7dSh: Der Zucker aus Blaualgen ist biologischen Ursprungs, in der Natur abbaubar und nach Angaben der Forscher bisher "toxikologisch unauffällig"
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7dSh: Der Zucker aus Blaualgen ist biologischen Ursprungs, in der Natur abbaubar und nach Angaben der Forscher bisher "toxikologisch unauffällig"

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Blaualgen-Zucker 7dSh: Ungiftiger Ersatz für Glyphosat?

Blaualgen-Zucker 7dSh: Ungiftiger Ersatz für Glyphosat?

Ein Zucker aus Blaualgen könnte zum Ersatz für Glyphosat werden: 7-Desoxy-Sedoheptulose. Entdeckt wurde er an der Uni Tübingen. Zusammen mit der Hochschule Bielefeld wird erforscht, wie 7dSh in großer Menge produziert und ausgebracht werden könnte.

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Es ist wohl das bekannteste aller Pestizide, über das seit langem erbittert gestritten wird: Glyphosat. Befürworter betonen: Es ist einer der am besten untersuchten Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe weltweit, es verhindert das Wachstum von konkurrierenden Unkräutern und sichert damit Ernten. Außerdem müsse ohne Glyphosat deutlich mehr gepflügt werden, was sich negativ auf Boden und Klima auswirke. Kritiker entgegnen: Glyphosat wirkt nicht nur auf Pflanzen, sondern auch auf Tiere und Menschen – bis hin zum Vorwurf, dass es krebserregend sei, was die Hersteller bestreiten.

Dennoch musste der Pharmakonzern Bayer seit der Übernahme des Glyphosat-Entwicklers Monsanto wegen Klagen im Zusammenhang mit Krebserkrankungen in den USA über zehn Milliarden Dollar an Prozesskosten und Entschädigungen zahlen. Auch wenn die EU-Kommission die Zulassung von Glyphosat gerade um weitere zehn Jahre verlängert hat, wäre die Aussicht, Glyphosat ersetzen zu können, mehr als willkommen – durch einen ähnlich effizienten, aber ungiftigen Wirkstoff am besten. Ein solcher könnte 7-Desoxy-Sedoheptulose sein: Ein natürlicher Zucker, den Blaualgen produzieren.

Blaualgen: Keine Algen, sondern Bakterien

Blaualgen kennt jeder, der im Sommer gerne in natürlichen Gewässern badet oder einen Hund hält. Sie lassen das Wasser von Seen oder langsam fließenden Flüssen trübe werden, färben es grün und überziehen es bei starkem Befall mit einem grünen Teppich. Blaualgen produzieren eine Reihe von Giftstoffen.

Einige dieser Gifte zählen zu den stärksten natürlichen Giften, die auch für Menschen und Tiere gefährlich werden können, vor allem beim Verschlucken von Wasser oder wenn sich Hunde nach dem Baden ihr Fell sauberlecken. Blaualgen sind einzellige Organismen, die zur Fotosynthese fähig sind und deshalb lange zu den Algen gezählt wurden. Tatsächlich sind sie in ihrem Zellaufbau aber den Bakterien sehr viel ähnlicher, weshalb die Wissenschaft heute von Cyanobakterien spricht.

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Blaualgenteppich auf dem Baggersee Breitengüßbach

Unbekannten Stoffen auf der Spur

Cyanobakterien produzieren aber nicht nur Gifte, die sogenannten Cyanotoxine, sondern auch andere Stoffe. Die Mikrobiologen an der Uni Tübingen untersuchen deshalb regelmäßig Cyanobakterien-Stämme auf neuartige Zwischenprodukte im Stoffwechsel, sogenannte Metaboliten. So wussten die Forscher schon seit längerem, dass ein Cyanobakterium mit dem Namen "Synechococcus elongatus PCC 7942" eine wasserlösliche Komponente herstellt und ausscheidet, die andere fotosynthetische Mikroorganismen in ihrem Wachstum hemmt. Dies wurde zunächst nicht näher verfolgt.

Ein Doktorand als Entdecker

Klaus Brilisauer, damals Doktorand an der Uni Tübingen, hat schließlich aber nach der Substanz gesucht, die diese Wachstumshemmung verursacht. Dabei stieß er 2019 auf einen Zucker. Das Besondere: "Dieser Zucker, 7dSh, hat einen sogenannten herbizidalen Effekt auf Pflanzen oder auch andere fotosynthetische Organismen", erklärt Professor Klaus Harter vom Zentrum für Molekularbiologie der Pflanzen an der Uni Tübingen. "Das heißt, wenn dieser Wirkstoff zu diesen Organismen gegeben wird, dann sterben diese Organismen ab, wie man es ja vom Glyphosat auch kennt. Wenn man das Glyphosat auf die Pflanzen sprüht oder diesen fotosynthetischen Organismen gibt, dann sterben die Pflanzen ab."

Kein Fotosynthese-Hemmer

Übrigens, betont Harter, hemme 7dSh nicht direkt die Fotosynthese, wie oft fälschlicherweise berichtet werde. Wie genau der Zucker wirke, sei noch nicht ganz erforscht: "Also wir kennen noch nicht genau das Zielprotein oder das Ziel-Enzym, das 7dSh adressiert. Wir hatten einen Verdacht, aber der hat sich leider nicht erhärten können. Wir sind also weiterhin auf der Suche."

Ganz klar sei: Der Ziel-Stoffwechsel, den 7dSh angreift, sei ein anderer als bei Glyphosat, so Harter: "Es ist nicht die Photosynthese direkt." Es sei auch nicht der sogenannte Shikimatweg - ein Stoffwechselvorgang zur Herstellung aromatischer Aminosäuren, auf den Glyphosat wirke: "Es ist etwas anderes, aber wir sind noch nicht ganz sicher, was genau."

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Ausbringen des Bayer-Herbizids "Roundup" mit dem Wirkstoff Glyphosat

Ersatz für Glyphosat?

Dass 7dSH wirkt, ist hingegen sicher. Sicher scheint auch, dass es eine umweltfreundliche Alternative zu Glyphosat wäre. An der Uni Tübingen habe man tierische Organismen und menschliche Zellen hohen Konzentrationen von 7dSh ausgesetzt – weit über denen, die tatsächlich auf dem Acker ausgebracht würden. Hier, sagt Klaus Harter, habe es keine negativen Effekte gegeben: "Zum Beispiel auf die Entwicklung von Zebrafisch – das ist so ein Testsystem für Wirbeltiere oder Mottenlarven als Insekt-System für Insekten. Was wir noch testen müssen, sind Tiere wie der Wasserfloh. Das steht noch aus."

Vom Stoff zum Produkt

"Der Zucker ist biologischen Ursprungs, in der Natur abbaubar und nach bisherigen Tests toxikologisch unauffällig", sagt auch Celina Beermann von der Hochschule Bielefeld (HSBI). Gemeinsam mit der Uni Tübingen arbeitet Beermann daran, für den Wirkstoff eine sogenannte "Formulierung" zu finden, das heißt, ihn in eine in der Praxis anwendbare Form zu bringen – zum Beispiel als Granulat.

Diese "Formulierung" zu finden, ist durchaus eine Herausforderung, sagt Beermann: "Der Zucker bietet sich natürlich als Nahrungsquelle für andere Mikroorganismen im Boden an. Das heißt, wenn ich es einfach ausbringe, könnte es natürlich passieren, dass der Zucker schon abgebaut wird im Boden, bevor er überhaupt an der Pflanze ankommt. Ich muss das Produkt natürlich auch lagern können, bevor ich es einsetze. Das heißt, da darf auch der Zucker noch nicht aus dem Granulat freigesetzt werden." Hinzu kommt, dass auch die Zusatzstoffe der "Formulierung" keine Nebenwirkungen haben, geschweige denn giftig sein dürfen.

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Der Wirkstoff ist nur ein Teil des Produkts. Hinzu kommt die Formulierung. Das ist bei Glyphosat nicht anders als bei 7dSh.

Auch eine Frage der Menge

Neben der geeigneten Form der Ausbringung geht es bei den gemeinsamen Forschungen in Tübingen und Bielefeld auch darum, wie man 7dSh in großer Menge herstellen kann. Das ist unverzichtbar, wenn der Stoff zum Ersatz für Glyphosat werden soll, von dem jährlich Hunderttausende von Tonnen produziert und abgesetzt werden. Die Versuche hierzu finden in Bielefeld statt. Eine Kollegin übernimmt hier quasi den Job der Blaualgen und erzeugt 7dSh biotechnologisch mithilfe von Bakterien – in einem Bioreaktor.

Die Ergebnisse, sagt Celina Beermann, seien bereits sehr gut. Daneben gehe es vor allem noch um die Aufreinigung: "Das heißt, dass wir den Zucker von anderen Dingen, die gleichzeitig noch mit produziert werden, von den Bakterien einfach trennen können, damit er dann für die Formulierung verwendet werden kann."

Wie lange bis zum fertigen Produkt?

Wie lange wird es aber dauern, bis fertige Produkte mit dem Blaualgen-Zucker 7dSh erhältlich sein werden? Direkte Frage an Professor Harter von der Uni Tübingen: Wann liegt das Zeug bei der Baywa? Da muss der Pflanzenphysiologe schmunzeln: "Nehmen wir an, wir kriegen die biologische Synthese günstig hin und auch die Verpackung, diese Granulierung oder Einkapselung funktioniert dann, und es gibt erste Feldversuche mit sehr vielversprechendem Ergebnis. Dann kommt es natürlich auch darauf an, ob wir einen Partner finden, der das dann im großen Maßstab produziert. Also sagen wir mal so: Wenn man sehr optimistisch wäre – also, das sind jetzt Zahlen so ein bisschen aus dem Bauch heraus – also so fünf, sechs Jahre wird es mit Sicherheit noch dauern."

Interesse von Unternehmen

Interesse von Unternehmen an den Produkten gab es bereits, sagt Klaus Harter, auch wenn er keine Namen nennen möchte: "Das Problem war damals oder ist weiterhin die sehr teure Herstellung. Damals war nur ein Verfahren publiziert. Und wie gesagt: Mit dem Verfahren ist es nicht konkurrenzfähig. Wenn es die Bielefelder Kollegen gut hinkriegen, zusammen mit uns, es billiger zu machen, bin ich relativ sicher, dass der eine oder andere anklopft." Im Kontakt seien die Forscher auch mit Unternehmen aus dem Bereich des Biolandbaus.

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Bis 2022 hielt die Bahn AG ihre Gleisbetten mit Glyphosat frei von Unkräutern. Seit 2023 verzichtet das Unternehmen darauf.

Enger Kontakt mit der Deutschen Bahn

Und nicht nur das. Auch die Bahn habe großes Interesse. Dort sei man weiter auf der Suche nach einem Ersatz für Glyphosat, mit dem man lange Zeit die Gleisbetten unkrautfrei gehalten habe, so Harter: "Die sprühen jetzt Pelargonsäure auf die Schwellen. Das ist auch nicht gerade das Harmloseste. Wenn man da so ein Granulat hätte, das sie in die Bahndämme eingeben könnten, das wäre natürlich optimal." Die Bahn würde auch Gleisabschnitte zur Verfügung stellen, um das Mittel zu testen – sobald es in anwendbarer Form vorliegt.

"Kein Eins-zu-Eins-Ersatz" für Glyphosat

Ein Eins-zu-Eins-Ersatz für Glyphosat werde 7dSh allerdings nicht sein, sagt Klaus Harter. Denn: "Glyphosat, das sprühen Sie einmal drauf und dann werden die Pflanzen-Organe, alle Pflanzen-Organe abgetötet, egal, wo Sie es draufsprühen." Das sei bei 7dSh nicht der Fall. Eine Zukunft haben werde es aber sicher als Vorauflaufherbizid, glaubt Harter.

Also ein Herbizid, das nach der Aussaat, aber bevor die Kulturpflanzen keimen, ausgebracht wird. So können die meist etwas früher keimenden ("auflaufenden") Unkräuter vernichtet werden. Dabei sei der Blaualgen-Zucker ein natürlicher Stoff, betont Harter: Nachhaltig und in der Natur relativ instabil – was in diesem Fall positiv sei, denn 7dSh werde sich dadurch nicht in der Umwelt anreichern.

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