Die Aufschriften haben es in sich: "Deutschland, Deutschland über alles" oder "Terrorstaat Israel". Aufkleber mit diesen Botschaften sollen gut sichtbar in einem Gemeinschaftsraum der Burschenschaft "Teutonia Prag" in Würzburg angebracht gewesen sein. Bilder dieser Aufkleber sind BR24 zugespielt worden. Gegen Mitglieder der Studentenverbindung ermittelt derzeit die Staatsanwaltschaft Würzburg unter anderem wegen Volksverhetzung. Bei einem der Beschuldigten handelt es sich um den frisch gewählten AfD-Landtagsabgeordneten Daniel Halemba. Der Verfassungsschutz stuft die Studentenverbindung bislang nicht als rechtsextrem ein.
Rechtsextreme Botschaften auf Wandschrank
Die größtenteils rechtsextremen Aufkleber waren den Bildern zufolge auf einem Wandschrank befestigt. Sie stammen unter anderem von den Neonazi-Parteien "Der III. Weg" und "Die Rechte". Angebracht waren auch Aufkleber von rechtsextremen Gruppen wie der "Identitären Bewegung", "Ein Prozent" oder dem Neonazi-Textilvertrieb "Druck 18". Auf einem Sticker steht: "Das ganze Deutschland soll es sein". Daneben ist eine Landkarte abgebildet, die Umrisse des Deutschen Reichs bis 1914 zeigt.
Aus Ermittlerkreisen wurde BR24 bestätigt, dass sich der Wandschrank tatsächlich im Anwesen der "Teutonia Prag" befunden hat. Allerdings mit Abkratzspuren. Denn die Aufkleber waren nach BR24-Informationen vor der Razzia entfernt worden – augenscheinlich aber noch nicht lange vom Schrank abgenommen. Wie BR24 aus gut unterrichteten Kreisen erfuhr, sollen einige Burschenschafter im Vorfeld mit einer Razzia gerechnet haben.
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen AfD-Politiker Halemba
Im September hatte die Polizei die Räume der Burschenschaft durchsucht. Die Beamten haben neben Datenträgern unter anderem antisemitische Schriften und NS-Devotionalien sichergestellt. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurden auch Schlagringe, Schlagstöcke und eine Schreckschusswaffe in dem Anwesen gefunden.
Kurz nach der Landtagswahl gab die Staatsanwaltschaft bekannt, dass sie in dem Fall auch gegen den AfD-Politiker Daniel Halemba ermittelt. Der 22-Jährige wohnte in dem Anwesen und war bei der Razzia vor Ort. Für die AfD stand er bei der Landtagswahl in Unterfranken auf Listenplatz zwei. Seit vergangener Woche sitzt Halemba als jüngstes Mitglied im Bayerischen Landtag.
"Sieg Heil" im Gästebuch
Die Staatsanwaltschaft wirft Halemba unter anderem Volksverhetzung und das Verwenden von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen vor. Demnach fanden die Beamten in seinem Zimmer einen Befehl des früheren Reichsführers Heinrich Himmler. Dieser Ausdruck war laut Staatsanwaltschaft mit dem Zeichen der SS, einer paramilitärischen Einheit der NSDAP, versehen. In einem Gästebucheintrag sei der Ausspruch "Sieg Heil" gestanden, unterzeichnet mit dem Namen Halembas.
BR24 hat Daniel Halemba zweimal um Stellungnahme gebeten. Beide Male reagierte er nicht. Vergangene Woche erklärte er: "Ich habe mich nicht der Volksverhetzung und des Verwendens verfassungsfeindlicher Kennzeichen strafbar gemacht." Sollten Nazisymbole gefunden worden sein, seien ihm diese nicht zuzurechnen.
Würzburger Verbindungen distanzieren sich von "Teutonia Prag"
Nicht erst seit der Razzia im September genießt die "Teutonia Prag" in Würzburg einen zweifelhaften Ruf. Lange Zeit hatte sie ihr Verbindungshaus in Regensburg. Laut den am Amtsgericht Würzburg hinterlegten Vereinsunterlagen verlegte sie 2013 ihren Sitz nach Unterfranken. Die anderen Studentenverbindungen in der Universitätsstadt gingen schnell auf Distanz, sagt Matthias Stickler, Leiter des Instituts für Hochschulkunde an der Universität Würzburg: "Nach meiner Kenntnis hat die Burschenschaft 'Teutonia Prag' hier keinerlei Kontakte zu den anderen Verbindungen. Sie ist komplett isoliert." Bei mehreren Würzburger Verbindungen habe die "Teutonia Prag" Hausverbot. Als einzige Würzburger Verbindung gehört sie dem rechten Dachverband "Deutsche Burschenschaft" an.
Dominik Sauerer von der "Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus" beobachtet die Verbindung bereits seit mehreren Jahren: "Die Burschenschaft 'Teutonia Prag' muss man ganz klar am extrem rechten, politischen Rand einsortieren." Er sieht die Studentenverbindung in einer Reihe mit anderen rechtsextremen Burschenschaften in Bayern wie der Frankonia Erlangen oder der Danubia München.
Verfassungsschutz sieht Verbindungen zu AfD-Nachwuchs
Die "Teutonia Prag" ließ eine Anfrage zu den Ermittlungen und den Aufklebern in ihrem Verbindungshaus unbeantwortet.
Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV) teilt auf Anfrage mit, die "Teutonia Prag" nicht zu beobachten. Allerdings verfolge der Inlandsgeheimdienst die "aktuellen Entwicklungen rund um die Aktivitas der Burschenschaft Teutonia Prag zu Würzburg mit besonderer Aufmerksamkeit". Dem Landesamt aber seien Kontakte zwischen der Aktivitas (den aktiven Studenten) der Burschenschaft und der AfD-Jugendorganisation "Junge Alternative" (JA) aufgefallen. Die JA wird von der Behörde als rechtsextrem eingestuft.
Halemba weiterhin auf freiem Fuß
Ein Haftbefehl gegen Daniel Halemba ist weiterhin außer Vollzug gesetzt. Allerdings muss er sich einmal wöchentlich bei der Polizei melden. Gleichzeitig darf er mit Mitgliedern seiner Verbindung nicht mehr in Kontakt stehen. Die Ermittlungen in dem Fall werden voraussichtlich mehrere Monate dauern.
Halemba sucht unterdessen weiterhin die Öffentlichkeit. Beim Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter) warf er Vize-Kanzler Robert Habeck "Schuldkult" vor, nachdem dieser sich in einem Video mit Israel solidarisiert hatte. Halembas Account bei X ist in dieser Woche wegen des Verstoßes von "Gewaltandrohungen" gesperrt worden.
Solidarität von Rechtsextremen mit Halemba
Bereits kurz nach der Festnahme schrieb die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Junge Alternative (JA): "Unser JA-Mitglied wird der Volksverhetzung bezichtigt" und forderte "Freiheit für Daniel Halemba!" Unterstützung erhielt Halemba auch von der Initiative "Ein Prozent". Der Verein richtete ein Konto ein, um Spenden für Halemba zu sammeln. Auch dieser Verein wird vom Inlandsgeheimdienst als rechtsextrem eingestuft und beobachtet. Der Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke, den Halemba laut eines Interviews als politisches Vorbild bezeichnete, solidarisierte sich ebenfalls mit dem 22-Jährigen.
Abgesagte Solidaritäts-Demo für Halemba
Am vergangenen Samstag sollte es dann eine Solidaritätskundgebung für Halemba in Würzburg geben, organisiert vom bayerischen Landesverband der Jungen Alternativen (JA), der Halemba im Landesvorstand angehörte. Diese Versammlung wurde allerdings kurzfristig abgesagt. Die JA Deutschland teilte auf Facebook mit: Die Entscheidung gehe "aus Gesprächen mit mehreren in den Prozess involvierten Akteuren hervor".
Nach BR24-Informationen befürchten Personen hinter den Kulissen, in dem Fall könnte noch mehr belastendes Material an die Öffentlichkeit gelangen.
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