Über mangelnde Aufmerksamkeit kann sich die FDP nicht beklagen. Ganz unterschiedliche Gruppen sind zum Stuttgarter Opernhaus gekommen, um dort zu demonstrieren, wo die Liberalen ihr traditionelles Dreikönigstreffen abhalten. Friedensgruppen, die Waffenlieferungen an die Ukraine ablehnen, Mitglieder von Attac, die für ein Klimageld werben, Aktivisten von PETA, die der FDP vorwerfen, "Totengräber des Tierschutzes" zu sein, und natürlich Landwirte, die warnen "Ihr legt unsere Felder still – wir eure Straßen". Sie alle wären wohl nicht gekommen, wären die Liberalen nicht in der Regierung.
Das Fremdeln mit der Ampel
Dabei ist die Beteiligung an der Ampel für die FDP selbst ein Problem: Die eigenen Anhänger "fremdeln" mit der Ampel, haben die Parteioberen vielfach festgestellt. Was sich bei nahezu allen Wahlen seit Eintritt in die Ampel gezeigt hat. Die Partei flog aus zwei Landesregierungen, aus drei Landtagen (zuletzt in Bayern) und kam in Bremen und Hessen nur haarscharf über die Fünf-Prozent-Hürde. Um die Jahreswende sorgte dann eine Mitgliederbefragung für Diskussionen: nur eine knappe Mehrheit sprach sich am Ende gegen den geforderten Ausstieg aus der Ampel aus.
Lindner: Die Regierung macht mehr richtig als falsch
Längst ist klar: Was so harmonisch begann – mit freundlichen grün-gelben Selfies – hat sich für die Partei zu einem veritablen Problem entwickelt. Dementsprechend versucht Parteichef Christian Lindner beim Dreikönigstreffen den Spagat. Die Regierung mache natürlich Fehler, gibt er zu, aber sie mache eben mehr richtig als falsch – sonst wäre die FDP nicht mehr dabei.
Wenn Lindner dann vor zu viel Pessimismus in der Gesellschaft warnt, klingt das wie ein Appell an die eigenen Anhänger: Eine Gesellschaft, die nicht mehr an die eigene Zukunft glaube, verspiele ihre Zukunft, sagt der Parteichef. Und es erscheint nicht abwegig, das Wort "Gesellschaft" in diesem Satz durch das Wort "FDP" zu ersetzen.
Denn letztlich hat die FDP derzeit keine Alternative zur Ampel. Nicht nur, dass ein Austritt wie eine Flucht aus der Verantwortung wirken würde – das wurde Lindner schon 2017 nach seinem berühmten Satz, es sei besser "nicht zu regieren als schlecht zu regieren" vorgeworfen. Dazu kommt: Käme es jetzt zu Neuwahlen, müsste die Partei um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen. Bleibt also nur: Durchhalten und hoffen.
Vielleicht etwas weniger Streit?
Dabei wird es auch künftig nicht ohne Diskussionen innerhalb der Regierungskoalition in Berlin gehen. Obwohl die FDP weiß, dass der häufige Streit in der Ampel mit für deren Unbeliebtheit verantwortlich ist. Vielleicht spart der Fieber-geschwächte Lindner daher mit direkter Kritik an den Koalitionspartnern SPD und Grünen. So als würde er das Signal aussenden: "Seht her, an mir liegt’s nicht." Inhaltlich aber pocht der FDP-Vorsitzende, der zugleich Bundesfinanzminister ist, auf ur-liberalen Positionen: Der Staat könne auf Dauer nicht mehr Geld ausgeben als er einnimmt. Es sei notwendig, Ausgaben zu priorisieren. Und nur eine Politik, die Wachstum ermögliche, ermögliche es, ökologische und soziale Anliegen finanzieren zu können.
Damit zeigt sich beim Dreikönigstreffen: Ein neues Konzept zum Umgang mit der ungeliebten Ampel hat die FDP nicht. In der Ampel bleiben und dabei Profil zeigen. Vielleicht mit etwas weniger öffentlichem Streit. In der Hoffnung, dass die Wähler das doch noch goutieren.
Strack-Zimmermann soll’s bei den Europawahlen richten
Die erste große Herausforderung ist – nach der teilweisen Nachwahl zum Bundestag in Berlin – die Europawahl im Juni. Die designierte Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hält in Stuttgart eine kämpferische Rede und wird dafür noch mehr gefeiert als der Parteivorsitzende. Was vielleicht auch daran liegt, dass sie in Berlin kein Regierungsamt innehat, sondern sich als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses immer wieder auch als Kritikerin von Entscheidungen der Ampel einen Namen gemacht hat.
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