deswegen haben sie Wolfertstetter hierher eingeladen. "Solche Events sind ein sehr niederschwelliges Angebot, um unter Leute zu kommen", sagt Schmid. Sie leitet die Seniorenbegegnungsstätte. Laut ihrer Einschätzung leiden viele Senioren unter Einsamkeit, auch wenn wenige das so offen ansprechen. Einsamkeit sei ein Thema, das viele Menschen im Alter betreffe, nicht nur in Rosenheim.
Das Zwitschern bringt Kindheitserinnerung zurück
Das Thema Natur eignet sich laut Schmid besonders gut, um Senioren in die Begegnungsstätte und damit zumindest ein Stück weit wieder unter Leute zu bringen. "Viele haben eine persönliche Beziehung zur Natur, viele Senioren verbinden damit Kindheitserinnerungen – Ausflüge in die Natur, Erholung, Ruhe", so Schmid. Und diese Kindheitserinnerungen sollen mit Wolfertstetters Vogelgezwitscher aufleben.
Durch den Vogelzwitscherer sind auf jeden Fall ein paar unter den Gästen, die Schmid bisher noch nie in der Begegnungsstätte gesehen hat. Auch Inge Lechner und ihre Nachbarin Helga Lemmlein sind eigentlich noch keine Stammgäste. Der Vogelzwitscherer ist der Grund für ihr Kommen. Aber bei ihrem heutigen Besuch heute wird es wohl nicht bleiben. "Das werden wir auch in Zukunft machen, dass wir das Angebot hier nutzen", sagt Lechner.
Zuhörer bringen Wunsch nach Lieblingsvogel mit
Ob sich sein Gezwitscher aber wirklich wie die echte Amsel, Nachtigall oder Meise anhört – davon wollen sich die Zuhörerinnen und Zuhörer selbst überzeugen. "Ich höre Vögel sehr gerne und lass mich jetzt mal überraschen, ob es so ist wie in meinem Garten zuhause", sagt Claudia Pichlmeier. Und die Anwesenden wollen nicht nur irgendwelche Vögel hören – manche von ihnen bringen auch einen konkreten Wunsch mit.
Renate Hartmann hofft auf die Stimme des Pirols, ein leuchtend gelber Singvogel mit schwarzem Schwanz und rotem Schnabel. "Normalerweise ist der Pirol immer bei uns am Happinger See, aber obwohl er sonst Anfang Mai kommt, habe ich ihn dieses Jahr noch nicht gehört", sagt Hartmann. Deswegen setzt sie auf Wolfertstetters Version ihres Lieblingsvogels.
Wolfertstetters Favorit: Die Amsel
Rund 20 verschiedene Vogelstimmen präsentiert Wolfertstetter in der Begegnungsstätte. Vom Buchfink über die Drossel, den Turmfalken bis hin zum Pirol. Wolfertstetters persönlicher Favorit ist aber die Amsel. "Weil die Amsel keine feste Melodienfolge hat", erklärt Wolfertstetter. So kann sich der Imitator kreativ austoben.
Zu fast jedem Vogel, den er präsentiert, erzählt Wolfertstetter eine Anekdote oder einen kleinen Witz. Die Zuhörer lauschen gebannt und lachen viel über seine Scherze. "Ich weiß nicht, ob ihr das wisst, aber es gibt verschiedene Drosselarten", sagt Wolfertstetter, "da gibt es die Singdrossel, die Misteldrossel – vielleicht habt ihr auch schon mal von der Schnapsdrossel gehört?"
Senioren begeistert von Zwitscherkunst
Die Senioren dürfen Wolfertstetter aber nicht nur lauschen – beim Ruf der Taube werden sie selbst zu Vogelzwitscherern. Unter Anleitung formt jeder mit den Händen eine Kugel, sodass ein Hohlraum zwischen den Händen entsteht. "Nur bei den Daumen lassen wir ein Loch, da blasen wir rein und dann kommt eine Taube raus", sagt Wolfertstetter. Auch wenn das Nachzwitschern der Taube nicht bei allen funktioniert - von der Vogelzwischerkunst beeindruckt sind die Senioren dennoch. "Wenn du die Augen zu machst, dann meinst, der Vogel is wirklich da", sagt Inge Lechner nach Wolfertstetters Auftritt. Und Kathi Weiß zeigt sich vor allem von einer Sache fasziniert: "Dass er sich nicht verzwitschert.“
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