Bauernproteste: Demonstranten mit Schildern
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So viel Einfluss haben die Bauern auf die Politik

So viel Einfluss haben die Bauern auf die Politik

Die Bauernschaft bringt mit ihren Fahrzeugen schnell großen Druck auf die Straße. Aber viele Landwirte fühlen sich seit Jahren von der Politik nicht ausreichend gehört. So groß ist die Macht des Bauernverbands auf die deutsche Politik.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Der Bauernverband "ist immer noch eine der mächtigsten Interessensorganisationen in der Bundesrepublik", sagt Peter Feindt, Professor für Agrar- und Ernährungspolitik an der Humboldt-Universität in Berlin. Er hat mehrere Fallstudien zu Reformprojekten im Agrarbereich gemacht. Die Regeln, die am Ende politisch verabschiedet wurden, "die waren sehr nah dran an den Positionen, die der Bauernverband am Anfang bezogen hatte." Die Studien zeigen, dass die Bauernschaft ihre Interessen gut durchsetzen konnte.

Lobbyarbeit des Bauernverbands mit großer Wirkung

Das Gefühl der Landwirte ist aber oft genau andersherum. Sie kritisieren immer stärkere Auflagen beim Umwelt- und Tierschutz. Trotzdem sieht Professor Feindt die Lobbyarbeit des Bauernverbands als großen Erfolg, denn "der Veränderungsdruck war noch sehr viel größer". Gemessen an den ursprünglichen Vorschlägen seien die Vorschriften am Ende sehr abgeschwächt worden. Sie seien anspruchsloser und mit vielen Ausnahmeregelungen.

Dass die Landwirte sich dennoch benachteiligt fühlen, liegt aus Sicht von Feindt zum einen daran, dass "die Bauern sich als machtlos erfahren, weil sie das schwächste Glied in der Kette sind". Sie fühlen sich zerrieben, zwischen einerseits sehr starken Dünge- und Pflanzenschutzfirmen, die Preise ihrer Produkte diktieren, und mächtigen Handelsverbänden andererseits, die die Lebensmittelpreise drücken. Außerdem gibt es Feindt zufolge durchaus mehr bürokratische Lasten, die Mehrarbeit und Kosten verursachen. Die Landwirte könnten das aber nicht in höhere Preise für ihre Produkte ummünzen.

Landwirte tief verwurzelt in Politik

Woher der Einfluss der Bauernschaft kommt, hat Guido Nischwitz vom Institut Arbeit und Wirtschaft an der Uni Bremen erforscht. Er hat 2019 dazu eine Studie im Auftrag des Naturschutzbundes Deutschland durchgeführt. Ihren Einfluss übt die Bauernschaft teils direkt aus: in den Parlamenten.

Landwirte sitzen als Abgeordnete im Bundestag oder im bayerischen Landtag. Gleichzeitig üben sie eine Funktion im Bauernverband aus, zum Beispiel als Kreisobmann. Das hat auch historische Gründe. Denn der Bauernverband ist tief verwurzelt im ländlichen Raum – mit vielen Orts- und Kreisverbänden. Die Kreisbauern sind dann oft noch in anderen Ämtern aktiv, im Gemeinderat, in Parteien und eben in den Parlamenten.

Bauern stark vertreten in Parlamenten

In der vergangenen Legislaturperiode waren im bayerischen Landtag überdurchschnittlich viele Landwirtinnen und Landwirte vertreten, wie eine Erhebung von BR24 zeigt. Während weniger als zwei Prozent der arbeitenden Bevölkerung aus der Landwirtschaft kommen, besteht der Landtag zu zehn Prozent aus Landwirten – für die CSU, die Freien Wähler und die Grünen. In Schleswig-Holstein ist der oberste Bauernvertreter vor kurzem ins Ministerium gewechselt – er ist jetzt Landwirtschaftsminister.

Die Bauern besetzten in den Parlamenten die entsprechenden Ausschüsse, sagt Wissenschaftler Nischwitz. "Und bestimmen damit maßgeblich die Politik, die sie dann sehr eng mit ihren Verbänden abstimmen", so Nischwitz. Er sieht da eine besondere Situation, die sich von anderen Interessenvertretungen abhebt, die im Gesetzgebungsverfahren angehört werden: "Der Vorteil der Bäuerinnen und Bauern ist, mittendrin im Prozess zu sitzen und Entscheidungen sehr stark mitzubeeinflussen."

Deutscher Bauernverband vertritt fast alle Landwirte

Die immer noch mit Abstand größte Vertretung der Bauernschaft ist der Deutsche Bauernverband mit zahlreichen Mitgliedsverbänden. Nach eigenen Angaben sind hier über 90 Prozent der knapp 300.000 landwirtschaftlichen Betriebe Mitglied. Daneben gibt es kleinere Verbände, zum Beispiel den Bund der deutschen Milchviehhalter, der den Unmut der Milchbauern auffing, als diese sich vom Bauernverband nicht mehr genug vertreten fühlten.

Bei den letzten großen Bauernprotesten 2019 – damals protestierten die Landwirte gegen strenge Regeln beim Düngen, die für weniger Nitrat im Grundwasser sorgen sollten – hat sich als neue Gruppe "Land schafft Verbindung" etabliert. Eine kurze Zeit sah es so aus, als würde die Macht des Bauernverbands bröckeln. Doch nach kurzer Zeit und mit Beginn der Corona-Pandemie hörte man deutlich weniger von der neuen Gruppe.

Lobbyarbeit: Bauernverband gibt knapp vier Millionen Euro aus

Hauptansprechpartner für die Politik bleibt der Bauernverband. Laut Lobbyregister des Bundestags gab der Deutsche Bauernverband für seine Lobbyarbeit im Jahr 2022 mindestens 3,82 Millionen Euro aus. Der Bauernverband nimmt unter anderem an verschiedenen Parteitagen teil. "Dieses Format erweist sich als überaus positiv für den politischen Dialog", heißt es dazu im Geschäftsbericht des Bauernverbands für das Jahr 2023.

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