Es ist einer der größten Warnstreiks bayerischer Lokalzeitungen seit Langem. Mitarbeitende der Zeitungen kämpfen für bessere Löhne. In München beteiligen sich Hunderte Zeitungsredakteure von Münchner Merkur, tz und Süddeutscher Zeitung. Das bisherige Angebot der Verleger halten viele für eine Provokation. Vor allem jüngere Redakteurinnen und Redakteure kämen schlecht weg, kritisiert Dirk Walter vom Münchner Merkur. "Und das ärgert mich wirklich, weil damit gehen sie uns verloren. Sie wandern ab zu Pressestellen und Marketingagenturen."
- Zum Artikel: Wie weit dürfen Streiks gehen?
Verena Möckl vom Münchner Merkur ist eine dieser Jungen. Die 30-Jährige erklärt, warum sie trotz schlechter werdenden Bedingungen als Journalistin arbeitet: "Ich habe diesen Beruf ergriffen, weil ich finde, dass Journalisten Menschen eine Stimme geben und die Lobby des Volkes sind."
Lokaljournalisten erleben Arbeitsverdichtung
Auch in Nürnberg, Aschaffenburg, Wolfratshausen machen die Gewerkschaft Verdi und der Bayerische Journalistenverband mit Warnstreiks Druck in den Tarifverhandlungen. In Nürnberg streiken Mitarbeitende von den Nürnberger Nachrichten und der fränkischen Landeszeitung. Sie erleben eine große Verdichtung ihrer Arbeit. "Wenn ich auf einer Pressekonferenz bin, soll ich mitschreiben und parallel noch ein Video mit dem Smartphone erstellen", sagt Redakteur André Ammer. "Da leidet die journalistische Qualität, wenn man sich nicht auf eine Sache konzentrieren kann." Andere Journalisten erzählen, dass sie oft unbezahlte Überstunden machen, damit ein Artikel gut wird.
Branche befindet sich in tiefgreifender Umstrukturierung
Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) argumentiert, die Branche befinde sich in einer tiefgreifenden Umstrukturierung. "Die Umstellung auf digitale Inhalte bedeutet, dass wir sehr viel Geld als Verlagsunternehmen in die Hand nehmen müssen, bei gleichzeitiger Kostenbelastung, die auch nach oben getrieben wird durch die Inflation", sagt Verhandlungsführer Georg Wallraf. Der Tarifvertrag müsse auch auf die Betriebe Rücksicht nehmen, die es wirtschaftlich besonders schwer hätten. Anfragen des BR an zwei regionale Zeitungsverlage, warum sie nicht mehr bezahlen können oder wollen, etwa außerhalb des Manteltarifs, blieben unbeantwortet.
Lokalzeitungen in der Krise
Die bayerische Zeitungslandschaft steht, wie in vielen anderen Regionen Deutschlands, vor erheblichen wirtschaftlichen Herausforderungen. Vor allem junge Leute nutzen lokale Zeitungsangebote weniger - ob gedruckt oder digital. Auflagen und Werbeeinnahmen sinken, Stellenabbau und Verdrängungswettbewerb nehmen zu. Während größere Medienmarken die Verluste mit Abos ihrer digitalen Ausgaben zumindest teilweise auffangen können, gelingt dies bei kleineren Zeitungen weniger gut. Dort steigen auch die Preise für Zeitungsabos, wie Zahlen des BDZV zeigen.
Interesse an Lokalberichterstattung groß
Dabei zeigen Studien, etwa vom Eichstätter Journalistik-Professor Klaus Meier, dass eine große Nachfrage nach kritischer, lokaler Berichterstattung besteht. Und: Lokaljournalismus genießt grundsätzlich Vertrauen, weil er nahe dran ist an den Menschen und einfacher überprüft werden kann.
Geheimrezept noch nicht gefunden
Dass unabhängige Berichterstattung lokal wie überregional wichtig ist, darin sind sich Verlage und Mitarbeiter einig. Doch die Frage, wie man Lokalzeitungen in Zukunft finanzieren soll, macht viele ratlos, sagt Journalistin Christina Merkel von den Nürnberger Nachrichten. "Keiner hat so richtig das Geheimrezept, wie man es schaffen kann, dass Leute für guten Journalismus bereit sind, gutes Geld zu bezahlen - das wär das Beste."
Gewerkschaften und Verleger liegen weit auseinander
Während die wirtschaftliche Zukunft des Lokaljournalismus ungewiss bleibt, kämpfen die Beschäftigten bereits jetzt für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne. Es werde "intensivierte Streiks brauchen, damit sich die Verlegerseite nennenswert vom Fleck bewegt", erklärte Verdi-Verhandlungsführer Matthias von Fintel. Er warnte vor Reallohnverlusten, einer zu langen Laufzeit und diversen Abstrichen im Tarifvertrag. Verdi fordert für die Journalisten 12 Prozent mehr Gehalt, der Bayerische Journalistenverband verlangt mindestens 10,5 Prozent - bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Bisher bieten die Zeitungsverleger aber erst 120 Euro an zum 1. Januar 2025 sowie eine Gehaltserhöhung in zwei Stufen: eineinhalb Prozent im nächsten Jahr und noch einmal 1 Prozent im August 2027 – bei einer Laufzeit von insgesamt drei Jahren. Am Donnerstag gehen die Verhandlungen zwischen Verlagen und Gewerkschaften in Düsseldorf weiter.
Im Video: Warnstreiks bei bayerischen Zeitungen
Warnstreiks bei bayerischen Zeitungen
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