Dass wir hier in Deutschland genussvoll an einer Tafel Schokolade knabbern können, haben wir auch der Mücke in den Tropen zu verdanken. "Denn Kakao wird fast ausschließlich von zwei Arten von Bartmücken bestäubt", sagt die Tropenbiologin Frauke Fischer. Das Beispiel Kakao zeigt, wie sehr Unternehmen und damit das ganze Wirtschaftssystem von der Artenvielfalt abhängen. Im Moment werde der meiste Kakao in Monokulturen in der Sonne angebaut, erzählt die Biologin. Für Mücken schlechte Lebensbedingungen. Würden diese zwei Arten aussterben, hieße es schlicht: "Ohne Mücke, keine Schokolade", sagt Fischer.
Wissenschaftler fordern angemessenen Preis für Nutzung der Natur
Wie beim Kakao hängt das Wirtschaftssystem an vielen Stellen von der Artenvielfalt ab. Eine Gruppe Wissenschaftler und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen fordert deshalb einen "entschiedene Trendwende – hin zu einer Wirtschaftsordnung, die für die Nutzung der Natur einen angemessenen Preis aufruft." Also, eine Wirtschaft, die auch die Kosten abbildet, die durch den Verlust der Artenvielfalt entstehen.
Insekten als wichtige Bestäuber
Dabei geht es längst nicht nur um Schokolade. Dreiviertel aller Nutzpflanzen werden von Insekten bestäubt, sagt Christof Schenck, Geschäftsführer der Frankfurter Zoologische Gesellschaft und Träger des Deutschen Umweltpreises. "Wenn wir Insekten nicht mehr haben, müssen wir, und zwar weltweit, massiv hungern", sagt Schenck. Die Lage sei dramatisch.
Seit den 70er Jahren sind zwei Drittel der Masse an Insekten verschwunden, wie eine Studie aus Krefeld vor ein paar Jahren herausgefunden hat. Und auch jetzt hört das Artensterben nicht auf: Jeden Tag verschwinden schätzungsweise 150 Arten, Tiere und Pflanzen. Dieser Verlust von Artenvielfalt betreffe auch die Wirtschaft, sagt der Biologe Schenck. Er hat deshalb zusammen mit einer Gruppe von Wissenschaftlern und Nichtregierungsorganisationen die "Frankfurter Erklärung" aufgesetzt. Die Gruppe fordert einen grundlegenden Wandel des weltweiten Wirtschaftssystems. Hin zu einem System, in dem Unternehmen im Einklang mit der Natur wirtschaften.
Wissenschaftler sehen deutsche Unternehmen in der Pflicht
Es sei im Interesse aller Unternehmen, sich für den Erhalt der Artenvielfalt einzusetzen. Doch derzeit passiert das noch kaum. "Die globalen Wertschöpfungsketten deutscher Unternehmen beeinflussen die Natur erheblich und tragen vielfach zur Zerstörung bei", heißt es in der Erklärung. Die Gruppe sieht aber auch einen Willen zum Umsteuern, um naturverträglicher zu wirtschaften: "Immer mehr Betriebe seien bereit, Verantwortung zu übernehmen."
Um den Wandel anzuschieben, sei es wichtig, zu beziffern, wie teuer der Verlust von Artenvielfalt überhaupt ist, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Jörg Rocholl von der internationalen Wirtschaftsuniversität ESMT Berlin: "Wenn man dazu ein Einverständnis hat, dann sollte man diese Kosten auch auf die Unternehmen überwälzen, die genau diese Kosten verursacht haben."
Zerstörung der Artenvielfalt ein Preisschild geben
Die Initiatoren der Frankfurter Erklärung fordern, ein System für einen messbaren Artenschutz zu schaffen. Die Idee ist, dass, wie beim Preis für CO2, auch die Zerstörung von Artenvielfalt ein Preisschild bekommen soll. Diesen Preis sollen dann die Unternehmen zahlen müssen. Aber das zu beziffern ist sehr kompliziert. Die Berechnungsmodelle stehen noch am Anfang.
Um die Voraussetzungen zu schaffen, damit Unternehmen umsteuern, ruft die Gruppe zu einem "Schulterschluss von Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft" auf. Gemeinsam sollen sie erarbeiten, wie Unternehmen Geld verdienen und trotzdem die Natur schützen können. Zum Beispiel müsse die Politik einheitliche Rahmenbedingungen schaffen, damit Unternehmen umweltverträglich wirtschaften. Außerdem soll sie die Unternehmen dazu verpflichten, regelmäßig einen Bericht abzuliefern, wie sie natürliche Ressourcen nutzen.
Das sind zwei der Forderungen der Unterzeichner der Frankfurter Erklärung. Um diese Themen wird es auch bei der Weltnaturkonferenz gehen, die kommende Woche in Montreal startet. Im Zentrum der Verhandlungen dort steht, eine neue globale Vereinbarung für die biologische Vielfalt bis 2050 zu verabschieden.
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