Vertreter der Ampel-Koalition haben sich gegen Forderungen der Union nach einer Verschärfung des Strafrechts für Klimaaktivisten gewandt. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte dem "Tagesspiegel" (Montagsausgabe), die "immer weiter fortschreitende Radikalisierung von Teilen der Klimabewegung" bereite ihm "große Sorgen". Doch stünden bereits genügend rechtliche Instrumente zur Verfügung, "wenn die Grenzen des friedlichen Protests überschritten werden".
Ähnlich äußerte sich die rechtspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Sonja Eichwede. Sie befürchte eine "weitere Radikalisierung" der Aktivisten. Doch biete das Strafrecht bereits zahlreiche Möglichkeiten, um dagegen vorzugehen. Die Forderung der Union nach strafrechtlichen Verschärfungen nannte sie "populistisch".
- Zum Artikel "Sitzblockaden fürs Klima: Freiheit und Grenzen im Rechtsstaat"
Unionsfraktion strebt Verschärfung von Strafen an
Die "Bild am Sonntag" ("BamS") hatte berichtet, dass die Unionsfraktion als Reaktion auf die Blockade-Aktionen und Attacken auf Kunstwerke durch die Aktivistengruppe "Letzte Generation" in dieser Woche einen Gesetzesantrag mit Strafrechtsverschärfungen in den Bundestag einbringen wolle.
Straßenblockierern, die die Durchfahrt von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten behindern, solle demnach künftig eine Mindestfreiheitsstrafe drohen, außerdem sollten Aktivisten bei Wiederholungsgefahr vorbeugend in Haft genommen werden können. Für die Beschädigung oder Zerstörung von Kulturgütern fordert die Union der "BamS" zufolge eine Mindestfreiheitsstrafe anstatt der bislang geltenden Geldstrafe.
Klima-Protest dürfe "kein Freibrief für Straftaten sein", sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt dem Blatt. Es brauche "deutlich härtere Strafen für Klima-Chaoten, um einer weiteren Radikalisierung in Teilen dieser Klimabewegung entgegenzuwirken und Nachahmer abzuschrecken".
Die CSU-Abgeordnete Andrea Lindholz, Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, sagte der "Welt" (Montagsausgabe), mit der Gefährdung von Menschen durch Straßenblockaden und der Beschädigung historischer Kunstwerke würden "rote Linien überschritten". Der Rechtsstaat müsse darauf härter als bislang reagieren. "Mit Geldstrafen werden wir die zunehmende Radikalisierung nicht aufhalten", warnte die CSU-Politikerin.
Eisenreich: "Aktueller Strafrahmen reicht"
Der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU) appelliert im Umgang mit den Klimaaktivisten dagegen an die konsequente Anwendung geltender Strafgesetze. Im Interview mit Bayern 2 erklärte er ausdrücklich, dass er schärfere Gesetze nicht für nötig halte: "Aus meiner Sicht reicht der aktuelle Strafrahmen, die Möglichkeiten der Gerichte Geldstrafen oder Freiheitsstrafen zu verhängen, aus." Die Gerichte müssten immer den jeweiligen Einzelfall bewerten, so Eisenreich.
Wer demonstriere, müsse wissen, dass er das dürfe. Aber die Grenze sei das Strafrecht, fügte Eisenreich an. "Möglichkeiten, sich für den Klimaschutz einzusetzen, in legaler Form, gibt es wirklich genug. Jeder Aktivist, jede Aktivistin muss sich überlegen, ob er diese Grenze überschreiten will oder nicht." Er habe jedenfalls für eine Stunde Blockade des Stachus in München und auch für die Gefährdung von Menschenleben kein Verständnis, so der Justizminister.
Auch Söder spricht sich für härtere Strafen aus
CSU-Chef Markus Söder hatte am Sonntag dagegen gefordert, es müsse "ganz klar" Strafen geben, "und zwar Strafen, die wirksam sind: nicht leichte Geldstrafen, sondern auch mal tatsächlich beispielsweise einen Arrest oder eine entsprechende Haftstrafe, wenn es dann um besonders schwere Fälle geht". Söder fügte hinzu: "Wenn es ernst wird und Leben gefährdet werden können, wenn Eigentum verletzt wird, dann ist es kein Spaß mehr."
Der politische und gesellschaftliche Streit um die Folgen von Straßenblockaden und anderen Protestaktionen von Klimaaktivisten hatte sich seit dem Tod einer von einem Betonmischer überrollten Radfahrerin in Berlin verschärft.
Die Radfahrerin war am Donnerstag im Krankenhaus an ihren Verletzungen gestorben. Ein Spezialfahrzeug der Feuerwehr hatte am Montag wegen einer Straßenblockade von Aktivisten der "Letzten Generation" im Stau gestanden und war verspätet zum Unglücksort gekommen. Die Berliner Polizei stellte deshalb gegen zwei Protestierende Strafanzeige, unter anderem wegen unterlassener Hilfeleistung.
Die "Süddeutsche Zeitung" hatte jedoch unter Berufung auf einen Einsatz-Vermerk berichtet, dass es nach Einschätzung der Notärztin keine Auswirkungen auf die Rettung der verletzten Frau hatte, dass der Wagen nicht zur Verfügung stand.
"Letzte Generation" will radikale Proteste ausweiten
Ungeachtet der stark zugenommenen Kritik an ihren Aktionen hat die Klimabewegung "Letzte Generation" eine Ausweitung ihrer radikalen Proteste angekündigt. "Wir werden unseren Protest in alle Bereiche tragen, die von der Klimakatastrophe betroffen sein werden", sagte die Aktivistin Carla Rochel am Sonntag im Sender RTL.
Rochel sagte in der Sendung "stern TV am Sonntag", ihre Bewegung befinde sich nicht in einem "Beliebtheitswettbewerb": Es gehe den Aktivistinnen und Aktivisten "nicht darum, gemocht zu werden - sondern darum, dass der Gesellschaft bewusst wird, dass wir in eine Klimakatastrophe rasen".
Die 20-Jährige schloss auf Nachfrage auch Blockadeaktionen an deutschen Flughäfen nicht aus. In Amsterdam hatten Klimaaktivisten am Samstag den Flughafen Schiphol teilweise lahmgelegt.
Mit Material von AFP
- Zum Artikel "Vorbeugender Freiheitsentzug für Klimaaktivisten gerechtfertigt?"
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