München, Bayern, Deutschland: Seidlstraße / Karlstraße: Auto fährt in München in Menschenmenge: Gedenken der Opfer am Anschlagsort mit Blumen.
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Innenausschuss des Bundestages trifft sich zu einer Sondersitzung; Thema ist der Anschlag in München.

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Aufklärung und Wahlkampf: München-Attentat Thema im Bundestag

Aufklärung und Wahlkampf: München-Attentat Thema im Bundestag

Eine Sondersitzung des Innenausschusses befasst sich mit dem Attentat von München. Die Politikerinnen und Politiker erwarten Erkenntnisse zum Tathergang, stellen aber auch Fragen darüber hinaus – zu Sicherheit und Migration.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Exakt eine Woche nach der Tat von München, bei der ein 24-jähriger Afghane zwei Personen getötet und 37 teils schwer verletzt hat, treffen Innenpolitikerinnen und -politiker in Berlin zusammen. Bei einer Sondersitzung des Innenausschusses sollen neben Vertretern der Sicherheitsbehörden auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die Fragen der Abgeordneten beantworten.

"Wir erwarten uns nähere Hintergründe und nähere Erkenntnisse zum Täter. Auch dazu, wie genau die Tat geplant war", sagt Andrea Lindholz (CSU) dem BR. Solche Taten wie in München "richten sich gegen unsere offene Gesellschaft".

Migration, mögliche Blitzradikalisierung, Aufenthaltsrecht: diesen Aspekten müsse man nachgehen, sagt Lindholz und blickt damit auch über den Fall von München hinaus auf die Anschläge in Solingen, Mannheim, Aschaffenburg und Magdeburg.

"Hauptgegner scheint das Netz"

Ihre Kollegin, Sandra Bubendorfer-Licht (FDP), hätte es befürwortet, wenn der Ausschuss erst nach der Bundestagswahl zusammengekommen wäre. "Um zu verhindern, dass jemand politisches Kapital aus der Tat schlagen kann – und auch aus Respekt gegenüber den Hinterbliebenen, die sich gegen Instrumentalisierung gestellt hatten."

Für Bubendorfer-Licht ist die drängendste Frage, ob eine Radikalisierung im Netz stattgefunden haben könnte. "Unser Hauptgegner scheint das Netz zu sein. Radikalisierung geschieht dort immer schneller."

Religiös, jedoch nicht auffällig?

Bekannte des 24-jährigen Afghanen beschreiben Farhad N. zwar als religiös, nicht jedoch als radikal.

Auffällig sei an dem heute 24-jährigen Mann, der in Afghanistan zur Volksgruppe der Tadschiken gehört habe, nichts gewesen. So erinnert sich ebenfalls der Anwalt, der Farhad N. asylrechtlich vertreten hatte.

Nach dessen Ankunft in Deutschland 2016 hatte der Anwalt, der anonym bleiben möchte, Farhad N. bis 2020 verteidigt. N. war einer von hunderten Geflüchteten, den die Kanzlei vertrat.

"Nie war jemand dabei, der etwas mit einem Anschlag zu tun hatte – bis jetzt", sagt der Asylrechtler. Und weiter: Auffällig sei an dem Mann, der in Afghanistan zur Volksgruppe der Tadschiken gehört habe, nichts gewesen. Detaillierte Erinnerungen an den Fall und an das zunächst erfolglose Asyl-Verfahren von N. hat er heute nicht mehr. Auch verweist er auf seine anwaltliche Schweigepflicht. Im April 2021 bekam der Afghane schließlich eine Ausbildungsduldung. Damit hatte sein ursprünglicher Anwalt aber schon nichts mehr zu tun.

Innenausschuss mitten im Wahlkampf

Die Sondersitzung des Innenausschusses fällt in die Schlussphase des Wahlkampfes. Forderungen über die Tat von München hinaus äußern zahlreiche Politiker.

Gottfried Curio, Innenpolitiker der AfD-Fraktion, sagte dem BR, die AfD fordere bei Grenzkontrollen seit langem "umfassende Zurückweisung illegaler Einreiseversuche, sowie die Abschiebung von illegal aufhältigen Personen und Straftätern, wenn nötig flankiert von wirtschaftlichem Druck auf die Herkunftsländer."

Andrea Lindholz, CSU, erwartet, dass eine zukünftige Bundesregierung Schlüsse aus Attentaten wie in München zieht: "Denn das alles macht etwas mit uns, mit unserer Gesellschaft und mit unserem Land. Wir brauchen eine Änderung in der Migrationspolitik, weil wir offensichtlich mit der Situation in Deutschland überfordert sind."

SPD-Abgeordneter: "Kein Stein darf auf dem anderen bleiben"

Noch vor dem Innenausschuss wird das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) zusammentreten. Es überwacht die Arbeit der Geheimdienste. Dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz war Farhad N. nicht als Extremist aufgefallen.

"Kein Stein darf auf dem anderen bleiben", sagt Sebastian Hartmann, SPD-Innenexperte und betont, die Ermittlungsbehörden sollten bei Anschlägen wie diesen auch den Aspekt der Einflussnahme von außen im Blick haben: "Es muss wirklich alles betrachtet werden, ein 360-Grad-Blick. Deutschland steht voll im Fokus. Wir sind einer der interessantesten Orte auch für ausländische Einflussnahme. Wir haben das auch bei Russland gesehen, dass auf unseren Staat eingewirkt wird."

Bereits in der vergangenen Woche forderte der Vorsitzende des PKGr, Konstantin von Notz (Bündnis 90/Grüne), im BR: "Bei der auffälligen Häufung dieser entsetzlichen Taten unmittelbar vor der Bundestagswahl müssen die Sicherheitsbehörden mit Blick auf die Motivlage des mutmaßlichen Täters und die genauen Hintergründe der Tat einen breiten Ansatz wählen."

Der Innenausschuss tagt ab 10 Uhr. Der "Bericht zum Anschlag auf einen Demonstrationszug in München" ist laut Tagesordnung das einzige Thema der Sondersitzung.

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