Mitte Januar trafen sich in Nürnberg, Fürth und Stein Gegner der Corona-Maßnahmen zu Demonstrationen. Obwohl diese von den zuständigen Sicherheitsbehörden verboten worden waren, zogen alleine in Fürth laut Polizei bis zu 350 Demonstranten durch die Stadt.
Unter den Teilnehmern waren offenbar nicht nur Ortsansässige, sondern auch Zugereiste. Auf Nachfrage des BR24-#Faktenfuchs bestätigte das Polizeipräsidium Mittelfranken, dass einige der Versammlungsteilnehmer in einem Nürnberger Hotel übernachteten. Die Polizei habe in diesem Zusammenhang insgesamt 14 Personen kontrolliert und an die zuständige Verfolgungsbehörde, die Stadt Nürnberg, gemeldet.
Übernachtungsangebote nur für glaubhaft notwendige Zwecke zulässig
Doch wie ist die rechtliche Situation im Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen bei Übernachtungen im Zuge von Demonstrationen? Immer wieder wird in Telegram-Chatgruppen von Gegnern der Corona-Maßnahmen behauptet, dass es sich bei der Teilnahme an einer Demo um eine “Dienstreise” handele, bei der man auch in Hotels übernachten dürfe. Das stimmt so nicht.
Ein Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums, welches zuständig ist für die Infektionsschutzmaßnahmen, antwortet per Mail auf eine Anfrage des BR24-#Faktenfuchs, dass die Teilnahme an einer Versammlung “weder einen beruflichen noch einen geschäftlichen Zweck” habe.
Laut Gesundheitsministerium ist die Teilnahme an einer Versammlung im Regelfall ohne Übernachtung realisierbar, da eine An- und Abreise grundsätzlich außerhalb der derzeit im Rahmen der Corona-Maßnahmen verhängten nächtlichen Ausgangssperre möglich sei. Dabei berechnet das Innenministerium eine maximale An- und Abreisezeit innerhalb des Freistaats von fünf Stunden, sodass eine Teilnahme an einer Demonstration zwischen 10 und 16 Uhr möglich wäre. “Die Teilnahme an einer Versammlung, welche entgegen dieser Vorgaben nicht ausreichend Zeit zur Heimreise belässt, stellt nach unserer Auffassung daher grundsätzlich keinen glaubhaft notwendigen Zweck für eine Hotelübernachtung (...) dar.” Grundsätzlich sei immer eine Beurteilung nach den Umständen des Einzelfalls notwendig, so der Sprecher des Gesundheitsministeriums weiter.
Ob es ein Bußgeld geben wird, ist noch unklar
Die Frage, ob die Hotelübernachtungen in Nürnberg mit einem Bußgeld geahndet werden, kann derzeit nicht beantwortet werden. Das Ordnungsamt Nürnberg antwortet auf die Anfrage des BR24-#Faktenfuchs, dass bei der Entscheidung darüber sowohl die Stellungnahme des bayerischen Gesundheitsministeriums einbezogen werde, als auch der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Dieser hatte in einem Eilbeschluss eine “Querdenker"-Veranstaltung in München am 24.1. 2021 bis 22:15 Uhr zugelassen. Die Entscheidung wirft die Frage auf, ob die Auskunft des Gesundheitsministeriums haltbar ist, wonach Demo-Teilnehmer bis 21 Uhr zu Hause sein müssen.
Für die Entscheidung, ob den 14 Hotelgästen in Nürnberg ein Bußgeldbescheid ausgestellt wird, ist laut Ordnungsamt Nürnberg die Auskunft des Gesundheitsministeriums nicht bindend, da es sich um einen konkreten Einzelfall handelt, der genau geprüft werden müsse.
Zusammengefasst heißt das: Die Teilnahme an einer Demonstration ist laut bayerischem Gesundheitsministerium keine Dienstreise. Bei der Frage, ob bei der Buchung eines Zimmers und der Übernachtung in einem Hotel ein Bußgeld verhängt wird, muss immer im Einzelfall entschieden werden.
Und der befindet sich aktuell im Spannungsfeld zwischen der Auskunft des bayerischen Gesundheitsministeriums, dass eine An - und Abreise zu Demos außerhalb der nächtlichen Ausgangssperre möglich ist, und dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der eine Demonstration bis 22:15 Uhr genehmigt hat.
Fehlende Grundsatzentscheidung
Christoph Möllers, Professor für Verfassungsrecht an der Humboldt Universität Berlin, schätzt die rechtliche Situation so ein: Sobald eine Versammlung genehmigt ist, sind auch An - und Abreise, und somit auch eine Übernachtung im Hotel von der Versammlungsfreiheit gedeckt. Vorausgesetzt man könne plausibel begründen, dass man z.B. wegen der geltenden Ausgangssperre nicht mehr rechtzeitig nach Hause komme.
Ist eine Versammlung nicht genehmigt und es finden im Zuge dessen trotzdem Hotelübernachtungen statt, könnten laut Möllers Bußgelder verhängt werden, da diese Übernachtung nicht von der Versammlungsfreiheit geschützt sei.
Grundsätzlich gilt: Solange keine Grundsatzentscheidung zu Übernachtungen im Zuge von Demonstrationen getroffen wurde, muss immer im Einzelfall entschieden werden, ob eine Ordnungswidrigkeit vorliegt. Ein ganz normaler juristischer Vorgang.
Die Versammlungen in Nürnberg, Fürth und Stein waren von den Behörden zuvor verboten worden. Im Fall der 14 kontrollierten Hotelgäste in Nürnberg laufen aktuell noch die Ermittlungen des Ordnungsamtes Nürnberg, ob ein Bußgeldbescheid erlassen wird.
Die Stellungnahme des bayerischen Gesundheitsministeriums zu Übernachtungen im Zuge von Versammlungen gilt für alle Demonstrationen, die auf öffentlichen Plätzen in Bayern stattfinden. Die Frage, ob diese Übernachtungen im Zusammenhang mit einer Demonstrationsteilnahme auch zulässig sind, stellt sich aber vor allem bei den Versammlungen der sogenannten “Querdenker”, da Teilnehmer dafür mitunter aus ganz Deutschland anreisen.
Fazit:
Die Teilnahme an einer Versammlung ist laut bayerischem Gesundheitsministerium keine Dienstreise. Die Frage, ob bei einer Übernachtung in einem Hotel im Zuge einer Demonstration ein Bußgeldbescheid erteilt wird, kann nicht abschließend geklärt werden. Bis zu einer Grundsatzentscheidung muss jeweils der Einzelfall geprüft werden. Die Diskussion um die Zulässigkeit von Übernachtungen bei Demonstrationen stellt sich im Moment vor allem bei den sogenannten “Querdenker”-Demonstrationen.
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