Im Minutentakt werden Verletzte hierher gebracht. In das Al-Shifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt. Bei Tag und bei Nacht werden Menschen hier behandelt, so gut es geht. Während in der Umgebung Raketen einschlagen, wie Agenturbilder zeigen.
Al-Shifa – übersetzt heißt das: Haus der Heilung. Es ist das größte und wichtigste Krankenhaus im Zentrum von Gaza-Stadt. Damit liegt es im schwer umkämpften Norden des Küstenstreifens.
Die Gänge des Krankenhauses sind völlig überfüllt, Menschen schlafen auf dem Boden. Denn auch Zivilisten kommen hierher und suchen Schutz. Mehrere Zehntausend Menschen sollen sich aktuell in dem Klinik-Komplex aufhalten. In der Hoffnung, hier vor Einschlägen sicher zu sein. Sind sie das in einem Krankenhaus?
Karte: Übersicht des Gazastreifens
Hamas-Zentrale im Krankenhaus? Israel beruft sich auf Geheimdienstinformationen
Bei Angriffszielen im Krieg unterscheide das Völkerrecht klar zwischen zivilen und militärischen Objekten, sagt Prof. Christoph Safferling, Direktor der Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien. "Militärische Objekte sind solche, die einem militärischen Zweck dienen, die einem militärischen Zweck gewidmet sind und nur die dürfen bekämpft werden. Zivile Objekte dürfen grundsätzlich nicht bekämpft werden", erklärt Safferling, auch Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht, internationales Strafrecht und Völkerrecht an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Ein Krankenhaus ist per se eine zivile Einrichtung – aber ist es auch hier so? Israel wirft der militant-islamistischen Hamas vor, die Klinik für ihre Zwecke zu missbrauchen und beruft sich dabei auf Geheimdienstinformationen. "Es ist hier im Shifa-Krankenhaus, wo die Hamas einige ihrer Kommando- und Kontrollzellen betreibt. Hier befehlen sie ihre Raketenangriffe. Hamas-Terroristen sind hier und auch in anderen Kliniken im Gazastreifen aktiv. In den Gebäuden und auch darunter, mit einem Netzwerk aus Terror-Tunneln", so der israelische Militärsprecher Daniel Hagari.
- Zum Artikel: "Besetzung des Gazastreifens produziert neue Hamas"
Wird das Areal des Krankenhauses damit also zum militärischen Ziel? Völkerrechtlich muss immer eine Abwägung stattfinden – zwischen dem militärischen Nutzen eines Angriffsziels und möglichen Schäden in der Zivilbevölkerung. Safferling zufolge darf dieser Schaden "nicht überverhältnismäßig groß sein. Das sind dann die sogenannten Kollateralschäden. Es dürfen also keine unverhältnismäßigen Kollateralschäden entstehen – auch dann, wenn man ein grundsätzlich bekämpfbares, militärisches Ziel bekämpft." Seien die Kollateralschäden exzessiv, dürfe man es nicht bekämpfen. Ansonsten mache man sich eben strafbar, so der Professor für Völkerrecht.
Einschläge kommen immer näher
Der Direktor der Klinik nennt Israels Anschuldigungen, die Hamas nutze die Klinik für ihre Zwecke, einen "irreführenden Versuch", die Menschen aus dem Krankenhaus zu vertreiben.
Seit Beginn des Krieges ruft Israel die Zivilbevölkerung dazu auf, den Norden des Gazastreifens zu verlassen. Hunderttausende sind dieser Aufforderung bislang gefolgt. Doch viele sollen von der Terrororganisation Hamas an der Flucht gehindert worden sein.
Der Vorwurf von Israel: Die Hamas missbrauche die Zivilbevölkerung als menschlichen Schutzschild – so auch im Shifa-Krankenhaus. "Die Zivilbevölkerung als Schutzschilde zu missbrauchen, um militärische Anlagen, vermeintliche jedenfalls, vor Angriffen zu schützen, das ist ein Kriegsverbrechen, das ist gegen das humanitäre Völkerrecht, das darf nicht passieren", sagt Safferling. Die israelische Armee rückt immer weiter auf das Zentrum von Gaza-Stadt vor. Ein Ziel könnte sein, die Klinik zu umzingeln – vermuten Experten.
Währenddessen kommen die Einschläge im Umfeld des Krankenhauses immer näher. Mehrfach soll auch das Klinikgelände und die Umgebung schon getroffen worden sein. Al-Shifa – das Haus der Heilung. Und möglicherweise ein Zentrum der Kampfhandlungen im weiteren Verlauf des Krieges.
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