Alarmstimmung - auch in Deutschland: Im Gewässersystem der Oder in Polen sind tote Fische gefunden worden. Im August vor einem Jahr war es in dem deutsch-polnischen Grenzfluss zu einer Umweltkatastrophe gekommen, bei der mehrere hundert Tonnen Fische starben. Nun rief Polen einen Krisenstab ein, weil vor Tagen tote Fische in Kanälen entdeckt wurden. Die Oder selber ist bislang aber wohl nicht betroffen.
"Bundesumweltministerin Steffi Lemke ist alarmiert über Nachrichten zur Lage an der Oder in Polen", teilte eine Sprecherin des Ministeriums der dpa mit. "Noch sind die Fischsterben ein ganzes Stück von der deutsch-polnischen Grenze entfernt, aber es besteht die Sorge vor einem ähnlichen Szenario wie im letzten Sommer." Polen sei aufgefordert, die Einleitungen in die Oder zu reduzieren.
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"Extrem besorgt": Krisenstab soll schnelles Handeln ermöglichen
Der Leiter des Nationalparks Unteres Odertal im Nordosten Brandenburgs, Dirk Treichel, sagte nach den Funden in Kanälen auf polnischer Seite: "Wir sind extrem besorgt." Im Nationalparkgebiet seien bislang aber keine toten Fische festgestellt worden.
Der eingesetzte Krisenstab in Polen soll laut Umweltministerium in Warschau ein schnelles Handeln ermöglichen. Ziel soll es sein, die Entwicklung der toxischen Goldalge Prymnesium parvum zu stoppen. Experten gehen davon aus, dass hoher Salzgehalt, Niedrigwasser, hohe Temperaturen und Gift dieser Algenart wesentliche Ursachen für das Fischsterben im vergangenen Sommer waren.
Wassertemperatur stark angestiegen: Risiko einer Wiederholung
"Dreimal tote Fische - das ist bereits ein wichtiges Warnsignal, dass wir in Bereitschaft gehen müssen, und das Risiko einer Wiederholung der Situation vom letzten Jahr sehr hoch ist", sagte Polens Umweltministerin Anna Moskwa dem polnischen öffentlich-rechtlichen Radio. Die Wassertemperatur der Oder sei stark angestiegen. "Das ist der erste Faktor."
Anfang der Woche waren nach Angaben der Gebietsverwaltung der Woiwodschaft Opole in dem von der Oder abzweigenden Gleiwitzer Kanal sowie im Kedzierzyn-Kanal insgesamt 450 Kilogramm toter Fische geborgen worden. In beiden Kanälen wurde bei Wasserproben auch die giftige Goldalge nachgewiesen. Bereits im Mai und im April war die Goldalge in zwei Stauseen in der Nähe der Oder aufgetaucht.
Giftige Goldalge: Wie ihre Ausbreitung verhindert werden soll
Wie das Umweltministerium mitteilte, empfehle der Krisenstab, Altarme der Oder vorübergehend abzuriegeln und in Rückhaltebecken natürliche Barrieren zu errichten, um die Entwicklung der Goldalge zu stoppen. Die Einleitungen von Industrie- und Haushaltsabwässern in Abhängigkeit von den Wassermesswerten sollen systematisch gesteuert werden. Zudem werde eine Anreicherung des Wassers mit Sauerstoff empfohlen.
Der 1939 eingeweihte Gleiwitzer Kanal ist 41 Kilometer lang und verbindet die oberschlesische Großstadt Gleiwitz (Gliwice) mit der Oder. Der 4,5 Kilometer lange Kedzierzyn-Kanal zweigt vom Gleiwitzer Kanal ab und führt zu den Stickstoffwerken in Kedzierzyn-Kozle.
Sorge um hohen Salzgehalt: Keine Verbesserung eingetreten
Der Leiter des Nationalparks Unteres Odertal (Uckermark), Treichel, sagte, es sei gut, dass Polen aktiv sei und die Funde von Fischkadavern öffentlich mache. Zugleich jedoch sehe er es mit Sorge, dass der Salzgehalt derzeit so hoch sei wie schon längere Zeit nicht. "Es ist keine Verbesserung eingetreten", sagte Treichel. Die Oder habe zudem Niedrigwasser, die Temperatur liege bei etwa 23 Grad.
Im Nationalpark Unteres Odertal mussten im August 2022 massenweise tote Fische eingesammelt werden. Berufsfischer wurden wegen der Einbußen entschädigt.
Leitfähigkeit gestiegen: Mutmaßlich industrielle Salzeinleitung
Veröffentlichte Messungen in der Oder bei Hohenwutzen ergaben zuletzt eine elektrische Leitfähigkeit von fast 1.600 Mikrosiemens pro Zentimeter. An der Messstation in Frankfurt an der Oder wurde ein Wert von mehr als 1.900 festgestellt. Die elektrische Leitfähigkeit im Wasser ist ein Indikator für den Gehalt von Salzen.
Zur Zeit der Umweltkatastrophe in der Oder war der Wert von 800 auf mehr als 2000 Mikrosiemens pro Zentimeter (µS/cm) gestiegen, wie das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei berichtete. So hohe Werte könnten in einem Fluss nur durch industrielle Salzeinleitungen entstehen, hieß es. Bundesumweltministerin Lemke hatte im April gesagt, sie vermute, dass die polnische Bergbauindustrie für die Salzeinleitungen verantwortlich sei.
Mit Informationen von dpa
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