Der Republikaner Kevin McCarthy brauchte 15 Anläufe, um sich zum Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses wählen zu lassen. Mit umfangreichen Zugeständnissen war es ihm zuvor gelungen, seine parteiinterne Kritiker immer mehr auf seine Seite zu ziehen - nach einem tagelangen Machtkampf.
Kurz nach dem zwölften Wahlgang twitterte etwa Scott Perry, der Vorsitzende des Freedom Caucus, einem Zusammenschluss ultrakonservativer Republikaner: "Wir sind an einem Wendepunkt." Auch er hatte in den vorangegangenen Abstimmungen noch gegen McCarthy votiert.
Bei der 14. Abstimmung fehlte dann nur noch eine Stimme. Der 57-jährige McCarthy gewann die nächste Abstimmung dann am frühen Samstagmorgen mit 216 zu 211 Stimmen. Der Kongress kann damit nun seine Arbeit aufnehmen und zum Beispiel neue Gesetze auf den Weg bringen.
Chaotische Szenen im US-Repräsentantenhaus
Die Abweichler bei den Republikanern werfen McCarthy vor, nicht konservativ genug zu sein. Es kam vor der 14. Abstimmung zeitweise zu hitzigen Wortwechseln und dramatischen Szenen. Mit der Verschiebung der Wahl in die Nacht hatten die Republikaner zusätzliche Zeit für letzte Verhandlungen und für die Rückkehr abwesender Kollegen in die Hauptstadt, damit sich diese an der Abstimmung beteiligen konnten. Bei den Midterms hatten die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus gewonnen - allerdings nur knapp. Eigentlich galt es als sicher, dass der Republikaner McCarthy die demokratische Vorsitzende Nancy Pelosi ablöst. Allerdings haben die Republikaner nur eine knappe Mehrheit und er brauchte somit fast alle Stimmen seiner Parteikollegen.
McCarthy muss seinen Gegnern Zugeständnisse machen
Dabei geht es beispielweise um eine Regel, mit der ein Mitglied einen Antrag auf Amtsenthebung des Vorsitzenden stellen kann. McCarthys Gegner wollen sie wieder einsetzen – McCarthy selbst hat einen Gegenvorschlag eingereicht. Er sieht vor, dass mindestens fünf Abgeordnete einen solchen Antrag stellen müssen.
McCarthy scheien entschlossen, seinen Gegnern nicht zu weichen und den Vorsitz zu erlangen. Am Donnerstag nach der Sitzung sagte er lediglich, man mache "gute Fortschritte", nannte aber keine Einzelheiten. Mit Blick auf das historische Ausmaß der Wahlgänge fügte er hinzu: "Ich mag es, Geschichte zu schreiben."
- Zum Artikel: US-Kongress: Historische Pleite für Republikaner McCarthy
Historische Blamage für McCarthy
Der Verbündete des Ex-Präsidenten Donald Trump wird damit zwar zum mächtigsten politischen Gegenspieler des demokratischen Präsidenten Joe Biden. Doch es war das erste Mal seit 100 Jahren, dass der "Speaker" der Kongress-Kammer nicht auf Anhieb eine Mehrheit fand. Und seit dem Amerikanischen Bürgerkrieg musste keiner mehr so viele Wahlgänge absolvieren wie jetzt McCarthy. Das langwierige Verfahren gilt als Zeichen für die interne Zerstrittenheit der Republikaner.
Einige republikanische Abgeordnete, die gegen McCarthy gestimmt haben, bezeichneten das Geschehen als "Ausdruck der Demokratie". Von anderen wiederum ist vor allem Frustration über den Stillstand zu hören. Der demokratische US-Präsident Biden hat die Vorgänge im US-Repräsentantenhaus als "peinlich" bezeichnet.
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