Die schwächelnde Wirtschaft, aber auch Änderungen des Steuerrechts werden tiefe Löcher in die Staatskasse reißen. Das sagt der Arbeitskreis Steuerschätzungen voraus, dem Experten von Bund und Ländern sowie weitere Sachverständige angehören. Heuer und in den nächsten vier Jahren stehen demnach Bund, Ländern und Gemeinden 80,7 Milliarden Euro weniger zur Verfügung, als die Steuerschätzung vom Herbst noch vorsah.
Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP kann der Prognose zufolge damit allein im kommenden Jahr 11,0 Milliarden Euro weniger verplanen. Für die anstehenden Haushaltsberatungen bedeutet das kein gutes Omen. Schon jetzt klafft in den Etatplanungen ein Milliardenloch, weil einige Ministerien erhebliche Mehrausgaben beantragt haben.
Lindner: Keine neuen Spielräume
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) rief deshalb seine Kabinettskollegen erneut zum Sparen auf. "Das Ergebnis der Steuerschätzung zerstört die Illusion all derjenigen, die gedacht haben, dass Geld einfach so vom Himmel fällt", sagte Lindner bei der Vorstellung der Steuerschätzung in Berlin. Ausgaben müssten nun noch stärker priorisiert werden: "Wir müssen uns aufs Wesentliche konzentrieren."
Auch Lindner erwartet, dass die Verhandlungen der Ampel-Koalition hart werden. Schon jetzt seien die Gespräche der Ampel-Regierung "intensiv und herausfordernd". Er bestätigte, dass er wie vereinbart auch bei Spitzengesprächen mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach einer Einigung suchen wird. Am Plan, dass die Regierung den Haushalt für das nächste Jahr am 3. Juli und damit kurz vor der Sommerpause auf den Weg bringt, will er festhalten.
Noch keine Vorfestlegung bei Kürzungen
Welche Ausgabewünsche nicht gehen, wollte Lindner nicht sagen. "Das ist zu früh." Teilweise seien die Ausgabenwünsche aber derart hoch, dass sie das Finanzministerium überhaupt nicht akzeptieren könne. Als Priorität nannte der FDP-Chef die Unterstützung der Ukraine, die gegen den Angriff Russlands kämpft. Auch zusätzliche Hilfen seien beim Einhalten der Schuldenbremse darstellbar.
An der im Grundgesetz verankerten Begrenzung der Neuverschuldung will der Finanzminister aber unbedingt festhalten. Führende Politiker von SPD und Grünen hatten sich ja zuletzt wiederholt dafür ausgesprochen, wegen Herausforderungen wie etwa der Digitalisierung, der Modernisierung der Bahn oder dem klimagerechten Umbau der Wirtschaft deutlich mehr Kredite aufzunehmen.
Koalitionspolitiker besorgt nach Steuerschätzung
Die Zahlen der Steuerschätzer beunruhigen führende Haushaltspolitiker von Koalition wie auch Opposition. Sven-Christian Kindler von den Grünen warnte vor einem "Sparhaushalt auf dem Rücken von langjährigen Beschäftigten oder armen Menschen, zulasten des Klimaschutzes, der demokratischen Infrastruktur oder unserer internationalen Verantwortung". Dennis Rohde von der SPD nahm Lindner in die Pflicht. "Wir erwarten jetzt vom Bundesfinanzminister bis zum Sommer einen Haushaltsentwurf, der die Wirtschaft weiter ankurbelt, die Zeitenwende umsetzt und den sozialen Zusammenhalt in unserem Land garantiert."
Der Chefhaushälter der Unions-Fraktion, Christian Haase (CDU) machte der Ampel schwere Vorwürfe: "Wir bekommen gerade die Quittung für eine beispiellos schlechte Politik. Deutschland darf nicht weiter das Versuchslabor für eine falsche und grün administrierte Wirtschaftspolitik sein."
Rückendeckung für Lindners Wunsch nach Entlastung der Wirtschaft
Die wichtigste Lehre aus der Steuerprognose ist für den Finanzminister, die Konjunktur wieder anzukurbeln. In diesem Jahr geht die Bundesregierung nämlich nur von einem Mini-Wachstum von 0,3 Prozent aus, die Wirtschaftsweisen sogar nur von 0,2 Prozent. Doch alle "sinnvollen und wünschenswerten Ausgaben" könnten nur auf "Basis einer starken Wirtschaft" verwirklicht werden, so Lindner.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie sprang ihm umgehend bei und forderte ein "entschlossenes Wachstumsprogramm". Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner verlangte unter anderem mehr öffentliche Investitionen, mehr Anreize für private Investitionen in Transformationsprozesse setzen sowie niedrigere Steuern für Unternehmen.
Mit Informationen von dpa, AFP und Reuters.
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