Die Bundesbürger müssen ab Juli höhere Beiträge zur Pflegeversicherung bezahlen. Der Bundestag beschloss am Freitag das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz. Damit verbunden sind auch Leistungsverbesserungen für die häusliche Pflege und Pflegebedürftige, die in Heimen leben. Allerdings fallen sie geringer aus, als Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zunächst angekündigt hatte. So ist von Steuerzuschüssen keine Rede mehr.
Lauterbach verteidigt Pflegereform
Lauterbach und Vertreter der Ampelkoalition räumten ein, dass sie sich mehr Verbesserungen gewünscht hätten. Die Finanzsituation lasse das aber nicht zu. Lauterbach betonte, für eine grundlegende Finanzreform der Pflegeversicherung werde er im kommenden Jahr Konzepte vorlegen. Er warnte davor, die Pflegeversicherung "kaputtzureden": Sie sei die "Perle des Sozialstaats". Die Ausgaben seien von 35 Milliarden Euro 2017 auf 60 Milliarden Euro gewachsen und stiegen mit der Reform auf knapp 67 Milliarden Euro pro Jahr.
Die SPD-Abgeordnete Heike Baehrens erklärte, es gehe zunächst um eine Stabilisierung der Pflegeversicherung. Die FDP-Abgeordnete Nicole Westig sagte, die derzeitige Finanzierung stoße an ihre Grenzen. Es müsse alles dafür getan werden, die heimische Pflege zu stärken.
Die Grünen-Politikerin Kordula Schulz-Asche verwies darauf, dass das Gesetz auch die Kommunen durch Modellprojekte stärke. Ihnen komme eine Schlüsselrolle bei der Organisation der Pflege zu, etwa durch den Aufbau von Hilfsnetzwerken, den Einsatz von sogenannten Community Health Nurses und Gesundheitspflege zu Hause.
Opposition unzufrieden mit Pflegereform
Vertreter der Opposition erklärten, die Reform sei nur Stückwerk. Es gebe keine grundsätzliche Strukturreform. Die Regierung habe "die Chance für einen großen Wurf verpasst", sagte die CDU-Abgeordnete Diana Stöcker. Es handele sich um ein "dürftiges Auf-Sicht-Fahren". Sie kritisierte insbesondere zu geringe Leistungsverbesserungen für die ambulante Pflege. Das Engagement pflegender Angehöriger sei das Rückgrat der Pflege in Deutschland, sagte Stöcker. Die Leistungen für sie würden erstmals seit sieben Jahren erhöht und glichen damit nicht mal die Inflation aus. Der CDU-Abgeordnete Sepp Müller warf der Ampel mit Blick auf die Beitragserhöhung vor, das größte Belastungsgesetz in der Geschichte der Bundesrepublik auf den Weg gebracht zu haben.
Der Münchner Linken-Politiker Ates Gürpinar warf der Regierung vor, die Erhöhung der Beiträge treffe in erster Linie kleine und mittlere Einkommen. Zugleich würden die Pflegeleistungen für Alte und Kranke wegen der hohen Inflation de facto zurückgefahren. Gürnipar forderte eine einheitliche Pflegeversicherung für alle Bürger. Bei der Berechnung der Beiträge sollten alle Einkommensarten einbezogen werden.
Die Eckpunkte der Pflegereform
Bereits zum 1. Juli wird der Beitragssatz um 0,35 Prozentpunkte auf 3,4 Prozent des Bruttoeinkommens angehoben. Kinderlose zahlen künftig 4 Prozent. Das bedeutet Mehreinnahmen von rund 6,6 Milliarden Euro pro Jahr. Davon sollen vier Milliarden in Leistungsverbesserungen fließen; darüber hinaus soll das Geld die ins Defizit gerutschte Versicherung stabilisieren. Gemäß einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird der Beitrag bei Eltern mit zwei Kindern während der Erziehungsphase bis zum 25. Lebensjahr um 0,25 Beitragssatzpunkte je Kind bis zum fünften Kind weiter abgesenkt.
Beschlossen wurde die Einführung eines flexibel nutzbaren Entlastungsbudgets - allerdings erst zum 1. Juli 2025. In der häuslichen Pflege können pflegende Angehörige dann Leistungen der Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege im Gesamtumfang von 3.539 Euro flexibel kombinieren. Für Eltern von pflegebedürftigen Kindern mit Pflegegrad 4 oder 5 steht das Entlastungsbudget schon ab Januar 2024 zur Verfügung.
Zugleich werden das Pflegegeld und die ambulanten Sachleistungsbeträge zum 1. Januar 2024 um jeweils 5 Prozent erhöht. Die ab 2025 geplante Dynamisierung der Geld- und Sachleistungen soll allerdings von 5 auf 4,5 Prozent abgesenkt werden. Zum 1. Januar werden auch die Zuschläge erhöht, die die Pflegekasse an Bewohner stationärer Einrichtungen zahlt. Damit soll verhindert werden, dass immer mehr Heimbewohner in die Sozialhilfe abrutschen.
Mit Informationen von dpa, EPD und KNA
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