Seit 1999 lebt Werner Schmidt aus Oberfranken in New York. Am 11. September 2001 war er auf dem Weg zur Arbeit, ins deutsche Generalkonsulat in Manhattan rund sechs Kilometer nördlich des Anschlagsortes. Er sah wie das zweite Flugzeug in das World Trade Center krachte und war wie gelähmt.
"Da stieg so dieses kalte Gefühl hoch, dass das wohl kein Unfall war, sondern dass das geplant war und dass das was andres war. Wenn ich aus dem Fenster sah, ich hatte mein Büro im 14. Stock, in unserer Teeküche in Richtung Downtown da sah man dann den Rauch." Werner Schmidt, Koordinationsbeauftrager UNO
Der Unglaube über das, was er sah, wich schnell einer Todesangst um seine Tochter. Die Achtjährige war mit dem Schulbus durch Downtown Manhattan nach Brooklyn unterwegs, nahe des World Trade Centers. Die Minuten der Ungewissheit fühlten sich wie Stunden an bis die erlösende Nachricht kam, dass seine Tochter sicher in der Schule angekommen war: "Solange ich das nicht wusste, das war schlimm, das war sehr sehr schlimm."
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Sein Team entschied: Wir halten die Stellung
Damals arbeitete er als Pressereferent für das deutsche Generalkonsulat. Obwohl die meisten Gebäude um ihn herum evakuiert wurden, inklusive des UNO Hauptquartiers, entschieden er und sein Team, die Stellung zu halten. So groß war das Mitgefühl für diejenigen Deutschen, die sich um Familienmitglieder sorgten und auf Antwort aus dem deutschen Generalkonsulat hofften. Das Telefon klingelte pausenlos. Am Apparat waren besorgte Familienangehörige und deutsche Medien.
Schrecken - abstrakt und doch tödlich
Nur ein paar hundert Meter entfernt stand Silke Rapelius auf einer Baustelle. Vor 22 Jahren kam sie aus München nach New York, um hier als Architektin zu arbeiten. Sie hat die Angriffe mit eigenen Augen gesehen.
"Wir hatten ziemlich klaren Blick auf die Situation, da wo wir waren und haben dann gesehen wie der zweite Turm eingestürzt ist und das war so richtig furchtbar war das. Richtig richtig furchtbar, weil auf der einen Seite war es ganz abstrakt, dass da in Ferne so ein Gebäude einfach in Schutt und Asche in sich zerfällt und auf der anderen Seite waren da ja Leute drin." Silke Rapelius, Architektin
Knapp 3.000 Menschen mussten an diesem Tag ihr Leben lassen, darunter elf Deutsche.
"Wie eine geschlagene Armee"
Werner Schmidt und Silke Rapelius haben die Anschläge unabhängig voneinander erlebt und doch verbinden sie ganz ähnliche Erinnerungen.
"Es war so unheimlich ruhig. Und es war nur dieser Geruch von diesen verbrannten Kabeln und dieser Aschegeruch war auch in der Luft und es hat auch einen leichten Leichengeruch dabei gehabt. Das war auch furchtbar. Und es kamen auf einmal die Menschenmengen von Downtown hochgelaufen. Die waren staubbedeckt, überall", erinnert sich Silke Rapelius.
Auch Werner Schmidt sah aus seinem Büro Tausende Menschen entlang der 1st Avenue nach Norden laufen: "Die sahen alle ganz grau und weiß aus, bedeckt von Staub von der Staubwolke, die da vom einstürzenden World Trade Center kam. Das war ein sehr sehr prägendes Bild. Das sah aus wie die Soldaten einer geschlagenen Armee nach einer verlorenen Schlacht."
Was tun mit dem silbrigen Staub?
Silke Rapelius machte sich am Mittag auf den Heimweg, in ihre Wohnung in Brooklyn. Die Fenster waren geöffnet, die Möbel alle mit silbrigem Staub bedeckt. "Also ich hab mir dann einen Eimer geholt und einen Schwamm geholt und fing an den silbrigen Staub so aufzuwischen auf den Möbeln und ich hab dann einfach nur angefangen zu heulen wie so ein Schlosshund, weil mir fiel dann auf, dass ich diese Staubschicht jetzt nicht einfach in einen Eimer tun soll, sondern dass ich jetzt rausgehen muss und die irgendwo begraben muss, weil das ist nicht nur Gebäudestaub. Das sind Dinge, die irgendwo beerdigt werden müssen."
New York hat sich erholt von dem Schmerz
Der Schmerz sitzt tief, New York wurde ins Herz getroffen. In den letzten 20 Jahren jedoch hat sich die Stadt erholt und strahlt heute eine neue Stärke aus. Das macht sich auch in der Architektur bemerkbar. Das One World Trade Center gilt als unverwüstbar, ein Wahrzeichen aus Beton und Panzerglas. Als Architektin gestaltet Silke Rapelius das neue New York aktiv mit.
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