Nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt von Magdeburg mit fünf Toten und vielen Schwerverletzten beginnt die politische Aufarbeitung der Gewalttat. In Magdeburg kommt heute der Ältestenrat des Landtags zusammen – das Führungsgremium des Parlaments wolle sich ein Bild machen, hieß es aus Sachsen-Anhalt. Über allem steht die Frage, ob die Todesfahrt hätte verhindert werden können und welche Schlüsse für einen besseren Schutz gezogen werden sollten. Sicherheitsexperten hatten bereits am Sonntag grundlegende Reformen als Reaktion auf die Magdeburger Todesfahrt gefordert.
Faeser will mehr Befugnisse für die Polizei
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach sich im "Spiegel" (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt) dafür aus, noch ausstehende Gesetzentwürfe zur inneren Sicherheit umgehend zu beschließen. Sobald die Ermittlungen ein klares Bild vom Täter und den Hintergründen der Tat ergeben hätten, werde man daraus die notwendigen Schlüsse ziehen.
Nach dem islamistischen Anschlag in Solingen habe man bereits das Waffenrecht verschärft und die Befugnisse der Sicherheitsbehörden gestärkt, sagte die Ministerin. Am 23. August hatte ein Mann in Solingen drei Menschen mit einem Messer getötet und acht weitere verletzt. Der mutmaßliche Attentäter, der Syrer Issa Al H., sitzt in Untersuchungshaft.
Faser sagte, weitergehende Gesetzesänderungen habe vor allem die FDP blockiert. Die Ministerin nannte etwa das neue Bundespolizeigesetz, das die Bundespolizei stärken solle, oder die Einführung der biometrischen Überwachung, die die Union im Bundesrat aufgehalten habe. Der Union missfielen damals die vielen bürokratischen Hürden, die zum Beispiel einen geplanten Abgleich biometrischer Daten im Internet deutlich verkomplizierten.
Landkreistag: Es wird keinen absoluten Schutz geben
FDP-Generalsekretär Marco Buschmann warnte vor vorschnellen Schlüssen. "Unsere Aufgabe ist, den Opfern und ihren Angehörigen beizustehen. Schlecht wäre ein Überbietungswettbewerb um symbolische Maßnahmen. Das würde der schlimmen Situation nicht gerecht", sagte er dem "Spiegel". Auch SPD-Generalsekretär Matthias Miersch rief zur Besonnenheit auf: "Instrumentalisierungen oder vorschnelle Schlüsse helfen niemandem und spalten nur unsere Gesellschaft", sagte er ebenfalls dem "Spiegel".
Der Deutsche Landkreistag verweist darauf, dass es auch mit erhöhter Polizeipräsenz und mehr Kontrollen keine Sicherheitsgarantie geben kann. "Es gibt überall eine höhere Präsenz von Polizei- und Ordnungskräften und auch in Magdeburg sind die Zugänge polizeilich kontrolliert und Taschen durchsucht worden", sagte Landkreistags-Präsident Achim Brötel (CDU) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt). "Es wird aber einen absoluten Schutz nicht geben können."
Bayern verstärkt Polizeipräsenz auf Weihnachtsmärkten
Wegen der Gefahren durch Messerattacken seien die gesetzlichen Voraussetzungen bis hin zu generellen Verboten bereits deutlich verschärft worden, sagte er. Bayern hatte kurz nach dem Anschlag die Polizeipräsenz auf den Weihnachtsmärkten verstärkt.
Bischöfe für Besonnenheit, gegen Instrumentalisierung
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin Kirsten Fehrs, rief zu einer besonnenen Reaktion auf die Amokfahrt auf. Offenkundig handele es sich bei dem Attentäter um einen Einzeltäter, "der in wahnhafter Vorstellung zig Menschenleben" zerstört habe, sagte die Hamburger Bischöfin Fehrs im ZDF-"Morgenmagazin". Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige ist wegen der Instrumentalisierung durch rechte Gruppierungen besorgt. "Es hat parallel gestern ja schon Demonstrationen der AfD und der Rechtsradikalen gegeben, die bis zum Dom vordringen wollten. Das ist Gott sei Dank nicht gelungen", sagte der katholische Geistliche dem kirchlichen Kölner Internetportal domradio.de.
Der Verdächtige Taleb A. war am Freitagabend mit einem Auto über den Magdeburger Weihnachtsmarkt gerast und hatte fünf Menschen getötet und 200 verletzt. Er ist Arzt, stammt aus Saudi-Arabien und lebte seit 2006 in Deutschland.
Festnahme in Bremerhaven - Drohung gegen ausländisch aussehende Menschen
Derweil hat die Polizei in Bremerhaven einen Mann festgenommen, der in einem TikTok-Video schwere Straftaten auf dem Weihnachtsmarkt der Stadt androhte. Bei dem Tatverdächtigen handelt es sich um einen 67 Jahre alten Mann. Dieser sei bisher nicht polizeilich aufgefallen, sagte ein Polizeisprecher. In dem Video drohte er damit, ausländisch aussehende Menschen mit einem Messer anzugreifen. Nach Bekanntwerden des Videos sei der Verfasser am Sonntagabend "sehr schnell" ermittelt und im Stadtgebiet vorläufig festgenommen worden, teilte die Polizei mit. Der Tatverdächtige befand sich am Montag weiter in Polizeigewahrsam. Es bestehe keine Gefahr für die Bevölkerung.
Mit Informationen von dpa, KNA, AFP und epd
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