Große Firmen in der EU sollen für Kinder- oder Zwangsarbeit sowie für Umweltverschmutzung ihrer internationalen Lieferanten verantwortlich gemacht werden - unter anderem das sieht der Richtlinienentwurf zum geplanten EU-Lieferkettengesetz vor. Das Europaparlament stimmt an diesem Donnerstag über seine Position dazu ab. Ende des vergangenen Jahres hatten sich die EU-Staaten bereits auf ihren Standpunkt zu dem Vorhaben festgelegt. Parlament und Mitgliedstaaten müssen sich nach der Abstimmung dann noch auf einen gemeinsamen Kompromiss einigen.
Die Abgeordneten wollen dem aktuellen Entwurf zufolge unter anderem mehr in der EU ansässige Unternehmen in das Lieferkettengesetz einbinden, als ursprünglich geplant. So sollen die Vorgaben schon für Firmen in der EU mit mehr als 250 Mitarbeitenden und einem weltweiten Umsatz von über 40 Millionen Euro gelten.
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Strenger als das deutsche Gesetz? Was im ursprünglich Entwurf geplant war
Ursprünglich war in dem Anfang 2022 vorgelegten Entwurf der Europäischen Kommission vorgesehen, dass das Lieferkettengesetz zunächst nur Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten und mit über 150 Millionen Euro Umsatz betreffen sollte. Strengere Regeln waren für Konzerne geplant, die in Sektoren arbeiten, bei denen das Risiko von Ausbeutung und Umweltzerstörung höher ist - etwa die Textilindustrie, Bergbau oder Landwirtschaft.
Die EU-Vorschriften könnten strenger ausfallen als das seit 2023 geltende deutsche Lieferkettengesetz, das hierzulande für Unternehmen mit mehr als 3.000 Angestellten gilt. Das Ziel ist der Schutz der Menschenrechte sowie der Umweltschutz in globalen Lieferketten.
"Unkalkulierbares Haftungsrisiko": Industrie- und Handelskammer warnt
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) kritisierte, dem Gesetzesentwurf fehle es an Praxistauglichkeit, Verhältnismäßigkeit und Rechtssicherheit. "Das Lieferkettengesetz bürdet den Unternehmen ein neues und unkalkulierbares Haftungsrisiko auf: Von ihnen wird eine Kontrolle erwartet, die außerhalb ihrer eigenen Einflussmöglichkeiten liegt", sagte DIHK-Präsident Peter Adrian. Lieferketten bestünden oft aus mehreren hundert, teils mehreren tausend Firmen. In der Regel sei einem Betrieb aber nur der direkte Zulieferer bekannt. Kleine und mittlere Unternehmen würden "komplett überfordert" mit den geplanten Richtlinien.
Der Arbeitgeberverband BDA warnt vor zusätzlicher Regulierung und einer Abwanderung von Unternehmen. "In Krisenzeiten brauchen Unternehmen Flexibilisierung und Spielräume für Innovationen – und weniger Bürokratie aus Brüssel", sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Donnerstag). "Doch der Vorschlag des EU-Parlaments zum Thema Lieferketten bringt wieder lediglich mehr Regulierung – und keinen zusätzlichen Schutz für Menschenrechte."
Wer Lieferketten "kaputt bürokratisiert", verursache nicht weniger als De-Globalisierung." Das zeigten bereits erste Erfahrungen mit dem deutschen Lieferkettengesetz. "Unternehmen kündigen an, wegen des Gesetzes Märkte zu verlassen", warnt Kampeter und bezog sich dabei auf eine Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer.
"Absoluter Tiefpunkt": Großhandelsverband sieht Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr
Auch Dr. Dirk Jandura, Präsident des Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) betont: "Die geplante Europäische Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) ist für die Außenhandelsnation Deutschland ein absoluter Tiefpunkt. Die Vorhaben des Europäischen Parlaments schießen völlig über das Ziel hinaus und übertreffen selbst noch das verunglückte deutsche Lieferkettengesetz. Die heute zur Abstimmung gestellten Änderungsanträge machen den Entwurf nur marginal besser."
Jandura weiter: "Die geplante Richtlinie ist für den Mittelstand schlichtweg nicht leistbar und stellt eine bürokratische Überforderung dar. Wir fordern daher die Bundesregierung auf, sich in den anstehenden Trilog-Verhandlungen für eine generelle Ausnahme von kleineren und mittleren Unternehmen (KMU), eine Maximalharmonisierung der nationalen Richtlinien und eine Beschränkung der zivilrechtlichen Haftung einzusetzen." In seiner jetzigen Form schädige die Richtlinie die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen - insbesondere in den besonders schützenswerten Regionen der Welt.
Nicht mit zweierlei Maß messen: Europa-SPD-Politiker betont Chance
Tiemo Wölken, rechtspolitischer Sprecher der Europa-SPD, sieht in dem EU-Gesetz hingegen die Chance, dafür zu sorgen, dass nicht mit zweierlei Maß gemessen werde, "sondern dass wir dafür sorgen, dass Menschenrechte und Umweltschutz überall auf der Welt gleichermaßen gelten". Die Initiative Lieferkettengesetz argumentiert, dass man die Richtlinie gerade wegen der aktuellen Krise benötige. Unternehmen könnten dazu beitragen, diese zu meisten, ohne die Schwächsten im Stich zu lassen. "Dabei können Unternehmen, die ihre Lieferketten besser kennen, leichter auf Krisen reagieren", heißt es auf der Website der Initiative. Untersuchungen, u.a. der OECD, zeigten demnach dass sozial und ökologisch handelnde Unternehmen mit der Corona-Krise besser umgehen konnten. Gleichzeitig hätten sie mittel- bis langfristig bessere Aussichten, sich von der Krise wieder zu erholen.
Zudem sei es nötig, auch kleinere Unternehmen einzubeziehen. Sie hätten im Normalfall weniger Zulieferer und Geschäftspartner als Großunternehmen und könnte deshalb intensivere sowie nachhaltige Geschäftsbeziehungen aufbauen. Diese seien nötig, um Menschenrechte und Umweltschutz zu fördern. "Deutsche Mittelständler sind heute bereits in der Lage, ihre Zulieferketten sehr gut zu organisieren. Sonst wären sie nicht so erfolgreich. Und wer eine hervorragende Qualität seiner Produkte in technischer Hinsicht garantiert, wird auch dazu in der Lage sein, wenn es um Löhne, Arbeitszeiten und Brandschutz bei den wesentlichen Zulieferern geht", wird Ökonom und Wirtschaftsweise Achim Truger zitiert.
Mit Informationen von dpa und epd
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