Symbolbild "Blutige Milch"
Bildrechte: BR
Audiobeitrag

Symbolbild "Blutige Milch"

Bildbeitrag
>

BR Recherche: Das Geschäft mit kranken Kühen

BR Recherche: Das Geschäft mit kranken Kühen

In dem Schlachthofskandal im niedersächsischen Kreis Stade sind Tiere brutal gequält worden. Laut Experten haben auch Landwirte und Transporteure gegen das Tierschutzgesetz verstoßen. Nach BR Recherchen steckt dahinter ein kriminelles Geschäft

Über dieses Thema berichtet: Plusminus am .

Es sind Szenen, die auch erfahrene Veterinäre erschüttern: Kranke und verletzte Rinder, die aus eigener Kraft weder stehen noch gehen können, werden in zahlreichen Fällen gewaltsam mit einer Seilwinde auf Viehtransporter gezerrt und zum Schlachthof gefahren. Das zeigen Bilder der Organisation "Soko Tierschutz", die dem ARD-Magazin Plusminus exklusiv vorliegen.

Illegales Geschäft mit Tieren

Veterinären zufolge ist das ein illegales Geschäft, und das brutale Vorgehen eine Straftat. Tiere, die nicht selbstständig gehen können, dürfen laut Gesetz nicht transportiert werden. "Für mich ist es unverständlich, wie man mit lebenden Wesen so umgehen kann", sagt die Tiermedizinerin Claudia Preuß-Ueberschär, die gemeinsam mit drei weiteren Experten das Videomaterial analysiert hat.

Tierquälerei im Schlachthof?

Über mehrere Wochen haben die Tierschützer solche Szenen dokumentiert. Das Vorgehen wirkt routiniert, immer wieder dasselbe Schema, sagt Friedrich Mülln von der "Soko Tierschutz". Der Transporter des Schlachtbetriebs aus Düdenbüttel im Landkreis Stade fährt zu einem Bauernhof, per Seilwinde werden gehunfähige Tiere aufgeladen, zum Schlachthof gefahren und dort verarbeitet.

Der Transporteur und Betreiber des Schlachthofs lässt alle Fragen des Bayerischen Rundfunks zu den Missständen unbeantwortet. Die zuständige Veterinärbehörde räumt auf Anfrage ein, dass der Schlachtbetrieb von zwei amtlichen Tierärzten regelmäßig kontrolliert wurde. Dennoch: Von den Missständen haben sie offenbar nichts mitbekommen

Profit auf Kosten von Tierschutz

Tierschützer und Veterinäre sprechen von einem "kriminellen Netzwerk", einem Systemproblem. Denn kranke Rinder, wie in den vorliegenden Fällen, müssen am Hof eingeschläfert und entsorgt werden. Das kostet den Landwirt Geld. Verkauft er das Tier aber, verdienen alle daran – vom Bauern über den Transporteur bis hin zum Schlachter. Im Interview mit Plusminus verteidigt einer der beteiligten Bauern im Kreis Stade, der sein Tier besonders brutal behandelt hat, sein Vorgehen: Das sei Wirtschaft.

Für den Absatz von nicht-transportfähigen Tieren gibt es in Deutschland einen Markt. Erst vor wenigen Monaten wurden in Schlachthöfen im niedersächsischen Bad Iburg und in Höhengöhren in Sachsen-Anhalt ähnliche Missstände wie im Kreis Stade aufgedeckt. Auch dort ging es um Tiere, die mit der Seilwinde auf Transporter gezerrt und zum Schlachthof gebracht wurden. In allen Fällen wurden die Schlachthöfe geschlossen, die Staatsanwaltschaften ermitteln. Bisher richten sich diese Ermittlungen nach BR-Recherchen aber nur gegen die Schlachtbetriebe – Transporteure und Landwirte stehen bisher nicht im Fokus.

Ministerin kritisiert Landwirte

Allein in Niedersachsen kam es in den vergangenen sechs Monaten zu vier Schlachthofskandalen. Die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast sieht sich nicht in der Verantwortung, sondern erhebt im aktuellen Fall schwere Vorwürfe gegen die Landwirte. Das sei "kriminelle Energie", gegen die rigoros vorgegangen werden müsse.

Verbraucher in Gefahr?

Der Verzehr von Fleisch kranker und verletzter Tiere kann gefährlich sein – die Folgen reichen von Durchfall bis hin zur Lebensmittelvergiftung. Im Fall Stade kann ein Fleischhygieniker nach Sichtung der verdeckt gedrehten Bilder eine Belastung durch Krankheiten oder Entzündungen im Fleisch nicht ausschließen.

Auf BR-Anfrage bestätigt das Veterinäramt Stade, es habe Ware des Schlachthofes teilweise zurückgeholt und sichergestellt. Nach Angaben der Behörde wurden mikro-bakterielle Untersuchungen angeordnet. Die Ergebnisse liegen noch nicht vor.

Der Schlachtbetrieb in Düdenbüttel hat unter anderem an einen niederländischen Fleischverarbeiter geliefert. Gegenüber dem BR versichert die Firma, Fleisch aus Stade vorsorglich aus dem Verkehr gezogen und die Geschäftsbeziehung abgebrochen zu haben. Zu den Kunden des niederländischen Betriebs gehören internationale Fleischverarbeiter und die Lebensmittelindustrie.