Die Gas-Krise hat eine lange Vorgeschichte, davon ist Jürgen Kühling überzeugt – er ist der Vorsitzende der Monopolkommission, die die Bundesregierung berät. Und diese Vorgeschichte hängt eng mit der Entstehung des Unternehmens Uniper zusammen. "Ich glaube, das ganze Unglück ist gestartet, als die Ministererlaubnis E.ON-Ruhrgas erteilt worden ist", sagt Kühling.
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Umstrittene Ministererlaubnis
2002 war das, als der Stromkonzern E.ON den größten deutschen Gasanbieter Ruhrgas übernehmen wollte. Das Bundeskartellamt widersprach, doch die damalige rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder setzte sich über alle Bedenken hinweg. Und erteilte eine umstrittene Ministererlaubnis:
"Im Fall E.ON habe ich die Erlaubnis trotz eines ablehnenden Votums der Monopolkommission und im Ergebnis unter durchgreifenden Auflagen erteilt", erklärte damals Alfred Tacke, SPD. Er war Staatssekretär und vertrat den parteilosen Wirtschaftsminister Werner Müller, der sich für befangen erklärt hatte. Beide, Müller und Tacke, wechselten nicht allzu lange nach der umstrittenen Entscheidung in den Verbund der Unternehmen, die von der Entscheidung betroffen waren.
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Umstrittener Politiker-Wechsel in die Energie-Wirtschaft
Der damalige FDP-Chef Guido Westerwelle nannte das einen Skandal, der zum Himmel stinkt. Auch Werner Schulz von den Grünen, die damals in der Regierung waren, kritisierte im Jahr 2004: "Bei aller persönlicher Wertschätzung von Ex-Minister Werner Müller und Staatssekretär Alfred Tacke haben deren Wechsel in diesen Konzernbereich wahrlich nicht dazu beigetragen, den Argwohn gegen eine höchst umstrittene Entscheidung abzubauen.“
Fatale Abhängigkeit von Monopolisten
Doch nicht nur, dass die Entscheidung ein Geschmäckle hatte - nach Einschätzung von Jürgen Kühling, dem Vorsitzenden der Monopolkommission, hatte sie auch fatale wirtschaftliche Folgen. Viele schwierige Dinge seien zusammengekommen, sagt Kühling: Lobbyismus auf der einen Seite und dass man glaubte, mit einem ganz großen deutschen Gasanbieter würde alles besser. Das sei ein völliges Fehlverständnis gewesen: "Was wir gebaut haben, ist ein Monopolist. Dieser Monopolist hat sich dann in der Folge auch noch von russischen Unternehmen abhängig gemacht", analysiert Kühling.
Bindung zu Russland war politisch gewollt
So beteiligt sich E.ON Ruhrgas an Nord Stream 1 und später an Nord Stream 2. Dabei war die stärkere Bindung an Russland kein Versehen, sondern geplant – und von der Politik gewollt. Der für die Ministererlaubnis zuständige Staatssekretär Tacke sagte 2002, der Zusammenschluss versetze Ruhrgas in die Lage, "nicht nur Gas zu importieren, sondern sich auch zum Beispiel verstärkt bei der Gazprom zu beteiligen."
Keine Förderung von alternativen Investitionen
Alternativen zum russischen Gas wurden nicht gefördert – obwohl die Ministererlaubnis 2002 damit begründet wurde, dass so die Versorgung mit Gas gesichert sei. "Damit sind viele andere alternative Investitionen nicht erfolgt, etwa in die Versorgung mit Flüssiggas und ähnliche Dinge mehr", sagt Kühling.
E.ON Ruhrgas hätte sogar eine Lizenz für ein Flüssiggasterminal in Wilhelmshaven gehabt – das gemeinsame Unternehmen gab diese Lizenz jedoch 2009 ab. 2016 wurde das Gasgeschäft abgespalten – so entstand das Energieunternehmen Uniper, das vor kurzem vom Bund gerettet werden musste.
Jetzt versucht Uniper in Windeseile Flüssiggasterminals zu bauen – damit Deutschland aus der fatalen Abhängigkeit von russischem Gas kommt. Eine andere Entscheidung vor zwanzig Jahren hätte vielleicht geholfen, diese Abhängigkeit erst gar nicht entstehen zu lassen.
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