In der ARD-Sendung "Anne Will" am Sonntagabend wurde klar: Bundeskanzlerin Merkel ist nicht nur mit dem SPD-geführten Bundesland Berlin unzufrieden, weil die Menschen hier trotz hoher 7-Tages-Inzidenzen jenseits der 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner weiter shoppen und in Museen gehen dürfen. Sie kritisierte genauso das CDU-geführte Saarland, das nach Ostern im Rahmen eines Modellprojekts weitere Öffnungsschritte vornehmen will, obwohl die Infektionszahlen auch dort wieder steigen.
Und sie warf Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident und CDU-Vorsitzendem Armin Laschet vor, die Notbremse-Regelungen nicht konsequent umzusetzen. Wohlgemerkt in einer Phase der Pandemie, in der die Infektionszahlen bundesweit steigen, und Intensivmediziner warnen, das Gesundheitssystem könne schon bald überlastet werden. Alles einfach so weiterlaufen zu lassen, ist offensichtlich keine Option. Wie also reagieren?
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Option 1: Konsequente Notbremse, überall
Die einfachste Möglichkeit wäre es, alle Länderchefs hielten sich an die bereits beim Bund-Länder-Treffen Anfang März beschlossenen Maßnahmen inklusive der Notbremse-Regelung. Diese besagt: Steigen die 7-Tages-Inzidenzen in einem Landkreis oder einem Bundesland an drei aufeinanderfolgenden Tagen auf mehr als 100 pro 100.000 Einwohner, dann werden nicht nur bereits erfolgte Öffnungsschritte rückgängig gemacht, wie etwa offene Läden oder Museen. Sondern es sollen auch Kontaktbeschränkungen oder nächtliche Ausgangssperren erfolgen.
Doch was Bayern und Baden-Württemberg konsequent umsetzen, wird etwa in Nordrhein-Westfalen eher lax gehandhabt: Dort hat es die CDU-Landesregierung unter Armin Laschet vielen Landkreisen und kreisfreien Städten ermöglicht, trotz hoher Infektionszahlen Geschäfte offenzuhalten - mit mehr tagesaktuellen Schnelltests.
Gemeinsame Linie unwahrscheinlich
Laschet hat diesen Kurs jetzt noch einmal verteidigt und gesagt, es gebe genügend Möglichkeiten in NRW, viele Menschen zu testen. Deshalb sei es sinnvoll, den Menschen auch mehr Anreize zum Testen zu geben, etwa, bevor sie in Geschäften mit einem vereinbarten Termin einkaufen gehen würden. Die Notbremse sieht er in seinem Bundesland dennoch konsequent umgesetzt - auch wenn offene Geschäfte der Notbremse glatt widersprechen. Laschet sagt auf die Kritik von Merkel: Wenn Bund und Länder sich gegenseitig die Verantwortung zuschieben, helfe das nicht weiter. Er sei allerdings für jeden Vorschlag offen, was er noch besser machen könne, sollte die Lage dramatischer werden. Wann die Lage dramatisch genug sei für weitere Verschärfungen, ließ Laschet offen.
Auch das Saarland will öffnen
Auch Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans von der CDU hat seinen Lockerungskurs verteidigt. Im CDU-Präsidium erklärte er laut Teilnehmerangaben, anstelle von Beschränkungen setze man wie in NRW auf Tests. Es handele sich nicht um ein Experiment, das Infektionen in Kauf nehme, sondern im Gegenteil um ein Modell zur Entdeckung von Infektionen. Natürlich gebe es einen klaren Exit, wenn exponentielles Wachstum mit hohen Belegungszahlen in den Krankenhäusern eintreten werde.
Andere Länder wie Brandenburg dagegen haben sich nochmal klar zur Notbremse bekannt: Man setze diese auf Kreisebene um. Der Wunsch nach Lockerungen ist verständlich; Infektiologen und Intensivmediziner glauben aber, dass nur ein harter, zweiwöchiger Lockdown die Infektionszahlen wieder senken kann. Dazu müssten alle Bundesländer konsequent die Notbremse umsetzen - ohne Ausnahmen. Dass sie dieser Selbstverpflichtung geschlossen nachkommen, ist aber unwahrscheinlich.
Option 2: Noch eine Bund-Länder-Runde?
Zweite Möglichkeit: die nächste Ministerpräsidenten-Konferenz mit Bundeskanzlerin Merkel. Der nächste Termin ist eigentlich der 12. April. Manche Länderchefs, allen voran Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg, haben aber gefordert, sich schon diese Woche erneut zusammenzusetzen, um einen harten Lockdown zu besprechen. "Wir sehen halt, die Zahlen rasen förmlich hoch", so Kretschmann am Samstag in Stuttgart. Deshalb müsse bei Vorgesprächen am Montag und Dienstag Klarheit her. Er unterstützt auch den Kurs von Gesundheitsminister Spahn, der gefordert hatte, das Leben noch mal für zehn, vierzehn Tage herunterfahren. Auch der Gesundheitsexperte der SPD, Karl-Lauterbach, hat einen raschen, neuen Corona-Gipfel verlangt. Doch ob es diese Woche wirklich nochmal zu einem neuen Bund-Länder-Treffen kommt, ist noch nicht klar.
Bayerns Ministerpräsident Söder erteilte einem solchen Vorhaben eine Absage. Es brauche nicht ständig neue Gespräche, sondern die konsequente Umsetzung der Notbremse in allen Bundesländern. Die Instrumente, um Corona einzudämmen, lägen eigentlich alle auf dem Tisch. Und auch Bundeskanzlerin Merkel hat sich am Sonntagabend gegen eine neue Konferenz in dieser Woche ausgesprochen.
Ein solches Treffen könnte dennoch sinnvoll sein, um klar zu formulieren, welche Maßnahmen die Bundesländer bei hohen Inzidenzwerten treffen müssen. Bisher lässt die Formulierung relativ viel Spielraum. Im Beschluss der letzten Konferenz vom 22. März heißt es, die zusätzlichen Maßnahmen können zum Beispiel nächtliche Ausgangsbeschränkungen oder verschärfte Kontaktbeschränkungen beinhalten, ohne jedoch klare Vorgaben zu machen.
Option 3: Härtere Gesetzgebung durch den Bund?
Söder hat sich stattdessen zu einer dritten Variante bekannt: Die Kanzlerin, sagte Bayerns Ministerpräsident in den ARD-Tagesthemen am Sonntagabend, hätte seine Unterstützung, wenn sie das Recht auf nationaler Ebene ändern würde, um klare Vorgaben zu machen. "Ich bin da sehr dafür und offen", sagte Söder. Konkret geht es um eine Änderung im Infektionsschutzgesetz. Darin heißt es bisher nur relativ unkonkret, dass die Länder bei bestimmten Inzidenzen etwa Ausgangsbeschränkungen anordnen sollen, um Corona einzudämmen. Eine Möglichkeit sei es, sagte Merkel, das Infektionsschutzgesetz nochmal anzupacken - sprich: darin genaue Vorgaben zu machen, bei welchen Inzidenzzahlen welche Maßnahmen von allen Bundesländern umgesetzt werden müssen.
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Im Gesetzestext stünde dann also nicht mehr "sollen", sondern "müssen". Merkel sagte, sie denke über eine solche Änderung nach. Allerdings müssten dafür Bundestag und Bundesrat zustimmen. Für eine schnelle Änderung kurz vor Ostern läuft also die Zeit davon. Doch wenn, dann müsste eine Verschärfung ab Ostern her, weil in dieser Zeit die Schulen ohnehin geschlossen sind. Möglich wäre es noch: Die nächsten regulären Sitzungen im Bundestag sind zwar Mitte April beziehungsweise Anfang Mai im Bundesrat. Angesichts der Dringlichkeit könnten aber auch Sondersitzungen einberufen werden.
Staatsrechtler wie Christoph Möllers von der Humboldt-Universität Berlin sehen indes noch die Möglichkeit, dass der Bund einen Lockdown auch direkt durch ein Bundesgesetz beschließen könnte. Grundlage dafür ist Artikel 74 im Grundgesetz, wonach der Bund "Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten" treffen kann. Dass sich der Bund so aber einfach über die Länder hinwegsetzt, wäre schon allein aus taktischen Gründen unklug: Denn letztlich sind es die Länder, die vor Ort dafür zuständig sind, Maßnahmen zu ergreifen und zu überwachen. Die Kanzlerin sagte deshalb, Bund und Länder müssten zusammen handeln. "Wir können nichts ohne einander beschließen."
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