Außenministerin Annalena Baerbock hat in China eine Deeskalation der Lage in der Taiwanstraße gefordert. "Spannungen in der Straße von Taiwan können uns nicht egal sein", sagte die Grünen-Politikerin am Donnerstag in der chinesischen Stadt Tianjin. 50 Prozent des Welthandels und 70 Prozent der Halbleiter-Lieferungen gingen durch diese Wasserstraße. "Freie Zufahrt ist in unserem eigenen wirtschaftlichen Interesse."
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Eine militärische Eskalation wäre ein "Worst-Case-Szenario" weltweit, aber gerade für eine Industrie- und Exportnation wie Deutschland, mahnte sie. Die Ministerin reagierte damit auch auf Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der nach einem China-Besuch angedeutet hatte, dass die EU in einem Konflikt neutral bleiben könnte oder der Konflikt die Europäer nichts angehe. China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz und hat eine militärische Eroberung der Insel nicht ausgeschlossen. Er kürzlich fand ein dreitägiges Manöver um Taiwan statt.
Baerbock: "Abhängigkeiten von China, die nicht gesund sind"
Baerbock, die am Freitag politische Gespräche in Peking führt, betonte erneut, dass man in einigen Bereichen Abhängigkeiten von China reduzieren müsse. "Wir haben in einigen Bereichen Abhängigkeiten von China, die nicht gesund sind", sagte sie. Man müsse die Lehren aus dem russischen Angriff auf die Ukraine ziehen. Dies bedeute nicht, sich von China abzukoppeln - was angesichts der Bedeutung der aufstrebenden Weltmacht auch gar nicht möglich sei.
Baerbock widersprach dem Eindruck einer gespaltenen EU in der China-Politik. Es gebe eine sehr enge Absprache gerade mit Frankreich. Und auch Macron habe deutlich gemacht, dass seine Politik in völliger Übereinstimmung mit der EU-Haltung liege. Man stimme sich mit Wertepartnern weltweit in der Politik ab.
Macrons Aussagen hallen nach
Äußerungen von Macron zur China- und Taiwan-Politik sorgten zuletzt im westlichen Lager für Wirbel. Er hatte nach einem Besuch in China mit Blick auf die USA gesagt, Europa dürfe in der Taiwan-Frage kein "Mitläufer" sein. Europa müsse sich überdies vorsehen, nicht zum "Vasallen" zu werden.
Die Vizechefin der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Gyde Jensen (FDP), zeigte sich zuversichtlich, "dass die Ministerin sich nicht von China um den Finger wickeln lässt". Bei Macron habe "die chinesische Charmeoffensive ja offenbar verfangen. Das hat eine fatale Botschaft aus Europa in die Welt gesendet", sagte Jensen dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland".
Der taiwanische Vertreter in Deutschland äußerte die Hoffnung, dass Baerbock bei ihrem China-Besuch "Klartext" sprechen werde. Die Ministerin solle in Peking unterstreichen, "dass Deutschland jeden Versuch Chinas ablehnt, die Taiwan-Frage mit Gewalt zu lösen," sagte Jhy-Wey Shieh dem "Tagesspiegel".
Ukraine-Krieg weiter wichtiges Thema auf internationaler Bühne
Baerbock erklärte vor ihrer Abreise nach China, sie werde dem Thema Ukraine-Krieg oberste Priorität bei ihrem Besuch einräumen. Als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat trage China eine "besondere Verantwortung für den Weltfrieden", betonte die Ministerin. "Welche Rolle China mit seinem Einfluss auf Russland übernimmt, wird für ganz Europa und unsere Beziehung zu China Folgen haben", fügte die Außenministerin hinzu.
Für Freitag und Samstag sind laut Auswärtigem Amt unter anderem politische Gespräche Baerbocks mit dem chinesischen Außenminister Qin Gang, dem ranghohen chinesischen Außenpolitiker Wang Yi und dem stellvertretenden Staatspräsidenten Han Zheng geplant. Im Anschluss will die Ministerin am Samstag nach Südkorea weiterfliegen. Am Sonntag reist Baerbock dann noch zum Außenministertreffen der G7-Staatengruppe nach Japan.
Appell an Baerbock: In China für Menschenrechte eintreten
Aktivisten appellierten unterdessen an Baerbock, sich bei ihrem Besuch in China auch für die Menschenrechte einzusetzen. Die Grünen-Politikerin solle in Peking die sofortige Freilassung der am Montag zu hohen Haftstrafen verurteilten Bürgerrechtler Xu Zhiyong und Ding Jiaxi fordern, sagte Yaqiu Wang von der Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch am Donnerstag. Die beiden prominenten Juristen waren wegen "Untergrabung der Staatsgewalt" zu 14 und zwölf Jahren Gefängnis verurteilt worden.
Auch solle Baerbock "unzweideutig die Besorgnis über die Verfolgung in Xinjiang, Tibet und Hongkong zum Ausdruck bringen", sagte die Forscherin der in New York ansässigen Organisation. Statt die Hände von staatlich ausgewählten Studenten zu schütteln und damit als Werkzeug der chinesischen Propaganda benutzt zu werden, sollte die Ministerin fordern, die Familien von inhaftierten Menschenrechtsaktivisten treffen zu können.
China warnt vor "Politisierung" des Einstiegs bei Hamburger Terminal
Außerdem überschattet ein weiteres Streitthema den Antrittsbesuch von Baerbock: Die chinesische Regierung kritisierte die Debatte in Deutschland über den Einstieg seines Staatskonzerns Cosco bei einem Container-Terminal im Hamburger Hafen. "Wir hoffen, dass die deutsche Seite davon absieht, die kommerzielle Kooperation zu politisieren und es zu etwas über Ideologie oder Sicherheit zu machen", sagte Außenamtssprecher Wang Wenbin am Donnerstag. Auch solle davon abgesehen werden, Hürden für eine solche Zusammenarbeit zu errichten.
Der umstrittene Einstieg von Cosco bei dem Container-Terminal steht ein halbes Jahr nach einer Grundsatzentscheidung der Bundesregierung wieder in Frage. Grund ist, dass das Terminal Tollerort inzwischen als kritische Infrastruktur eingestuft wird. Eine Sprecherin von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte am Mittwoch in Berlin gesagt, da sich die Voraussetzungen geändert hätten, prüfe das Ministerium nun die Auswirkungen auf den Sachverhalt.
Mit Informationen von AFP, dpa und Reuters
Im Video: Außenministerin Baerbock bei Antrittsbesuch in China
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