In der Diskussion um mögliche Fehler des langjährigen Umgangs Deutschlands mit Russland gerät auch die ehemalige Kanzlerin zunehmend in den Fokus: "Ich würde mir wünschen, dass Angela Merkel bald einmal Zeit und Anlass findet, sich vertieft zu ihrer Russland-Politik zu äußern", sagte CDU-Fraktions-Vize Johann Wadephul – ohne im Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" zu verschweigen, dass er selbst ihre Politik lange "im Wesentlichen für richtig" gehalten habe.
CDU-Spitze nimmt Merkel in Schutz
Die CDU-Spitze nimmt die Ex-Kanzlerin ausdrücklich in Schutz: "Es wäre vermessen, zu behaupten, dass Angela Merkel eine Mitschuld am Krieg in der Ukraine trifft", betonte CDU-Generalsekretär Mario Czaja. Das sei Putins Krieg gegen die Ukraine und der Krieg seiner "Verbrecherclique im Kreml", sagte Czaja der Nachrichtenagentur dpa.
Merkels Politik gegenüber Russland in ihrer 16-jährigen Amtszeit belaste den Neuanfang der Partei mit Friedrich Merz an der Spitze nach dem Desaster bei der Bundestagswahl nicht.
Selenskyj: Merkel hat Nato-Beitritt der Ukraine verhindert
Der ukrainische Präsident Selenskyj hatte Merkel zu einer Reise nach Butscha aufgefordert, wo sie sich, so Selenskyj, ein Bild von ihrer gescheiterten Russland-Politik machen könne. Insbesondere wirft der ukrainische Präsident Merkel vor, 2008 den Nato-Beitritt seines Landes verhindert zu haben.
Damals hatten insbesondere Deutschland und Frankreich einen Beitritt der Ukraine zum Bündnis zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sich jedoch aus Rücksicht auf Russland gegen einen schnellen Beitritt gestellt.
Ex-Kanzlerin steht zu ihren damaligen Entscheidungen
Die ehemalige Kanzlerin hatte erklären lassen, sie stehe zu ihren Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Nato-Gipfel 2008. Merkel hatte den russischen Angriff auf die Ukraine scharf verurteilt. Zuletzt aber deutlich gemacht, keine weiteren öffentlichen Erklärungen zu ihrer Russland-Politik abgeben zu wollen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte unlängst Fehler eingestanden. Der ehemalige Außenminister gilt als einer der Architekten der deutschen Russland-Politik. Genau wie Angela Merkel hatte er unter anderem stets an der Gas-Pipeline Nord Stream 2 festgehalten.
Wadepuhl räumt persönlichen Irrtum ein
Wadephul, der nun auf weitere Erklärungen von der Altkanzlerin hofft, räumt für sich selbst Fehleinschätzungen ein. "Meine Überzeugung war es, dass die wechselseitige Abhängigkeit zwischen Russland und Deutschland auch für Russland handlungsbestimmend sein würde", so der Vize-Fraktionschef der Union im Bundestag. "Ich habe mich geirrt." Wadephul hatte bereits vorgeschlagen, eine Enquete-Kommission einzurichten, um Fehler der Vergangenheit aufzuarbeiten.
Generalsekretär Czaja hält Merkels Reaktion hingegen für ausreichend. Die Altkanzlerin sei im politischen Ruhestand, sie habe sich klar gegen den russischen Krieg positioniert und für die Maßnahmen gegen diesen Krieg ausgesprochen. Damit habe sie deutlich gemacht, wofür sie stehe.
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