Landwirte in Deutschland und damit auch in Bayern sind in Aufruhr: Sie demonstrieren, blockieren Straßen und Autobahnzufahrten mit Traktoren, stören massiv den Straßenverkehr. Nach Angaben der Polizei waren zum Auftakt der bundesweiten Protestwoche in vielen Städten und Regionen insgesamt zehntausende Traktoren unterwegs.
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Die ursprünglich geplanten Subventions-Kürzungen und der Wegfall der KFZ-Steuerbefreiung bei landwirtschaftlich genutzten Fahrzeugen stießen vielen Landwirten so bitter auf, dass der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, im Dezember Proteste ankündigte, "wie es das Land noch nicht erlebt hat". Er bat die von den Aktionen betroffenen Menschen um Verständnis.
Bundesregierung bleibt dabei: Steuerbegünstigung beim Agrardiesel für Landwirte schrittweise abbauen
Trotz dieser heftigen Proteste zieht die Bundesregierung ihre Sparpläne für Landwirte weitestgehend durch. Die Ampel-Koalition hat jetzt mehrere Maßnahmen aus dem Sparpaket zum Haushalt 2024 auf den Weg gebracht, darunter auch die heftig umstrittenen Subventionskürzungen für Landwirte. Die Sparmaßnahmen sind nötig, weil nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine Finanzlücke von rund 30 Milliarden Euro im Kernhaushalt und im Klima- und Transformationsfonds zu stopfen war. Die Steuerbegünstigung beim Agrardiesel soll nun schrittweise abgeschafft werden.
Bisher können sich Landwirtschaftsbetriebe die Energiesteuer für Diesel teilweise zurückerstatten lassen - mit einer Vergütung von 21,48 Cent pro Liter. Ursprünglich wollte die Ampel-Koalition diese seit 1951 gewährte Hilfe sofort komplett streichen. Jetzt bekommen die betroffenen Betriebe mehr Zeit zur Anpassung. In diesem Jahr wird der Entlastungssatz um 40 Prozent reduziert, in den Jahren 2025 und 2026 jeweils um weitere 30 Prozent. Für im Jahr 2026 verbrauchte Mengen soll es keine Subvention mehr geben.
Die ursprünglich geplante Streichung der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirte hatte die Ampel-Koalition bereits in der vergangenen Woche zurückgenommen – wohl als Reaktion auf die heftigen Proteste der Landwirte.
Sparmaßnahmen der Regierung: Wie schlimm für Landwirte?
Die Kommentarspalten unter Online-Artikeln zeigen: Nicht-Landwirte wollen wissen, wie existenzgefährdend die geplanten Einsparungen der Regierung wirklich sind.
Tatsächlich kursieren sehr unterschiedliche Zahlen. So sagt Milchbauer Simon Sedlmair aus dem Dachauer Land, dass er allein durch eine Streichung der Agrardiesel-Vergünstigung 13.000 Euro verloren hätte. Andere sagen, es hätten um die 2.000 Euro pro Jahr gefehlt. Wieder andere sagen, sie hätten ihren Betrieb dichtmachen müssen, wenn die Subventionen unmittelbar wegfallen würden.
Zahlen sind kaum vergleichbar
Auch der Kreisobmann des Bauernverbandes für Weißenburg-Gunzenhausen, Erich Auernhammer, hätte das nicht ausgeschlossen: "Für einen durchschnittlichen Landwirt mit 100 Hektar Fläche hätte das Mehrkosten von 6.000 bis 8.000 Euro im Jahr bedeutet."
Agrar-Ökonom Marin Odening von der Humboldt-Universität Berlin kommt auf ähnliche Zahlen. In Relation zum Durchschnittsverdienst in der Landwirtschaft hätten Landwirte etwa zehn Prozent des Jahreseinkommens verloren. Im Durchschnitt sei das zwar nicht existenzbedrohend, aber substanziell einschneidend gewesen, so der Wissenschaftler.
Sind bayerische Bauern besonders betroffen?
Wie existenzgefährdend die nun geplanten Maßnahmen für Landwirte sind, könne nur jeder Landwirt selbst beantworten, sagt Pressesprecher Markus Drexler vom Bayerischen Bauernverband. Denn: Die Gewinnspanne sei von Betrieb zu Betrieb extrem unterschiedlich, je nachdem wie er aufgestellt ist. Ist es ein reiner Ackerbaubetrieb oder gehört Milchvieh dazu? Wie groß ist der Betrieb, und wie weit sind die Fahrtwege zu den Flächen? Wie viel Traktoren und andere Landmaschinen sind täglich im Einsatz?
Zum Beispiel braucht ein Milchviehbetrieb pro Hektar im Jahr 30 bis 40 Prozent mehr Diesel als ein reiner Ackerbauer, weil der Milchbauer fürs Futter oft mit dem Traktor rausfahren muss. Und Gartenbaubetriebe geben überdurchschnittlich viel Geld für Treibstoff pro Hektar aus, denn die Arbeiten sind sehr kleinteilig und dauern unter Umständen länger als etwa Fahrten zum Düngen auf einen großen Acker.
Bauernverband: Kein weitreichendes Höfesterben erkennbar
Auch wenn sich keine pauschalen Aussagen machen lassen: Bayerns Landwirte könnte der schrittweise Wegfall der Agrardiesel-Subventionierung besonders treffen. Denn bayerische Höfe sind mit durchschnittlich gut 36 Hektar Fläche im Deutschlandvergleich die kleinsten. Der bundesweite Schnitt liegt bei etwa 64 Hektar, in Mecklenburg-Vorpommern hat der Durchschnittsbetrieb eine Fläche von mehr als 270 Hektar.
Weil kleine Höfe meist kleinere Gewinnspannen haben und weniger abfedern können, könnten bayerische Bauern mit kleinen Strukturen größere Probleme bekommen als Betriebe anderswo, sagt Drexler. Ein weitreichendes Höfesterben sieht er allerdings nicht kommen.
Es geht um Emotionen und Wertschätzung
Andere schließen das nicht aus. Die ursprünglich geplanten Subventionskürzungen seien der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe, erklärt Kreisobmann Auernhammer. Denn den meisten Landwirten gehe es nicht nur ums Geld. Vielmehr sehen sie sich seit Jahren von der Bundesregierung und der EU bedroht, weil sie immer mehr Auflagen bekommen.
"Auf uns wird jedes Jahr neu draufgedroschen. Wir haben jetzt die vier Prozent Stillegungs-Pflicht auf unseren Flächen. Bald jeden Monat wird uns etwas auferlegt, wir können nimmer", sagt Landwirt Mathias Rottler aus dem mittelfränkischen Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen.
Wie steht die deutsche Landwirtschaft nun da?
Bei der Subventionierung von Agrardiesel befindet sich Deutschland im EU-Vergleich derzeit im Mittelfeld. Hierzulande zahlen Landwirte derzeit 25,56 Cent an Steuern pro Liter (Vergütung schon abgezogen). Die Unterschiede zu den Nachbarländern sind teils beträchtlich. So zahlt Dänemark nur 6,95 Cent an Steuern pro Liter, Belgier entrichten gar keine Steuern auf den Agrardiesel. Österreich und Frankreich hingegen zahlen knapp 40 Cent. Wenn die Subventionen hierzulande bis 2016 gestrichen würden, hätte Deutschland mit dem vollen Steuersatz von 47,04 Cent/Liter die zweithöchste Steuerlast hinter den Niederlanden (50,36 Cent/Liter). Experten weisen aber darauf hin, dass die Steuerlast beim Agrardiesel nur bedingt aussagekräftig ist, denn es gebe in jedem Land unterschiedliche Begünstigungen für die Landwirtschaft.
Wie hart trifft es die Bio-Bauern?
Manche befürchten, dass durch eine sukzessive Subventionsstreichung vor allem Bio-Landwirte benachteiligt werden. Denn im Ökolandbau werden weniger Spritzmittel eingesetzt, so dass unter Umständen mehr mechanische Arbeiten mit dem Diesel-Traktor notwendig sind.
Die Zahlen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft malen aber ein anderes Bild. 2020 kam bei einer Untersuchung zur wirtschaftlichen Lage landwirtschaftlicher Betriebe heraus, dass Ökobauern im Mittel weniger Geld für Treibstoffe ausgeben, nämlich 118 Euro pro Hektar – der Schnitt über alle Anbauarten hinweg liegt bei 138 Euro.
Auch Peter Röhrig vom Bund der Ökologischen Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) befürchtet nicht, dass die Öko-Bauern mehr benachteiligt wären als die konventionellen Kollegen. Röhrig wirft der Regierung trotzdem vor, den falschen Weg einzuschlagen. Statt der ganzen Landwirtschaft einfach Geld wegzunehmen, sollten die richtigen Akzente gesetzt werden, damit die Landwirtschaft nachhaltig umgebaut werden kann. Zum Beispiel müsse vor allem der Einsatz von Pestiziden und Stickstoff-Dünger teurer werden, denn die Folgekosten seien für uns alle sehr teuer. Röhrig will, dass die Landwirtschaft wegkommt von fossilen Energien, und zwar mit planbaren Schritten für die Landwirte -und nicht mit der Brechstange.
Video: Lohnt sich das? Was verdient ein Landwirt?
Dieser Artikel ist erstmals am 19. Dezember 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.
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